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Ein Junge namens „Gangster“ lebt in einem Johannesburger Township und hält sich mit diversen Straftaten über Wasser. Als er ein Auto stiehlt und auf dem Rücksitz ein Baby findet, beginnt er sein Leben zu ändern.

Gavin Hoods Tsotsi, mit dem Oscar als Bester fremdsprachiger Film ausgezeichnet,  ist so etwas wie der kleine Bruder von Fernando Meirelles’ City of God. Während dieser ein ähnlich großes und gefährliches Armenviertel in Rio de Janeiro über Generationen hinweg porträtiert, dient Hoods Milieustudie hauptsächlich als Rahmen für eine konventionelle und nicht ganz klischeefreie Coming-of-Age-Geschichte.

Der 19-jährige Protagonist nennt sich selbst nur „Tsotsi“, was übersetzt schlicht „Gangster“ bedeutet. Jeden Abend fährt er mit drei Freunden vom Township in die Stadt, um die wohlhabenderen Bewohner Johannesburgs am Bahnhof zu überfallen. Die gleichnamige Romanvorlage des Südafrikaners Athol Fugard ist eigentlich in den 1950er Jahren angesiedelt, wurde jedoch für die Verfilmung in die Gegenwart übertragen, was neben dem Anspruch auf Aktualität auch zur Folge hat, dass Regisseur Gavin Hood seinen Film ohne schlechtes Gewissen mit einem hörenswerten Kwaito-Soundtrack unterlegen durfte. Der in Südafrika beliebte Sprechgesang sorgt in Verbindung mit den durch einen besonders schmutzigen Farbfilter gejagten Aufnahmen für ein homogenes und sehr intensives Stimmungsbild: Waisenkinder leben in zurückgelassenen Betonröhren; wenn sie erwachsen werden, ziehen sie vielleicht in einen der benachbarten Wohncontainer um – Armut und Kriminalität sind allgegenwärtig. In diese Welt entführt Tsotsi ein Baby reicher Eltern und beginnt allmählich die familiäre Zuneigung zu entwickeln, die ihm in seiner eigenen Kindheit stets verwehrt blieb; dass Eltern und Polizei nach dem Kind suchen, verdrängt er völlig. Nach einem humorvollen Intermezzo über den Umgang mit Babywindeln wendet sich Tsotsi an die junge Mutter Miriam und zwingt sie, „sein“ Baby zu stillen. Im Verlauf der  geradlinigen Handlung wird immer wieder deutlich, dass die Reise des Protagonisten nichts anderes ist, als eine unumgängliche Lektion in Sachen Anstand. Unabhängig von den Lebensumständen der Figuren werden Wege aufgezeigt diesen zu bewahren – oder zu verlieren.

Wie authentisch Tsotsi ist, werden andere beurteilen müssen. Der Film jedenfalls weiß über weite Strecken durchaus Spannung aufzubauen und eine unbehagliche Atmosphäre zu kreieren. Etliche Teile des Plots kommen zwar bei weitem nicht ohne Klischees aus, dennoch gelang Gavin Hood mit Tsotsi ein emotional berührendes und darstellerisch gelungenes Drama, dessen eigentliche Kraft sich erst in den Schlussminuten offenbart.