Eine betrogene Politikergattin zeigt, dass sie auch anders kann. Aus dem Leben gegriffene Sex-Affären wie jene um Bill Clinton, Eliot Spitzer oder zuletzt Dominique Strauss-Kahn waren Inspiration und Ausgangspunkt der Anwaltsserie „The Good Wife“.
Blass und verstört sieht die Frau aus, mit versteinerter Miene steht sie an der Seite ihres Mannes im Blitzlichtgewitter. Ihr Blick fixiert wie hypnotisiert einen Faden an seinem Ärmel. Seine Worte vor der versammelten Journalistenmeute scheint sie nicht wahrzunehmen. Er spricht von Rücktritt, Korruption und sexuellem Fehlverhalten. Er habe seine Frau und seine Familie tief verletzt und entschuldige sich dafür. Er ergreift demonstrativ ihre Hand, die beiden verlassen den Raum.
Perfekt inszenierte öffentliche Geständnisse prominenter (S)Ex-Politiker hat man zuletzt öfter gesehen. Allerdings handelt es sich bei der eben geschilderten Szene nicht um die Clintons, Strauss-Kahns, Edwards, Spitzers oder Weiners. Die Frau im altbackenen Chanelkostümchen ist Alicia Florrick, betrogene Ehefrau von Staatsanwalt Peter Florrick und Protagonistin der CBS-Anwaltsserie The Good Wife (Season eins bei Paramount auf DVD erhältlich).
Anders als die gehörnten Politikergattinnen im wahren Leben fügt sich Mrs. Florrick nicht in das Schicksal der alles verzeihenden und vergebenden Ehefrau, die – komme was wolle – treu zu ihrem promiskuitiven Manne steht. Als Alicias heile Vorstadt-Familienidylle von einem Tag auf den anderen zusammenbricht, sieht sie sich gezwungen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Ihr Mann Peter wurde zu zehn Jahren Haft verurteilt; um für die Prozesskosten aufzukommen, verkauft Alicia das gemeinsame Haus und zieht mit den Kindern Zach und Grace in die Stadt. Sie heuert als Anwältin in der Kanzlei „Lockhart, Gardner & Stern“ an. Will Gardner, einer der Teilhaber, war Alicias Studienkollege in Georgetown. Die beiden hatten damals an der Uni eine Beziehung, doch dann verliebte sich Alicia in den charismatischen und ehrgeizigen Peter Florrick. 15 Jahren später steht sie vor den Trümmern ihres Lebens.
Was denken sich diese Frauen?
The Good Wife ist ein Hybrid aus Episoden- und Fortsetzungsserie. Einerseits eine klassische, solide Anwaltsserie um ein paar smarte Advokaten, die pro Folge einen – zumeist spektakulären – Fall lösen. The Good Wife erzählt aber auch in einem großzügigen Erzählbogen die Geschichte der betrogenen und öffentlich gedemütigten Ehefrau, derjenigen, die normalerweise dezent im Hintergrund bleibt. Man kennt in der Regel die Geschichte des Mannes und – in Zeiten von Talkshows und lukrativer Buchverträge – auch die der Geliebten. Das Schicksal der Good Wives schien die Öffentlichkeit bislang dagegen kaum zu interessieren. Aber genau das faszinierte die beiden Serienmacher Michelle und Robert King. Sie suchten eine Antwort auf die Fragen: „Was denken sich diese Frauen? Wie ticken sie und was passiert hinter den Kulissen?“ Wie übersteht man die spitzen Bemerkungen, die neugierigen Blicke, das heimliche Getuschel? Wie schützt man seine Kinder vor Sextapes des eigenen Vaters, die im Internet kursieren, oder vor aggressiven Reportern an der Schule? Wo sind all die guten „Freunde“ von früher geblieben? Wie geht es weiter, wenn man für die Karriere des Mannes alles geopfert hat? Alicia durchlebt diese Hölle – und sie überlebt.
