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Filmkritik

The Girl on the Train

| Jörg Schiffauer |
Drei Frauen und ein Todesfall

Ihre Scheidung hat Rachel Watson (Emily Blunt) schwer zugesetzt. Jeden Tag, wenn sie mit dem Zug aus einem Vorort nach Manhattan zur Arbeit fährt, kommt sie an jenem  Haus vorbei, in dem sie mit ihrem Mann Tom wohnte und wird dadurch an alles erinnert, was zur Trennung geführt hat. Ein selbstquälerischer Akt, denn ihr Ex-Mann logiert dort längst mit seiner neuen Frau Anna und dem gemeinsamen Baby. Zudem hat Rachel aufgrund eines veritablen Alkoholproblems ihren Job verloren, die Zugfahrt ist nur noch ein krampfhaft aufrechterhaltenes Ritual. Dabei erhascht sie auch regelmäßig einen flüchtigen Blick auf das Anwesen eines jungen Paars, das Rachel in dem Dunst aus Selbstmitleid und Alkohol zum Inbegriff einer glücklichen Beziehung stilisiert. Als sie jedoch eines Tages Megan, so der Name der jungen Frau, auf dem Balkon in den Armen eines anderen Mannes sieht, zerplatzt auch diese Phantasie, was Rachel endgültig abstürzen lässt. Als sie am nächsten Morgen schwer verkatert und blutverschmiert aufwacht, ahnt sie schon, dass sich etwas Furchtbares zugetragen hat – eine Vermutung, die sich noch verstärkt, als sie erfährt, dass Megan verschwunden ist. Prompt gerät Rachel in den Fokus der polizeilichen Ermittlungen, wo man den Aussagen einer Alkoholikerin naturgemäß skeptisch begegnet. Und so beginnt sie selbst immer mehr an ihren Erinnerungen zu zweifeln, doch in Wahrheit sind die Dinge noch verwickelter und mysteriöser als sie für Rachel hinter ihrer Alkoholfahne ohnehin erscheinen.

Der Plot des 2015 veröffentlichten gleichnamigen Romans, der sich zum weltweiten Bestseller entwickelte, hätte viele Ingredienzien für einen wirklich guten Mystery-Thriller, doch bei der filmischen Adaption ist einiges schief gelaufen. Das liegt in erster Linie an der unfokussierten Inszenierung von Tate Taylor, die über weite Strecken planlos zwischen Beziehungsdrama, psychologischem Thriller und Krimi changiert. Dieses narrative Mäandern inmitten zahlreicher Handlungsfäden erscheint zunehmend unangenehm arbiträr und blockiert zudem den sinnvollen Aufbau jedes Spannungsbogens.

An der Hauptdarstellerin liegt es auf jeden Fall nicht, dass The Girl on the Train nicht funktionieren will. Emily Blunt gibt sich alle Mühe, um ihrer Rolle mehr abzugewinnen, als bloß die attraktivste Schnapsdrossel seit Faye Dunaway in Barfly. Obwohl ihr die Inszenierung kaum Möglichkeiten lässt, gelingt es ihr in wenigen Closeups, die zerstörerische Wirkung der Alkoholabhängigkeit samt all der damit verbundenen Verzweiflung zu demonstrieren. Es sind dies die wenigen intensiven Momente des Films, der erst ganz am Schluss unerwartete doch noch auf Zug kommt und andeutet, dass die Geschichte das Potenzial für einen mehr als nur soliden Thriller gehabt hätte.