Manfred Neuwirth unternimmt eine weitere seiner faszinierenden filmischen Expeditionen: ein Bekenntnis zur Konzentration, das zum Überdenken von Wahrnehmungen einlädt.
Bilder, die schwindlig machen: Eine Gruppe junger Burschen springt auf einem bunt gescheckten Trampolin, schreit, lacht, bellt in die Kamera, die sich nicht rührt, ohne Regung beobachtet, fast schon leidenschaftslos dieses Treiben in sich aufnimmt. Minutenlang. Bis die Bilder sich vom Dargestellten zu lösen scheinen, Farben zu wogen beginnen, der sture Naturalismus in einen magischen Realismus mündet, der die Selbstverständlichkeit der gemeinen Wahrnehmung durchdringt.
In 28 strengen, von einer unbewegten Kamera gefilmten Tableaus fängt der Wiener Dokumentar- und Experimentalfilmer Manfred Neuwirth in seinem jüngsten Film tibetanischen Alltag ein – in einer denkbar reduzierten Form, die er zu einer unreduzierten Expression führt. Wenn Neuwirth, teils mikroskopisch nah, teils aus einiger Entfernung, menschliche und natürliche Verrichtungen filmt, erwächst aus seinem quasi-ethnologischen Blick und seinem Bekenntnis zur Konzentration ein schillerndes Kaleidoskop tibetanischer Tatsachen, das zwischen gebetsmühlenartig sich drehenden Mühlsteinen und plärrende Marktlautsprechern, plätschernden Gewässern, Maschinen und Menschen oszilliert. Das Abwechslungsreiche dieser Bilder, das Moderne ebenso einschließt wie Tradition, verhindert zugleich ihr Abgleiten ins rein Meditative, in eine exotisch schöngefärbte Priesterlichkeit. Diese Bilder sind, mal mehr, mal weniger, immer auch politisch, zeigen ganz konkret, wie es sich lebt in diesem Land.
Zudem sind diese Bilder ungemein cinematisch. Neuwirth präsentiert seine Tableaus in strahlendem Cinemascope, das durch das schiere Format und Leuchten seiner Farben die Alltagsbilder mit einer unmittelbaren Künstlichkeit auflädt und den Dokumentar- zum Avantgardefilm erhebt. Dem trägt auch der kristallklare Surround-Ton Rechnung, dessen Raumklang die Bilder selbst ebenso erhellt wie ihre Rückseite, ihr Daneben, das Nicht-Sichtbare. Dass Neuwirth seine Tableaus mit einem schwarz schattierten – man ist versucht zu sagen: schleierhaften – Rahmen versieht, verhilft dem Film zu einem berückend traumhaften Gestus: das Alltägliche, denkbar objektiv Gefilmte offenbart hier seine suggestive Pracht, in flüchtigen Farben und Formen, die ein Tor zur Welt sein könnten – egal, wo diese Welt nun liegt, ob im Himalaya, in Wien, oder bloß im Auge des Betrachters.