Was machen Filmfiguren eigentlich, wenn gerade niemand hinschaut?
Wer möchte nicht gerne einmal die Hauptrolle spielen? Im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen, von allen bewundert werden, jeder Auftritt vom großen Sinfonieorchester begleitet. Paula Feinmanns Herzlaser aber, der für die nach Außen projizierte Emotionsmusik zuständig ist, bringt bestenfalls ein hintergrundtaugliches Melodiechen hervor. Das mag zwar passabel sein für die pastellig braunbeige gedämpfte Welt, in der Paula mit ihrer Mutter zusammen ein bescheidenes Dasein fristet, der ersehnte Wechsel von der Neben- zur Hauptfigur wird ihr damit allerdings nicht gelingen. Dann wird sie ewig am Rand stehen bleiben und zusehen müssen, wie ihre beste Freundin und deren Familie in ihrer bunt ausgemalten, opulenten Hauptrollen-Welt alle naslang in Gesang und Tanz ausbrechen, weil das Leben so schön ist.
Mit The Ordinaries, für den sie gemeinsam mit Michael Fetter Nathansky auch das Drehbuch schrieb, schloss Sophie Linnenbaum ihr Regiestudium an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf ab. Seit ihrer Premiere im vergangenen Juni beim Filmfest in München, wo Linnenbaum als Beste Nachwuchsregisseurin mit dem Förderpreis Neues Deutsches Kino ausgezeichnet wurde, sorgt die meta-filmische Gesellschaftsgroteske allgemein für erfreute Mienen. Es wird wohl am Einfallsreichtum liegen, der sich darin bemerkbar macht, einem raren Gut im bundesdeutschen Kino. Wobei mit Einfallsreichtum nun nicht unbedingt die Storyline gemeint ist, denn die vollführt mitunter arg wilde Volten im Grenzbereich zum Kuddelmuddel. Gemeint ist vielmehr die Entschiedenheit, mit der Linnenbaum den Einsatz experimenteller Mittel im Dienste einer konventionellen Narration wagt. Die von ihr entworfene, streng in Haupt- und Nebenfiguren geschiedene Laufbildproduktions-Welt grenzt sich wiederum ab gegen die Sphäre der Outtakes, in der alles, was gemeinhin auf dem Boden des Schneideraums landet, eine revolutionär gesinnte Notgemeinschaft bildet. Hier, an der unordentlichen Peripherie und im schlecht ausgeleuchteten Untergrund, landen die Übersteuerten und die Unscharfen, die Fehlbesetzten und die Schwarzweißen, die Zensierten und die Verpfuschten. Und genau hier beginnt für Paula die Suche nach dem Geheimnis ihrer Herkunft, die sie bald nicht nur die Bedingungen ihrer eigenen Existenz hinterfragen lässt, sondern auch die Organisation des großen Ganzen.