Der Kampf um den Titel des besten Golfspielers bei den US-Open von 1913 entwickelte sich zu „The Greatest Game Ever Played“. Bill Paxtons Verfilmung stellt eines jener sporthistorischen Ereignisse in den Mittelpunkt, deren Bedeutung weit über die sportliche Dimension hinausging.
Eigentlich klingt die Geschichte wie die Mustervorlage eines Hollywood-Drehbuchs. Ein junger Bursche entdeckt bei seiner Tätigkeit als Caddie seine Begeisterung und große Begabung für das Golfspiel, doch seine soziale Zugehörigkeit zur Arbeiterklasse scheint ihm den Zugang zum exklusiven Sport zu verwehren. Doch sein phänomenales Talent verschafft ihm einflussreiche Förderer, die ihm die Teilnahme an den prestigeträchtigen US-Open ermöglichen. Und der junge Mann erfüllt die Erwartungen, spielt, unterstützt von seinem erst zehnjährigen Caddie ein brillantes Turnier und wird zum Hoffnungsträger der Fans. In der finalen Runde sieht er sich schließlich dem großen Favoriten im Kampf um den Sieg gegenüber, dem großen Showdown steht nichts mehr im Weg.
Die Faszination der Leistung
So romantisch sich diese Geschichte anhören mag, sie hat sich tatsächlich zugetragen, und der Sieg des knapp 20-jährigen Amateurs Francis Ouimet bei den US-Open 1913 zählt immer noch zu den legendären Momenten in der Geschichte des Golfsports. Ouimet, der zuvor bei einem anderen Turnier vorzeitig ausgeschieden war, musste förmlich zur Teilnahme überredet werden. Und die Veranstalter konnten ein heimisches Talent gut gebrauchen, auch wenn dessen Chancen auf einen Erfolg gering schienen. Denn zur damaligen Zeit wurde der Golfsport von britischen Spielern dominiert, und mit dem Engländer Harry Vardon war der Superstar des Sports nach Massachussetts gekommen, um den Titel nach Europa zu holen. Doch die für unmöglich gehaltene Überraschung nahm ihren Lauf: Nach vier Runden lagen Ouimet, Vardon und dessen Landsmann Ted Ray gleichauf, und in der notwendigen gewordenen Extrarunde gelang es dem großen Außenseiter tatsächlich, seine prominenten Gegner zu bezwingen.
So sehr diese Geschichte um einen Underdog, der gegen eine Reihe von Widrigkeiten ankämpfen muss, den Anforderungen klassischer Hollywood-Dramaturgie entspricht, Bill Paxtons The Greatest Game Ever Played begnügt sich nicht damit, die David-gegen-Goliath-Metapher abzuarbeiten, sondern richtet den Fokus auf einen anderen Aspekt. Denn sieht man von einigen üblichen Nebensträngen wie familiäre Konflikte und der typischen Liebesgeschichte ab, die bemerkenswert wenig Platz einnehmen, konzentriert sich Paxton weitgehend auf das Golfturnier selbst, stellt das Spiel und die Faszination, die dessen virtuose Beherrschung auszuüben vermag, in den Mittelpunkt. Mit diesem Blickwinkel kommt er einigen der Gründe für die gesellschaftliche Bedeutung, die professioneller Sport mittlerweile erlangt hat, ziemlich nahe.
„Eishockey ist wie das Leben mit seinen vielen Ups and Downs“, erklärt etwa Jim Boni, kanadischer Cheftrainer des österreichischen Nationalteams die Faszination seiner Sportart und erläutert mit diesem Allgemeinplatz recht treffend, warum die Bedeutung des Sports als fixer Bestandteil des sozialen Lebens längst über Resultate und Tabellen hinausgeht. Bieten doch sportliche Wettkämpfe mit ihren durch ein genau definiertes Regelwerk festgelegten, fast ritualisierten Abläufen Projektionsflächen für idealisierte Vorstellungen und Träume, deren Realisierung in einer immer komplexeren Welt zunehmend schwierig wird. Wer sich jedoch an die Regeln eines sportlichen Wettkampfes hält, dem sind kraft seiner Fähigkeiten und der Virtuosität, mit der das Spiel beherrscht wird, offenbar keine Grenzen gesetzt.
