Sex, Lügen und Video
Es ist ein älterer Herr, der sich da in geblümte Damenwäsche gezwängt hat. Das Video zeigt ihn auf einem Sofa, eine Frau kniet auf seinem Schoß und schmiert ihm kichernd Lippenstift um den Mund. Davor sieht man, wie der Mann sich tief über einen Tisch beugt, auf dem weißes Pulver liegt, im Hintergrund hört man Partymusik und Frauenstimmen: Das ist der Stoff, aus dem Skandale (und filmreife Erpressungsfälle) sind – zumal es sich bei dem Mann um einen honorigen Senator aus dem polnischen Oberhaus handelt, dem man bislang wohl kaum einen liederlichen Lebenswandel attestiert hätte. Dem kompromittierten Politiker der liberalen Regierungspartei eilt vielmehr der Ruf eines unerbittlichen Moralisten voraus: Krzysztof Piesiewicz, seit 1991 Abgeordneter im Polnischen Senat, hatte sich nämlich schon in Zeiten des Kriegsrechts als couragierter Anwalt von Bürgerrechtlern einen Namen gemacht. So richtig bekannt wurde er aber erst dank seiner künstlerischen Partnerschaft mit dem Regisseur Krzysztof Kieslowski, der 18 gemeinsam ersonnene Drehbücher entsprangen – ausgezirkelte Planspiele, in denen das Autorenduo seine Figuren mit Vorliebe moralischen Bewährungsproben aussetzte.
Fast scheint es, als sei der Autor nun in eine seiner eigenen filmischen Versuchsanordnungen geraten. Denn rund um das Sex- und Drogenvideo schmiedeten zwei Prostituierte ein perfides Erpressungskomplott. Seinen Anfang nahm Piesiewiczs Unheil im Sommer 2008 in der Warschauer Innenstadt: Eine gepflegte Dame sprach den damals 63-Jährigen auf der Straße an, man kam ins Plaudern und verabredete sich für den Abend; weitere Treffen folgten. Nichts an „Verhalten, Kleidung und Redeweise“ hätte ans „älteste Gewerbe der Welt“ denken lassen, beteuert er später. Und dann kam der verhängnisvolle Abend, an dem die Dame plötzlich mit einer Freundin an der Tür stand. „Ich kann mir nicht erklären, was bei mir dann den Verlust des Bewusstseins ausgelöst hat“, sagt Piesiewicz. Die beiden Frauen hätten ihn wohl irgendwie betäubt, um ihm dann ein Kleid überzuziehen – und das Ganze zu filmen: „Die haben mit mir gemacht, was sie wollten. Das war eine Falle, vielleicht wurde da etwas in meinen Drink gemischt.“
Über Monate hätten sie ihn dann (ganz so wie in seinem 2007 verfilmten Skript „Hope“) mit dem Videoband erpresst. Dreimal sei bereits Geld geflossen, 500.000 Zloty (125.000 Euro) sollen es insgesamt gewesen sein, ehe sich der bedrängte Senator dann doch kleinlaut an die Polizei wandte. Die Antwort der Erpresser kam prompt: Im Dezember 2009 tauchte das Video auf der Internetseite des Boulevardblatts „Super Express“ auf. Die Bombe war geplatzt, Piesiewiczs Ruf und Karriere lagen in Scherben. Dabei bestreitet er gar nicht, dass er sich ab und zu mit Prostituierten vergnügt; er lebe ja auch schon seit Jahren von seiner Frau getrennt. Allerdings habe er an jenem Abend kein Kokain geschnupft: Das Puder aus dem Video sei nur ein ganz harmloses weißes Pulver gewesen.