Eine für alle – Leben im Dienst der Gemeinschaft
Dass Ute Bock sich selbst so ziemlich als das genaue Gegenteil von einem Superstar gesehen hat, war eine ihrer menschlichen Qualitäten. So korrigiert sie den Regisseur ihres Porträts Ute Bock Superstar, Houchang Allahyari, auch immer wieder während des Films: „Ich habe einfach gemacht, was zu tun war.“ In seinem bereits dritten Dokumentarfilm über die Menschenrechtsaktivistin Bock, die im Jänner dieses Jahres nach kurzer, schwerer Krankheit im Alter von 75 Jahren verstarb, gelingt es Allahyari, Ute Bocks humanistischer Kompromisslosigkeit nachzuspüren, die sie bis an ihre eigenen (vor allem körperlichen) Grenzen lebte, unbeirrbar und fest entschlossen, „einfach zu helfen“.
Allahyari spricht dafür mit ihr selbst und mit Personen aus dem näheren Umfeld der Aktivistin; ihrer Schwester Helga, mit der Allahyari verheiratet war, ihrer Nichte, seinem Sohn, Menschen aus den ehemaligen Heimen, in denen Bock u. a. als Erzieherin wirkte und Leuten aus dem österreichischen Kultur-Geschehen, die im Engagement Ute Bocks ein Vorbild fanden.
Formal und ästhetisch ist Allahyaris Film nicht bemerkenswert: planlose, unruhige Einstellungen, eine willkürliche Mischung aus Interviews und Archivmaterial seiner eigenen Dokumentationen Bock for President (2009) und Die verrückte Welt der Ute Bock (2010). Ein „Stil“ allerdings, der im besten Fall die Bescheidenheit und raue Bodenständigkeit Ute Bocks unterstreicht.
Zu einer sehr schönen Szene kommt es an der Linzer Donau: Allahyari möchte mit Ute und ihrer Schwester in ihrer Geburtsstadt einigen täglichen Wegen nachgehen. Sie beginnen am Ufer vor der Nibelungenbrücke und blicken gemeinsam in den grauen Industriehimmel. Allahyari versucht, Ute Bock ein paar Anweisungen zu geben, wie sie zu stehen hätte, ihren Kopf drehen, was sie sagen soll. Sie lacht und scherzt und befolgt keine einzige seiner Direktiven.
Zur Sentimentalität lässt Allahyari sich in diesem Film nie hinreißen, ein wichtiges Verdienst. Nostalgisch – schaurig – schön sind aber die Archivaufnahmen aus der Vorpremiere von Bock for President während der #unibrennt-Bewegung 2009 im damals besetzten Audimax. Bock war als Gast geladen und sah den Film dort ebenfalls zum ersten Mal. Wer selbst dabei war, entdeckt sich vielleicht unter den Zusehern, lässt sich aber jedenfalls von deren Begeisterung für die außergewöhnliche Frau auch im Moment dieses Wieder-Sehens anstecken. Auch das ist Kino: Wenn Film eine kollektive Erinnerung bereithält. Und eine gesellschaftliche Vision. Eine noch dazu, die den Moment überdauert und im Engagement vieler anderer Aktivisten heute weiterlebt.