„Trumbo“ ist die Geschichte des einst höchstbezahlten Drehbuchautors Hollywoods, der als Kommunist zum Paria wurde. Regisseur Jay Roach überhöht seinen Protagonisten ideologisch nicht, sondern begreift die Ereignisse als Spiel der Macht. Ein schönes, überfälliges Zeitbild aus den fünfziger Jahren.
Da kippt der Nachbar Tierkadaver und Abfälle in den Swimmingpool von Dalton Trumbo, während Millionen US-Amerikaner im Kino gerührt dessen romantische Komödie Roman Holiday (1953) sehen. Man könnte meinen, so nahe lägen öffentliche Wertschätzung und Ächtung eben beieinander, aber natürlich ahnte im Publikum niemand, dass jener Trumbo, den Hollywood verstoßen und das US-Repräsentantenhaus wie einen Verbrecher verhört hatte, das Drehbuch zu diesem Film verfasst hat. In den vierziger Jahren als Starautor gefeiert, gerät der Autor Dalton Trumbo mit dem Beginn des Kalten Krieges in die Mühlen des Hexenjägers Senator Joseph McCarthy und wird als „Kommunist“ und „Verräter“ öffentlich gebrandmarkt. Trumbo landet mit anderen Kollegen auf der Blacklist der Filmindustrie, die die Betroffenen ökonomisch und moralisch ruinieren soll. In den USA herrscht eine geradezu paranoide Angst vor Infiltration durch Moskau-gesteuerte Agenten. Neben dem US-Atomwaffenprogramm wird Hollywood quasi Stabsstelle zur Verbreitung des American Way of Life. Verhöre und Säuberungen finden statt, man diskutiert über Internierungslager für Menschen mit linker Gesinnung. Walt Disney fordert vor dem House Un-American Activities Committee: „Smoke them out!“, und er meint damit natürlich die „Commies“ und ihre Sympathisanten.
Gossip-Kolumnistin als Gegenspielerin
Es ist kein rühmliches Kapitel der US-Geschichte, das Regisseur Jay Roach mit Trumbo aufschlägt. Doch Roach, eigentlich Spezialist für schrille Komödien wie Brüno (2009, als Produzent), Austin Powers (1997) und Dinner for Schmucks (2010), tut gut daran, den Stoff nicht zu verulken. Humor dient in dieser Verfilmung mehr als Mittel der Distanzierung denn der Zuspitzung. Als Trumbo gefragt wird, wofür er eigentlich kämpfe, antwortet er: Sag, es ist für Frieden und ein langes Leben. Das sei aber keine Parole, die die Amerikaner überzeuge, meint sein Begleiter. Dann eben für Sex und Geld, meint Trumbo lapidar. Bryan Cranston (Breaking Bad) setzt dazu ein Gesicht auf, das weniger die extravagante Seite seines realen Vorbilds betont, als die räsonable. Cranston mit seinen Sorgenfalten und dem verschmitzten Blick gibt nicht jenen kämpferischen Helden, den man für die Rückschau auf diese filmisch wenig beachtete Zeit erwarten oder eher befürchten musste. Keine Figur aus dem Repertoire leinwandfressender, von sattem Pathos getragener Gestalten, wie sie Sean Penn so gerne spielt.
Trumbo ist ein Mann mit Augenmaß, der, und das ist das Bemerkenswerte an der Sicht von Trumbo, dennoch seine Familie und sich in ziemliche ökonomische Schwierigkeiten bringt, weil er vor allem seiner eigenen Haltung treu bleiben möchte. Der Kalte Krieg mit seinen ideologischen Überfrachtungen und seiner verlockenden Einteilung in Gute und Böse findet in Trumbo seine Grabenkämpfe weniger auf einer politischen als auf einer privaten Ebene. Die größte Gegenspielerin von Trumbo ist, eine schöne Idee, mit Hedda Hopper ausgerechnet eine Klatschspalten-Kolumnistin. Helen Mirren stattet sie mit Punch und einer dummdreisten Raffinesse aus, die ihren Gegenspieler ganz schön nachdenklich wirken lässt. Dramaturgisch wendig interessiert sich Trumbo derart für die Spielarten von Macht und vor allem den Versuch, ihr zu widerstehen. Das große Duell zwischen dem House Committee und den „Hollywood Ten“, also den Kollegen und Mitstreitern von Trumbo, die alle riskierten, unschuldig ins Gefängnis zu wandern, rückt damit als Rahmenhandlung ein wenig in den Hintergrund. Roach interessiert sich für das Gift, das hier entsteht und langsam das Familienleben zersetzt. Ehefrau Cleo (Diane Lane), von der berichtet wird, dass sie ihren Mann bedingungslos unterstützte, schwankt zwischen Rückzug und Vermittlung. Der Geburtstag der gemeinsamen Tochter findet ohne den Vater statt. Trumbo hat sich im Badezimmer eingebunkert, wo er in der Badewanne mit Zigaretten, Schnaps und seiner Schreibmaschine sitzt und arbeitet. Der Zynismus, den er seiner Familie gegenüber aufbringt, ist die Saat der Kommunistenjäger, die Korrosion des Privatlebens, die hier entsteht.