Auch die Protagonisten von The Greatest Game Ever Played werden im Verlauf der Geschehnisse in mehrfacher Hinsicht zu symbolträchtigen Figuren. Einerseits scheint der Erfolg im Sport der Schlüssel für einen kometenhaften sozialen Aufstieg zu sein. Doch während Francis Ouimet von Anfang weniger nach finanziellem oder gesellschaftlichem Erfolg trachtet, sondern eigentlich nur die Möglichkeit bekommen möchte, das von ihm so geliebte Spiel ausüben zu können, hat sein etablierter Kontrahent Harry Vardon schon längst erkennen müssen, dass die Dinge abseits des Golfplatzes eben doch komplizierter sind. Zwar wird er von den Mitgliedern der elitären Golfklubs akzeptiert, weil es recht schick erscheint, sich mit einem brillanten Golfchampion zu umgeben, doch respektiert wird Vardon von diesen versnobten Kreisen dennoch nicht.
Auch mit chauvinistisch motivierten Forderungen, den Sieg für das jeweilige Heimatland erringen zu müssen, gehen sowohl Ouimet als auch Vardon eher zögerlich um, die ehrliche Begeisterung für ihr Spiel schweißt die beiden über alle Rivalität hinweg zusammen. Dies wird von Bill Paxton in einer Szene besonders verdeutlicht: Als sich Vardon vor einem Abschlag intensiv konzentriert, verschwinden Zuschauer und Umgebung buchstäblich, Vardon befindet sich völlig allein auf dem Golfkurs, das Spiel in seiner reinen, puren Form koppelt sich förmlich von Raum und Zeit ab. Die „normale“ Welt mit all ihren Einflüssen und Problemen verliert jegliche Bedeutung, die bestmöglich persönliche Leistung zu erbringen wird zum bestimmenden, alleinigen Faktor, und wer letztendlich den Sieg davonträgt, wird dabei fast zur Nebenerscheinung.
Von Rennpferden und Boxern
Dass Geschichten um historische Sportereignisse in jüngster Vergangenheit häufiger als filmische Vorlagen dienten, liegt nicht nur an der erwähnten dramaturgischen Tauglichkeit, sondern wohl auch daran, dass derartige Ereignisse im kollektiven Gedächtnis über Jahrzehnte hinweg besonders nachhaltige Spuren hinterlassen. Dass in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Erfolgsgeschichten, insbesondere wenn der Protagonist alle nur erdenklichen Hindernisse überwinden muss, besonderen Anklang finden, wird nicht sonderlich überraschen, der Held von Gary Ross’ Sea Biscuit (2003) vermutlich doch. Der war in den 1930ern, in den Zeiten tiefster ökonomischer Depression, ein zunächst erfolgloses Rennpferd, das man eigentlich wegen seiner geringen Körpergröße und notorischen Trainingsfaulheit schon aufgegeben hatte. Doch ein neuer Trainer mit unorthodoxen Methoden verhalfen Sea Biscuit dazu, sein Potenzial auszuschöpfen, der Hengst startete eine unglaubliche Siegesserie und bestach dabei vor allem durch seinen großen Kampfgeist. Sea Biscuits ungewöhnliche Laufbahn erregte bald nationales Interesse, das Pferd wurde für eine unter der Weltwirtschaftskrise leidende Bevölkerung zu einer Art von Symbol für Durchhaltevermögen unter widrigsten Umständen. Seine Popularität verhalf Sea Biscuit schließlich zu einem extra arrangierten Vergleichskampf gegen War Admiral, damals das beste Rennpferd der USA, das als unschlagbar galt. Doch das Rennen war mehr als der Vergleichskampf zweier Pferde: War Admiral verkörperte das dominierende Rennsport-Establishment der Ostküste, in einem Erfolg Sea Biscuits sahen viele den Beweis dafür, dass Zähigkeit und unermüdlicher Einsatz auch dem größten Außenseiter zum verdienten Erfolg führen konnten (eine Ansicht, deren protestantische Wurzeln das US-amerikanische Wirtschafts- und Gesellschaftssystem nachhaltig prägen). Am 1. November 1938 strömten mehr als 40.000 Zuschauer auf die Rennbahn von Pimlico in Baltimore, um dem lang erwartete Duell beizuwohnen. Sea Biscuit enttäuschte seine Fans nicht, feierte einen Start-Ziel Sieg und wurde zum Rennpferd des Jahres gewählt.
