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Treasure – Familie ist ein fremdes Land

| Pamela Jahn |
Holprige Reise in die Vergangenheit

Welcher Jude fährt als Tourist nach Polen?“, wundert sich Edek (Stephen Fry). Aber für die Frage ist es jetzt zu spät. Seine Tochter Ruth (Lena Dunham) hat sich in den Kopf gesetzt, die Herkunft ihrer Eltern zu erforschen, um ihr Verhältnis zueinander und sich selbst besser zu verstehen. Sie hat die Reise gebucht, sich eine Route ausgedacht. Jetzt sitzt sie mit ihrem Vater beim Frühstück in einem heruntergewirtschafteten Warschauer Hotel. Edek hat sich ungefragt im letzten Moment eingeklinkt.

Gemeinsam besuchen die beiden jenen Ort, in dem sich das Ghetto befunden hat und die frühere Familienwohnung in Łódź. Ruth ist neugierig und auf der Suche nach etwas, dass ihr die verstorbene Mutter und den entfremdeten Vater wieder ein Stück näher bringt. Verzweifelt klammert sich die junge Fotografin an alten Gegenständen und den Aufnahmen in ihrer Kamera fest. Nachts liest sie im Bett über den Holocaust und kann zunächst trotzdem nicht verstehen, warum Edek partout keinen der Züge nehmen will, für die sie im Voraus Fahrkarten gekauft hat. Stattdessen heuert Edek gleich am Flughafen einen Taxifahrer für ihren kompletten Aufenthalt an. Stefan wird ihr ständiger Begleiter, ein Freund, ein Zeuge, der die sichtlich strapazierte Vater-Tochter-Beziehung mit seiner ruhigen Art immer wieder ins Gleichgewicht bringt. Die Männer reden polnisch miteinander, sie verstehen sich gut, was Ruth, die von ihren Eltern in New York nicht zweisprachig erzogen wurde, noch mehr zur ahnungslosen Außenseiterin macht.

Julia von Heinz hat für ihre erste internationale Produktion den autobiografischen Roman „Too Many Men“ von Lily Brett aus dem Jahr 1999 adaptiert. Das Drehbuch schrieb die deutsche Regisseurin zusammen mit ihrem Ehemann John Quester, und vielleicht ergeben sich daraus die spürbaren Unebenheiten im Material. Der Ton des Films ist so entrückt wie seine Figuren, mal komisch und lakonisch, mal ernst, mal lässig oder resigniert. Es scheint, als würden zwei unruhige Seelen in ihm wohnen. Dementsprechend schwer haben es Lena Dunham und Stephen Fry, ihre Charaktere durch das holprige Roadmovie zu navigieren. Beide geben ihr Bestes, aber richtig wohl fühlen sie sich in ihren Rollen kaum. Das kann dennoch zu den schönsten und schmerzlichsten Szenen führen, die Vater und Tochter auf der gemeinsamen Reise erleben. Ein tiefes Gefühl von Deplatziertheit ist Teil des Charmes. Aber nur selten hat man das Gefühl, dass hier echte Vergangenheitsbewältigung betrieben wird.