Vom Starautor zum Fließbandarbeiter
Roach bringt damit aber auch einen Mann auf die Leinwand, der sich angreifbar macht. Ein Opfer zwar, aber auch eine zwiespältig rezipierte Figur. Schon in seiner Gruppe gleichgesinnter Kollegen, die gerne auch einmal Marcuse, den Mitbegründer der Frankfurter Schule, für einen Nachmittag einladen, wird Trumbo nicht als unantastbar dargestellt. Ist der Starautor wirklich ein Kommunist oder so eine Art „Swimmingpool-Sowjet“, wie er bei einer Pool-Party zu Beginn des Films einmal scherzhaft tituliert wird? Ich finde, niemand sollte Grund als Eigentum besitzen, auch keinen Teich, meint Trumbos finanziell schlecht gestellter Kollege Arlen Hird (Louis C.K.), als sie auf der Farm neben dem Teich von Trumbo stehen. Das auf Erfolg basierende Gratifikationssystem Hollywoods wird in Trumbo ganz nebenbei zum Motor für Gewissensprüfungen, die sich bis ins Private fortsetzen. Roach und sein Drehbuchautor John McNamara suchen keine Antwort in ihrer Figur, interpretieren aber die Biografie Trumbos selbst als eine tragikomische Replik auf Überlegungen wie diese. Der einst hochbezahlte Autor verliert seine Studioverträge und muss die Farm samt Pferden und Teich verkaufen, nachdem er auf die Blacklist gesetzt wird. Seine Bücher kann er fortan nur noch unter Pseudonymen anbieten, oder ein Kollege leiht ihm seinen Namen für die Credits. Das heißt: viel Arbeit für wenig Geld und Zoff in der Familie noch dazu, das ergibt scheinbar eine doppelte Entfremdung.
Jay Roach formatiert seinen Helden aber neu und hebt gerade in dieser Paradoxie bestehende Zwiespältigkeiten auf. Aus dem Star wird ein Fließbandarbeiter, der nunmehr ganz authentisch seinen politischen Arbeitskampf vollführt. Glamourös ist das nicht, allerdings drollig, unter der Mitwirkung von John Goodman. Er spielt Frank King, den Teil eines berüchtigten Bruderpaares, das sich Anfang der Vierziger auf die Produktion billigster B-Movies (samt Joseph H. Lewis’ kanonischem Werk Gun Crazy, 1949) spezialisiert hat. Sechs Drehtage ergeben einen Film, und ein Drehbuch entsteht praktisch über Nacht in der Badewanne des Dalton Trumbo. Als dieser einmal mit einem Drehbuch das Büro von King betritt, meint er, es gebe nur ein Problem: dass das Buch wirklich gut sei. Der Oscar, den ein anderer für Trumbos Drehbuch von The Brave One im Jahr 1956 entgegennimmt und die Gerüchte, die sogleich sprudeln, lassen in der Ära des red scare und der Blacklist spürbare Risse erkennen. Nicht viel später stirbt der Namensgeber des McCarthyism an den Folgen seines Alkoholkonsums, und ein verwegener Schauspieler namens Kirk Douglas fragt Trumbo für sein neues Projekt an. Der Film über den Helden eines Sklavenaufstandes mit dem Titel Spartacus soll in den Credits Dalton Trumbo als Autor aufscheinen lassen.