Nicht weniger spektakulär und von ebensolcher Symbolkraft, die den sportlichen Erfolg weit überstrahlte, verlief die Laufbahn des Boxers Jim Braddock. Der verlor beim großen Börsenkrach von 1929 sein zuvor erboxtes Vermögen, seine sportliche Laufbahn schien verletzungsbedingt ebenfalls am Ende. Ron Howards The Cinderella Man (2005) porträtiert Braddocks außergewöhnliche Karriere, und schon der Titel weist auf den geradezu märchenhaften Verlauf hin. Denn bittere wirtschaftliche Not zwingt Braddock geradezu, ein Comeback zu versuchen, das trotz seiner verletzungsanfälligen Hände vor allem durch seinen Kampfgeist und seine Nehmerqualitäten so erfolgreich verläuft, dass er schließlich sogar die Chance erhält, um die Weltmeisterschaft zu kämpfen. Obwohl er gegen den gefürchteten K.O.-Schläger Max Baer als chancenloser Außenseiter gilt, wird Braddock besonders für die von der Depression hart getroffene Arbeiterklasse zum sentimentalen Hoffnungsträger. Und am 13. Juni 1935 schaffte Jim Braddock tatsächlich die Sensation, eroberte den begehrten Titel im Schwergewicht.
Verkaufte Seelen
Dass es aber nicht nur Erfolgsgeschichten sind, die sich im kollektiven Gedächtnis festsetzen, lässt sich eindrucksvoll anhand einer ebenso berühmten wie berüchtigten Episode aus Amerikas Nationalsport Baseball aufzeigen. Das Team der Chicago White Sox, angeführt von Spielern wie George „Buck“ Weaver und „Shoeless“ Joe Jackson galt in der Finalserie um die World Series von 1919 gegen die Cincinnati Reds als haushoher Favorit. Weil das Staresemble trotz exzellenter Leistungen vom despotischen Teambesitzer Charles Comiskey aber nur schlecht dotierte Verträge erhält, entschließen sich einige der Spieler, Bestechungsgelder eines Wettsyndikates anzunehmen und die World Series absichtlich zu verlieren (was, um Baseball-Unkundigen die Dimension aufzuzeigen, ungefähr so wäre, als würde man das Finale der Fußball-WM verkaufen). John Sayles grandioser Film Eight Men Out (1988), nicht nur wegen der mitreißend und mit großer Detailgenauigkeit in Szene gesetzten Spielsequenzen der beste Baseballfilm überhaupt, setzt sich mit diesem „Scandal That Rocked a Nation” auseinander. So leichtfertig die involvierten Spieler der Schiebung zunächst zustimmen, so schwer fällt ihnen dann die Umsetzung. Denn die eigentlich leidenschaftlichen Baseballspieler werden im Verlauf der Finalspiele sehr bald von Gewissensbissen geplagt, ein innerer, großen psychischen Druck verursachender Konflikt, der auch zu einem zentralen Element von Eight Men Out wird. Die Faszination ihres Sports, der sie sich dann im Verlauf der Spiele doch nicht entziehen können, der zunehmende Unmut der Fans (und ein bisschen auch die Tatsache, dass die versprochenen Bestechungsgelder nur zu einem geringen Teil fließen) veranlasst die meisten, wieder ihre besten Leistungen abzurufen. Und die White Sox machten die Finalserie tatsächlich nochmals spannend, um schlussendlich doch mit drei zu fünf Siegen den Titel an Cincinnati zu verlieren. Doch diesen Verrat an ihrem Sport mussten die Spieler teuer bezahlen. In einem Gerichtsverfahren zunächst aus Mangel an Beweisen freigesprochen, wurden acht zumeist sehr prominente Spieler für ihre Verfehlungen von der Liga lebenslang vom professionellen Baseball ausgeschlossen.
Die Mannschaft von 1919 ging als „Black Sox“ unrühmlich in die Geschichte des Sports ein und über dem Team schien von da an überhaupt ein Fluch zu lasten. Erst 2005 gelang es den Chicago White Sox, die World Series wieder zu gewinnen.