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The-Crazies

DVD/Blu-ray

Vertraute Feinde

| Jörg Schiffauer |
In „The Crazies“ entwirft George A. Romero ein bedrückendes Horror-Szenario.

Das beschauliche Leben in Evans City, einem typischen amerikanischen Kleinstädtchen, wird schlagartig auf den Kopf gestellt, als Spezialeinheiten der Armee den Ort unter Quarantäne stellen. Grund ist ein Flugzeugabsturz, durch den ein biologischer Kampfstoff im Grundwasser freigesetzt wurde. Die mit dem darin enthaltenen Virus Infizierten sterben entweder innerhalb kurzer Zeit oder verfallen dem Wahnsinn. Um die Ausbreitung zu verhindern, soll die ganze Region hermetisch abgeriegelt werden. Doch die Kommunikation mit der Bevölkerung verläuft mangelhaft, und auch sonst erweist sich das Krisenmanagement der Behörden als reichlich chaotisch. Als die Truppen zunehmend mit brachialer Gewalt agieren, schlägt der verbale Protest gegen die völlige Missachtung aller Grundrechte bei einigen Bürgern schließlich in bewaffneten Widerstand um, was die Lage vollends eskalieren lässt.

George A. Romero, der 1968 mit Night of the Living Dead den US-amerikanischen Horrorfilm modernen Zuschnitts entscheidend geprägt hat, verstand es auch mit The Crazies (1973) seine Schreckensszenarien meisterhaft mit deutlich formulierter Gesellschaftskritik zu verknüpfen. The Crazies brachte das vorherrschende Misstrauen gegen staatliche (Regierungs-)Institutionen, das in der US-Gesellschaft Platz gegriffen – Ereignisse wie der Vietnam-Krieg, die Affäre um die Pentagon-Papiere, Watergate oder die Schüsse der Nationalgarde auf protestierende Studenten an der Kent-State-Universität, die vier jungen Menschen das Leben kosteten trugen maßgeblich dazu bei – hatte, auf den Punkt. Sein bitteres, pessimistisches Fazit: Wer in (virusbedingten) Krisenzeiten der Staatsmacht blindlings vertraut, dem ist nur eines gewiss – der Untergang.

Die 4K-restaurierte Neuerscheinung von The Crazies enthält als besonderen Bonus zwei frühe Regiearbeiten von George A. Romero.

Im Mittelpunkt von Season of the Witch (1973 ursprünglich unter dem Titel Hungry Wives veröffentlicht) steht Joan Mitchell, die das für die damaligen Zeit typische Leben als Hausfrau in einer typischen US-Vorstadt führt. Von der Routine ihres Alltags mit ihrem Mann und der Tochter, die bereits die Universität besucht, ist Joan zusehends gelangweilt, zudem plagen sie bizarre Visionen. Als sie mit einer Frau aus der Nachbarschaft in Kontakt kommt, die angeblich Hexenkräfte besitzt, gleitet Joan immer stärker in die Welt des Okkulten ab – die Grenzen zwischen Wahn und Wirklichkeit beginnen auf gefährliche Weise diffus zu werden. Romero, der neben, der Regie auch für Skript, Kamera und Schnitt verantwortlich zeichnet, setzt Season of the Witch als wahnwitzigen, psychedelisch anmutenden Trip in Szene, der jedoch inmitten seines albtraumhaften Szenarios deutlich auf jene gesellschaftlichen Veränderungen verweist, die in den sechziger und siebziger Jahren tradierte (Frauen-) Rollenbilder grundlegend hinterfragten.

There’s Always Vanilla (1971), war der erste Film, den George Romero nach seinem mittlerweile zum Klassiker avancierten Night of the Living Dead drehte – und zeigt eine ungewohnte Seite abseits seiner kompromisslosen Horror garantierenden Regiearbeiten. Romeros Protagonist in There’s Always Vanilla, ein junger Mann namens Chris, ist ein typischer Vertreter der Gegenkultur jener Tage, der seinen Platz im Leben abseits konventioneller Wertvorstellungen zu finden versucht. Chris lässt sich dabei treiben, doch als die Liaison mit der angehenden Schauspielerin Lynn sich in Richtung einer ernsthaften Beziehung entwickelt, fühlt Chris sich mit der damit unweigerlich auf ihn zukommenden Verantwortung zusehends überfordert. George Romero gelingt es mit dem melancholischen, entspannten Grundton seiner Inszenierung, den „Spirit“ der Flower-Power-Generation atmosphärisch dicht zu vermitteln.