Auch wenn man in Dean O’Gorman nicht sofort das markante Gesicht von Kirk Douglas erkennt, setzt Trumbo mit dieser Rehabilitation einen stimmigen Schlusspunkt, ohne aus Dalton Trumbo selbst einen Spartacus gemacht zu haben. Im richtigen Leben wurde Trumbo mit den ausgehenden fünfziger Jahren vollständig rehabilitiert. Sein erster Oscar für Roman Holiday wurde ihm nachträglich überreicht. 1971, fünf Jahre vor seinem Tod, inszenierte das Mitglied der Communist Party USA (CPUSA) eine eigene Romanvorlage aus dem Jahr 1939 und damit einen der radikalsten „Antikriegsfilme“ überhaupt. Johnny Got His Gun handelt vom 21-jährigen Joe, der sich im Ersten Weltkrieg freiwillig an die Front meldet und schwer verletzt zurückkommt. Arme und Beine amputiert, blind, taub und ohne Sprachmöglichkeit, lebt Johnny ohne artikulierbaren Kontakt mit seiner Umwelt fort. Der Orden, der an den Torso dieses Menschen geheftet wird, ist Trumbos sarkastischer Kommentar zu Patriotismus und Krieg und schließt damit an seine eigenen Erfahrungen mit dem Komitee für unamerikanische Umtriebe an. Der Film, der in Cannes zuerst abgelehnt wurde, kam schließlich durch die Fürsprache von Otto Preminger, Luis Buñuel, Jean Renoir und anderen in das offizielle Programm. Johnny Got His Gun erhielt den Großen Preis der Jury. Mit Preminger, dem am Ende von Trumbo noch ein etwas aufgesetzt wirkender Auftritt als kahlköpfiger Sonderling gewidmet ist, verband Trumbo ebenfalls eine Kooperation. Er schrieb für Premingers Israel-Epos Exodus (1960) das Drehbuch, womit Trumbo endgültig wieder als amerikanisches Mitglied aufgenommen war.
Ich rufe lieber den Zimmerservice an
Ein Gespräch mit Bryan Cranston über seine Arbeit an „Trumbo“,
über die Folgen des Ruhms und über sein Vertrauen in Serien-Guru Vince Gilligan.
Interview ~ Dieter Oßwald
Als Ex-Chemielehrer und cleverer, cooler Drogenkoch Walter White in der TV-Serie Breaking Bad avancierte Bryan Cranston zur ganz großen Kultfigur. Anno 2000 sorgte er freilich schon als verzweifelter Vater in der Serie Malcolm mittendrin für Furore, die stolze sechs Jahre lang in 151 Folgen über die Bildschirme lief. Zu seinen Kinofilmen gehören Little Miss Sunshine, Drive, Argo und Godzilla. In Trumbo spielt Cranston die Titelrolle des Drehbuchautors Dalton Trumbo, der als Kommunist im Hollywood der fünfziger Jahre auf die berüchtigte Schwarze Liste kam und mit Berufsverbot belegt wurde.
Hand aufs Herz: Wären Sie selbst damals so konsequent geblieben wie Dalton Trumbo und für Ihre Überzeugung ins Gefängnis gegangen? Oder hätten Sie dem Druck nachgegeben, wie etwa der Schauspieler Edward G. Robinson es tat?
Da muss man zwei Aspekte unterscheiden. Zum einen, ob man vor diesem Komitee kapituliert und sagt: „Ja, ich bin Mitglied der Kommunistischen Partei! Ich war jung, ich war dumm und es war ein Fehler.“ Das würde ich tun, um nicht ins Gefängnis zu wandern. Die andere Sache ist, ob man zum Verräter wird und die Namen seiner Genossen preisgibt. Da wäre für mich die rote Linie überschritten.
Wie bekannt ist dieses düstere Kapitel der US-Geschichte im heutigen Amerika?
Ich fürchte, es ist den meisten nicht bekannt, schon gar nicht unter der jüngeren Generation. Ich hoffe, unser Film kann daran etwas ändern. Wobei Hollywood ja lediglich die Kulisse bietet. Tatsächlich aber geht es im Kern darum, was passiert, wenn unsere bürgerlichen Freiheiten eingeschränkt werden. Das hat nicht nur Auswirkungen auf den Einzelnen, sondern zugleich sind Freunde und Angehörige betroffen. Wenn Kinder in der Schule gehänselt und bedroht werden, gerät das zu einer Tragödie.
Wie sahen Ihre Recherchen aus?
Die Töchter von Dalton Trumbo waren sehr hilfsbereit. Ihre Sicht der Dinge war überaus wertvoll, ebenso wie die Autobiografien von Leuten, die ihn kannten. Je mehr ich erfuhr, desto näher kam ich dem Kern der Sache. Trumbo wollte den „unsichtbaren“ Menschen eine Stimme geben, das machte ihn so besonders. Zugleich war es uns wichtig, ihn als Menschen zu zeigen. Der Druck, unter dem er stand, hätte fast seine Familie zerstört, und es ist zum größten Teil der Stärke seiner Frau Cleo zu verdanken, dass das nicht passierte.
Haben Sie mit Leuten gesprochen, deren Namen auf der Schwarzen Liste standen?
Ich habe einige Betroffene getroffen, die mittlerweile aber sehr alt sind. Wir haben nicht explizit darüber geredet, wie groß das Leid war, das sie erlebt haben. Bei unseren Recherchen haben wir allerdings von der dramatischen Tragweite dieser Vorgänge erfahren: Häuser mussten verkauft werden, Familien wurden zerstört, und es gab Selbstmorde aus Verzweiflung.
