Intensiver, nervenaufreibender Psychothriller über die Zerstörungskraft von Wahrheit und Lüge
Joel Edgerton, der aus Filmen wie The Warrior, Zero Dark Thirty oder Black Mass bekannt ist, stellt bei The Gift nicht nur erneut sein Können als Schauspieler und Drehbuchautor unter Beweis, sondern versucht sich auch zum ersten Mal als Regisseur eines Langspielfilms und es bleibt zu hoffen, dass er diesen Job in Zukunft öfter macht. In diesem perfiden Thriller ziehen das Ehepaar Simon und Robyn in ein neues schickes Haus in Kalifornien. Robyn hat eine fehlgeschlagene Schwangerschaft hinter sich und Simon beginnt in einem neuen Job. Es soll ein Neustart sein, doch dieser wird getrübt durch ein Wiedersehen mit einem alten Schulkameraden von Simon, der den beiden beim Einkaufen über den Weg läuft. Von da an sieht sich Robyn, die den ganzen Tag alleine im Designerhaus sitzt und arbeitet, regelmäßig mit Geschenken und Besuchen von Gordo, dem seltsam anmutenden Geist der Vergangenheit, konfrontiert. Er macht einen einsamen Eindruck und Robyn hat Mitleid mit ihm, während Simon zunehmend von der Aufdringlichkeit Gordos genervt ist. Als Simon sich dazu entschließt, die aufkeimende, recht einseitige Freundschaft zu beenden, setzt dies eine Welle an beängstigenden und mysteriösen Ereignissen in Gang.
The Gift schafft es, eine derart beunruhigende Atmosphäre aufzubauen, dass man den ganzen Film über nicht nur körperlich, sondern auch nervlich am Rande des Kinosessels sitzt. Unterstützt wird die fein durchdachte Handlung von klaren Bildern, sehr gutem Schauspiel der drei Hauptdarsteller, einer kühlen zurückhaltenden Kulisse und einem reduzierten, bedrohlichen Klangbild. Selten spielte ein Psychothriller so gekonnt, spannend und auf moralischer Ebene, mit der Psychologie und Erwartungshaltung seiner Charaktere und Zuschauer. Jede Handlung und jedes Ereignis in unserem Leben haben Konsequenzen und zum Teil weitreichende Folgen, das macht The Gift auf beunruhigende Weise klar. Viele, die wir glauben zu kennen oder in eine Schublade einordnen zu können, sind viel mehr, aber manchmal auch viel weniger, als wir ihnen zutrauen. Es gibt in dieser Geschichte keine klare Aufteilung in Gut und Böse, die Grenzen verschwimmen. Man glaubt, sich ein Bild gemacht zu haben, zu wissen, wer Täter und wer Opfer ist, und im nächsten Moment ist alles anders. Edgerton ist sowohl inhaltlich, inszenatorisch als auch stilistisch ein fesselndes Debüt gelungen, das, soviel sei verraten, in einem heftigen Ende kulminiert.