Ein Sklavenaufstand der anderen Art
Der Hund ist die Tugend, die sich nicht zum Menschen machen konnte“, wusste schon Victor Hugo. Der ungarische Regisseur Kornél Mundruczó hat des Menschen besten Freund ins Zentrum seines neuen Films gerückt, der jenseits von Kitsch und Sentiment ergreifend und aufrüttelnd ist wie kaum ein anderer in den letzten Jahren. Ohne digitale Tricks und ohne seine animalischen Protagonisten zu vermenschlichen, zeigt er die Rache der oftmals geschundenen Straßenhunde. Vergleiche mit dem Science-Fiction-Klassiker Planet of the Apes sind gerechtfertigt, auch wenn hier keine Menschen mittels Maske in Tiergestalt spielen, sondern die Vierbeiner unter Anleitung von erfahrenen Coaches selbst agieren.
Mundruczó zeigt in eindringlichen Bildern, dass etwas faul ist im Lande der stolzen Magyaren. Die dort eingeführte Hundesteuer nimmt er zum Anlass, um unverhohlen Kritik an der – nicht nur tierfeindlichen – Politik Ungarns zu üben, wo die rechtsextreme Jobbik-Partei mehr als 20 Prozent der Stimmen erringen konnte und die Politik von Ministerpräsident Viktor Orbán immer weiter nach rechts abzudriften droht. Zum Symbol für zunehmend ausgegrenzte Minderheiten wird in Underdog ein Hund namens Hagen. Er fällt unter die Anti-Mischlings-Gesetzgebung, die mit ihren drastisch erhöhten Steuern viele mittellose Besitzer dazu zwingt, ihre nichtreinrassigen Hunde wegzugeben. Weil der grantige Vater des 13-jährigen Mädchens Lili die staatlichen Gebühren nicht zahlen will, setzt er Hagen aus. Bald landet die robuste Promenadenmischung in den Fängen eines brutalen Kampfhundetrainers. Doch inzwischen ist die Intelligenz des unbeugsamen Tieres erwacht, er kann sich aus den Klauen seines Peinigers befreien wie auch später aus dem Tierheim fliehen. Der „Spartacus“ unter den Hunden versammelt eine Armee von herrenlosen Streunern um sich. Die Zeichen des Sklavenaufstands stehen dabei auf gesellschaftlichen Totalangriff!
Völlig verdient gewann Underdog – der internationale Titel White God erinnert wohl nicht zufällig an Samuel Fullers Rassismus-Parabel White Dog – in Cannes 2014 in der Sektion Un Certain Regard den Hauptpreis. Unvergesslich bleibt, wenn der Außenseiter Hagen, der gegen die „weißen Götter“ aufbegehrt, in der Schluss-Sequenz durch das Trompetenspiel von Lili besänftigt wird – und mit ihm die mitstreitenden Hunde. Großartig auch der symbolträchtige Einsatz von Franz Liszts „Ungarischer Rhapsodie“. Der experimentierfreudige Regisseur Mundruczó, der sich einen Auftritt als fieser Hundehändler gönnt, verzichtet ganz auf CGI-Spielereien und liefert ein auch handwerkliches Meisterstück ab.