Gibt es heute noch so etwas wie Schwarze Listen?
Es gibt vermutlich solche Listen, die von gesellschaftlichen Urteilen bestimmt werden. Ein Typ wie Bill Cosby hat sich seine eigene schwarze Liste geschrieben. Wobei die Medien heute transparenter sind als damals. Wie viele US-Präsidenten hatten Affären, und welche davon wurden öffentlich?
Wie schafft man den Absprung nach dem Ende einer erfolgreichen TV-Serie wie „Breaking Bad“, die zum Mega-Kult avancierte?
Mir war klar, dass ich im Anschluss daran in keiner weiteren Serie auftreten wollte. Ich suchte nach Rollen, die mir etwas bedeuten und legte eine Theaterpause am Broadway ein. Dann kam das Drehbuch zu Trumbo, das mir sofort gefiel. Wenn allein nur meine Rolle überzeugend gewesen wäre, hätte mir das nicht gereicht, mir ist wichtig, dass die Story gut ist.
Wie sehr hat „Breaking Bad“ Ihr Leben verändert?
Die Serie hat mein Leben komplett verändert! Sie wurde zu einem Phänomen, wie es nur selten vorkommt. Es war wie eine Lawine in der Unterhaltungskultur, auf gewisse Weise wurde die Serie zur Ikone. Für mich haben sich daraus unglaublich viele Möglichkeiten ergeben, wofür ich für alle Zeiten dankbar sein werde. So etwas kann man nicht planen, und auf solche Erfolge kann niemand hoffen. Wir wollten einfach eine gute Serie mit einer starken Story bieten – was daraus wird, liegt in den Händen des Publikums.
Was wäre nötig, um Sie zu einem Auftritt in Better Call Saul zu überreden?
Ein einziger Anruf von Vince Gilligan würde genügen! (Lacht.) Bei Vince wäre ich mir absolut sicher, dass er das nicht nur für einen billigen Cameo-Auftritt ausnutzen würde, weil er die Figur Walter White viel zu sehr respektiert. Aber das ist nun ein ganz neues Kapitel, ich weiß nicht, ob ein Auftritt eine gute Idee wäre. Allerdings könnte ich mir gut vorstellen, die Regie bei ein paar Episoden zu übernehmen, um auf diese Weise meine Solidarität zum Ausdruck zu bringen.
Leonard Nimoy hat seine Autobiografie „I Am Not Spock“ betitelt. Gab es für Sie nie Momente, in denen Sie fürchteten, der ewige Walter White zu werden?
Es liegt auch an einem selbst, ob man sich auf ein bestimmtes Image festlegen lässt. Man muss sich neue Herausforderungen suchen und rigoros jene Rollen ablehnen, die Ähnlichkeiten mit jener Figur haben, die zum Erfolg geworden ist. Mir erging das damals nach Malcolm mittendrin so, als ich ständig vergleichbare Projekte angeboten bekam. Das lehnte ich alles ab, weil ich keine Kopie meiner selbst werden wollte. Solche Absagen fallen mir sehr leicht, weil ich lieber neue Dinge ausprobieren will.
Welche Folgen hat der Ruhm auf die Persönlichkeit?
Ruhm verändert jede Persönlichkeit, da bin ich keine Ausnahme. Ich bin heute viel zurückgezogener als früher. Im Hotel rufe ich lieber den Zimmerservice an, als im Restaurant zu essen. Ich entziehe mich nach Möglichkeit der Öffentlichkeit. Zugleich ist es wichtig, dass man die richtigen Freunde hat. Ich möchte keine Unterhaltungen führen, in denen es ständig nur um mich geht, das langweilt mich schnell. Ich will über alle möglichen Themen reden und möglichst viel Spaß dabei haben.
Dann wäre Halloween vermutlich der Tag, an dem Sie sich ungestört in der Öffentlichkeit bewegen können, weil etliche Fans die Walter-Masken tragen …
Stimmt, das habe ich sogar einmal ausprobiert. Wir drehten zu Halloween in New Orleans, und ich ging dann mit meinem Film-Kostüm in das französische Viertel. Aber alles, was an Reaktionen kam, waren abschätzige Blicke und Kommentare wie „ganz nett“! (Lacht.)
Was machen Sie als nächstes?
Ich spiele in Wakefield, einem sehr kleinen Independent-Film, der nur ein winziges Budget hat, aber dessen Story mich total begeistert. Es geht in der Geschichte um einen erfolgreichen Anwalt, der völlig im Hamsterrad steckt und einfach die Pause-Taste drückt. Deshalb versteckt er sich in seiner Garage, von wo aus er sein weiteres Leben ablaufen sieht – ohne dass er selbst noch dabei ist.