Die letzten Lebensjahre des legendären irischen Lyrikers, Dramatikers und Kulturkritikers Oscar Wilde
Er war gewarnt worden. Nach Ansicht des Verlegers Frank Harris hatte Oscar Wilde nicht die geringste Chance auf Erfolg vor Gericht mit einer Verleumdungsklage gegen den Marquess of Queensberry, der Wildes homosexuelle Neigungen öffentlich gemacht und ihn so bloßgestellt hatte. Auch andere Freunde rieten dringend ab, das Gerichtsverfahren in Gang zu setzen. Als Oscar Wilde dann selber wegen wegen „gross indecency“ der Prozess gemacht wurde, nutzte er nicht die Möglichkeit zur Flucht ins Exil und kam für zwei qualvolle Jahre ins Zuchthaus. Ab 19. Mai 1897 wieder auf freiem Fuß, war der berühmteste Komödiendichter und Mega-Popstar seiner Epoche gesundheitlich und finanziell ruiniert.
„Das Leben ist Qual und Hoffnung, Illusion und Verzweiflung zugleich, am Ende bleibt nur die Verzweiflung.“ Diese Notiz von Lady Wilde kurz vor ihrem Tod umschreibt treffend das kümmerliche Dasein ihres Sohnes Oscar nach der Haft, das bislang kaum im Kino beleuchtet wurde. Der einstige Bonvivant und vor Esprit strotzende Meister des Bonmots war auf Spenden von Freunden angewiesen und zum heimatlosen Schnorrer heruntergekommen. Gleichwohl schätzte er noch immer Delikatessen, Trinkgelage und gelegentliche homosexuelle Ausschweifungen. In Neapel lebte er eine Weile wieder mit der Liebe seines Lebens, Lord Alfred Douglas, zusammen.
Wer mit Leben und Werk des dichtenden Dandys und prominentesten Bannerträger des Ästhetizismus nicht vertraut ist, wird dieses bedrückende Drama über Schmach, Verlust und Tod nur wenig wertschätzen können, weil Wildes Strahlkraft schwand, auch wenn er gelegentlich noch immer prächtig parlieren konnte. Zudem gewinnt man den Eindruck, dass Rupert Everett sich bei der Herausforderung als Autor, Regisseur und Hauptdarsteller in Personalunion etwas übernommen hat. Die unterentwickelte Handlung ist fahrig in Szene gesetzt, Emily Watson als Künstlergattin kommt wenig zur Geltung.
Wildes erster Liebhaber, Robert Ross, der seinem Idol bis zum Tod und dann als Nachlassverwalter treu verbunden war, bleibt ebenfalls eine periphere Figur. Und Colin Morgan als Lord Alfred wirkt anämisch im Vergleich zu Jude Laws betörender Darstellung des eigensüchtigen Schnösels in dem von Brian Gilbert in Szene gesetzten Biopic Wilde (1997). Was Oscar Wildes Hauptwerke wie „The Picture of Dorian Gray“ oder das brillante Lustspiel „The Importance of Being Earnest“ betrifft, so haben sie bis heute nichts von ihrer Faszinationskraft verloren.