Solider Serienkiller-Thriller in viktorianischem Setting
Vorweg: Mit dem Prager Golem, dem mythenumwobenen kleinen Bruder von Frankensteins Monster, hat diese britische Produktion so gut wie nichts zu tun. Die Spur führt stattdessen ins viktorianische London etwa eines Sherlock Holmes und da speziell in das Milieu des Prostituiertenmörders Jack the Ripper.
Ein Verwandter im (Un-)Geist ist der titelgebende (fiktive) Limehouse-Golem, der seine Opfern gerne zu blutigen Skulpturen drapiert und ihnen handschriftliche Bekennerschreiben in Latein mitgibt. Wirklich neu ist das nicht, doch Jane Goldmans (The Woman in Black) Drehbuch – nach einem Roman von, immerhin, Peter Ackroyd hat sich für die kostümierte Serienkillersuche einen unkonventionellen Dreh einfallen lassen: Aufgerollt wird der Plot an Hand eines Prozesses gegen eine junge Witwe, die des Giftmordes an ihrem Mann beschuldigt wird. Sollte er der Limehouse Golem gewesen sein, käme die Frau frei.
Die Recherchen des Scotland-Yard-Beamten, der den Fall verfolgt, führen bald in die London Library, wo selbst Karl Marx kurz in Mordverdacht gerät, und bald in eine verrufene Music Hall. Zwischen Polizeiroutine und Prozessritualen bleibt Zeit für Seitenblicke auf soziale Missstände wie Kinderprostitution und Genitalverstümmelung, und dass der unbekannte Täter seine Botschaften (auch) in Thomas de Quinceys berüchtigte „ Confessions of an English Opium-Eater“ kritzelt, verrät immerhin kulturhistorische Grundkenntnisse.
Die Inszenierung hält in etwa das Niveau einschlägiger TV-Serien wie Penny Dreadful oder Peaky Blinders (dessen Production Designer auch hier zu Gange war) und wahrt die Balance zwischen opulentem Zeitkolorit und drastischen Schocks. Eine durchdachte Farbdramaturgie setzt das golden rote Plüschdekor der Music Hall von den trüb vernebelten Straßenszenen ab; dass den wenigen Totalen die Herkunft aus dem Computer anzusehen ist, liegt vermutlich auch am limitierten Budget.
Eigentlicher Star des Films ist Bill Nighy, der den Part des Scotland-Yard-Ermittlers vom verstorbenen Alan Rickman übernommen hat, und der dem sonst auf derlei Rollen spezialisierten Mark Rylance im effektvollen Unterspielen Konkurrenz macht. In Summe ist dies eine durchaus akzeptable Angelegenheit – nicht so herzzerreißend wie David LynchsThe Elephant Man, nicht derart Grand-Guignol-haft übersteigert wie Guillermo del Toros Crimson Peak, doch innerhalb seiner Genre-Grenzen nicht ohne Reiz. Wer solche plüschig-blutigen Mordgeschichten liebt, wird hier bestens bedient.