Julianna Margulies ist Alicia Florrick. Sie spielt die Rolle der zwischen Wut, Verzweiflung und Vernunft hin und her gerissenen Frau so überzeugend, dass sie nach zwei SAG-Awards und einem Golden Globe vor wenigen Wochen auch den Emmy als beste Darstellerin in einer TV-Drama-Serie mit nach Hause nehmen durfte. Aber auch der übrige Cast kann sich durchaus sehen lassen. Chris Noth (formally known as Mr. Big) mimt den mit allen Wassern gewaschenen Politprofi Peter Florrick, der schmerzlich erkennen muss, dass er mit seinen Sex-Eskapaden nicht nur seine Karriere, sondern vor allem seine Familie aufs Spiel gesetzt hat. Noth schafft das Kunststück, den notorischen Schwerenöter trotz all dessen Verfehlungen nicht eindimensional darzustellen. Peter Florrick erinnert an Bill Clinton zu seiner besten Zeit – ein Machtmensch mit Charme und Leidenschaft. Man versteht, was Alicia (und offensichtlich viele andere Frauen) an diesem Mann fasziniert.
Etwas blässlich fällt dagegen Peter Florricks Gegenpart Will Gardner aus. Will hat nicht Peters Charisma, Will ist der „nice guy“ ohne allzu viele Ecken und Kanten. Vielleicht ist er aber genau das, was Alicia jetzt braucht. Josh Charles ringt dem etwas flach geratenen Charakter einige gute Momente und viele schmachtende Blicke ab.
Dirty Campaigning
Wills Partnerin Diane Lockhart wird von Christine Baranski gespielt. Die als Side-Kick von Cybill Shepherd (Cybill) bekannt gewordene Schauspielerin mimt glaubhaft eine Frau, die es im harten Anwaltsbusiness bis an die Spitze geschafft hat und doch menschlich geblieben ist.
Archi Panjabi (Bend It Like Beckham) gibt die supertoughe Ermittlerin Kalinda Sharma im Dienst von „Lockhart, Gardner & Stern“. Kalinda zeichnet sich durch eine ausgeprägte take-no-prisoner-Attitüde aus, mit ihr ist definitiv nicht zu scherzen. Sie freundet sich mit Alicia an, und sie teilt ein dunkles Geheimnis mit Alicias Ehemann.
Die am originellsten gestaltete und gecastete Figur der Serie ist zweifellos Alan Cumming als durchgeknallter PR-Profi Eli Gold. Eli ist das geniale Mastermind hinter Peter Florricks neuerlicher Kampagne für das Amt des Staatsanwaltes. Noch unter Hausarrest in elektronischen Fußfesseln stehend, beschließt Peter zu kandidieren; trotz dieser Einschränkung versteht es Eli, mit allen schmutzigen Tricks und Twists Peters Gegner auszubooten – und er hat offensichtlich seine helle Freude daran. Eli und Alicia verfolgen naturgemäß unterschiedliche Interessen, lernen aber, einander zu respektieren.
Es ist dieses Panoptikum an kolorierten Charakteren mit all ihren zwischenmenschlichen Dramen, Intrigen und Verwicklungen, und der Fokus auf die Entwicklung ihrer Kernfamilie, die The Good Wife von konventionelleren TV-Produktionen abhebt. Die Serie erfüllt nebenbei alle Erwartungen an das spezifische Genre, überzeugt Episode für Episode mit ausgeklügelten juristischen Fällen und allem, was ein ordentliches Gerichtsdrama bieten sollte. Letztlich ist es aber Alicias Weg zu sich selbst, ihre Katharsis, ihre sich allmählich entwickelnde Stärke, die einen in Bann zieht und 23 Folgen lang fesselt (und weitere zwei Seasons, die dritte wird derzeit von CBS ausgestrahlt). Alicias Geschichte ist der „Story Arc“, der sich über die gesamte Season und darüber hinaus spannt und The Good Wife zu mehr macht als zu einer von vielen Anwaltsserien.