Jux mit Tiefgang und therapeutischem Mehrwert
Gauner Nick steckt in Schwierigkeiten, überall hat er Schulden, alle wollen ihm ans Leder. Sehr gelegen kommt ihm da ein zufallsgeborener Job als Aufpasser in der Villa des ebenso hochgeschätzten wie hochbetagten Philosophen und Psychologen Curt Ledig. Für dessen wertvolle Erstausgaben gibt es doch bestimmt eine gewinnbringendere Verwendung als das Herumstehen im Bücherregal. Denkt sich Nick und hat die Rechnung ohne Curt gemacht, der nicht so senil ist, wie alle um ihn her glauben. Curt will die Anwesenheit des jungen Mannes nutzen, um ein lang geplantes Vergangenheitsbewältigungsprojekt in Angriff zu nehmen. Dann wird er abgelenkt. Und dann beginnen die Turbulenzen.
Ehe man sich es noch so recht versieht, hat einen die eigenwillige Komödie Über-Ich und Du von Benjamin Heisenberg – der 2011 für die psychologisch-kriminalistische Studie Der Räuber mit dem Österreichischen Filmpreis für die Beste Regie ausgezeichnet wurde – auch schon mitgerissen. Nicks Gläubiger machen sich unangenehm bemerkbar. Curts Familie nervt. Nick und Curt aber, der Gewissenlose und der Schuldbehaftete, bilden eine Notgemeinschaft und sind mit einem Mal in einem seltsamen therapeutischen Übertragungsmanöver verfangen. Zwischen Feldafing und München geht es nach Tirol auf eine Berghütte und wieder zurück. Ein Loch wird gegraben, und in einem Akt der Wiedergeburt wird die Vergangenheit begriffen: „Nazi-Voodoo!“, schreit Nick, doch Curt lässt sich nicht beirren. Was er erinnert, muss der andere erst noch erkennen: Taten haben Konsequenzen, ein Leben braucht eine Moral.
Seltsam ist das alles und erscheint doch gut und richtig. Einer inneren Logik folgend, die ihre Regeln aus den Funken bezieht, die die Begegnung zweier höchst sturschädeliger und spontan einander zugeneigter Charaktere schlägt, die zugleich über sich selbst hinaus weisen. Der Witz des Ganzen liegt dabei weniger im Slap stick als im Detail. Hochtourig, doch nicht überhitzt, abstrus, aber nicht albern geschieht in Über-Ich und Du vorzugsweise das Unvermutete, bleibt das Naheliegende außen vor und auch so manches unerklärt und schlicht vergnüglich. Heisenberg setzt auf ebenso kunstvoll wie natürlich wirkende Dialoge, die präzise immer ein wenig aneinander vorbeischlittern. Und er verfügt mit Georg Friedrich und André Wilms in den Rollen von Nick und Curt über zwei großartige Schauspieler, die zu komödiantischer Deadpan-Hochform auflaufen, ohne sich zum Affen zu machen.