Bereits zum 14. Mal können österreichische und internationale Kurzfilm-Freaks Anfang Juni bei Vienna Shorts, dem größten heimischen Festival für Kurzfilm, Animation & Musikvideo, die weltweit herausragenden Werke des letzten Jahres genießen.
Kurze Filme, kurzer Name: Das „independent“ ist aus dem Festivalnamen verschwunden, ab heuer heißt das Event „Vienna Shorts“. Das Markenzeichen VIS mitsamt dem I bleibt jedoch erhalten, schließlich sieht sich das Festival noch immer als innovativ, interdisziplinär und vor allem idealistisch. Dieser Idealismus ist leider kein Luxus, sondern eine absolute Notwendigkeit, gerade für die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die trotz fortschreitender Professionalisierung noch immer nicht adäquat bezahlt werden können, weil die zugesagte Erhöhung der Förderung seitens der Stadt Wien in letzter Sekunde um drei Viertel gekürzt wurde. Das wird der traditionell guten Stimmung aber sicher keinen Abbruch tun, auch der „Spirit“ des Festivals bleibt natürlich bestehen, wie man schon an Hand der Auswahl der drei Tributes unschwer erkennen kann: Der aus Québec stammende Kanadier Alexandre Larose beschäftigt sich in seinen visuell und technisch beeindruckenden Super-8-Bearbeitungen u.a. mit der Schönheit und Zerbrechlichkeit des menschlichen Körpers. Der ausgebildete Maschinenbauer und Filmkünstler hat sich in den vergangenen Jahren mit seiner Mischung aus Technik und Intuition und seinen kinematografischen Forschungsreisen auf der Suche nach zeitbasierten Erlebnissen international einen Namen gemacht. In Wien wird Larose nicht nur mit einem Programm (2. Juni) und einer Masterclass (4. Juni) im Österreichischen Filmmuseum gastieren, ein Still aus seinem Film Le Corps humain ziert zudem das Festivalplakat.
Eine weitere Kooperation mit dem Filmmuseum (und diesmal auch mit sixpackfilm) stellt das „Spotlight“ für den japanischen Avantgardisten und Experimentator Makino Takashi dar. Auch seine Filme versetzen die Zuschauer durch die kunstvolle Verknüpfung von rauschhaften Bildern und Tönen in tranceartige Zustände. Bei einer Masterclass im Filmmuseum (ebenfalls am 4. Juni) bzw. bei der dreidimensionalen Live-Performance „Space Noise“ im rhiz (5. Juni) gewinnen die Teilnehmer sicherlich tiefe Einblicke in die Arbeitsweise des Künstlers. Makinos jüngste Arbeit On Generation and Corruption lief übrigens im Jänner erfolgreich im Wettbewerb des Filmfestivals von Rotterdam. Man darf auch gespannt sein, was die junge griechische Regisseurin Jacqueline Lentzou am 4. Juni im Metro Kinokulturhaus zu ihren Werken Fox und Hiwa anmerken wird, die letztes Jahr in Locarno bzw. auf der Berlinale ihre Uraufführung erlebten. Auch Lentzou gibt Einblick in ihren Arbeitsprozess. Sie besitzt zweifelsohne das besondere Talent, die Zuschauer ohne ausufernde Storyline den Wind, das Wasser und sogar die Berührungen der Charaktere auf der eigenen Haut spüren zu lassen. Diese Personale wird in Zusammenarbeit mit dem Filmarchiv Austria präsentiert.
Im internationalen Wettbewerb für Kurzspiel- und Dokumentarfilm, kurz Fiction & Documentary, konkurrieren in diesem Jahr 26 Filme aus 26 Ländern, unter anderem aus Sri Lanka, Marokko und Mosambik, aber auch fünf Filme mit französischer und vier Filme mit portugiesischer Beteiligung, darunter Small Town (Ciudade pequena), der Gewinner des Berlinale-Kurzfilmpreises 2017. Regisseur Diogo Costa Amarante setzt auf lyrischen Realismus, allerdings wird die ungewöhnliche Familiengeschichte mit bestechend kadrierten Bildern und einer gehörigen Portion absurdem Humor erzählt: So pointiert wurde F.R. Davids Edelschnulze „Words“ wohl noch in keinem Film eingesetzt. Coming-of-Age ist ja ein beliebtes Sujet von Kurzfilmen, im japanischen Sundance-Siegerfilm And So We Put Goldfish in the Pool von Makoto Nagahisa hadern vier weibliche Teenager mit viel Melancholie und ein wenig Ekstase mit ihrem eigenen Zustand und dem der Welt. Die Siegerin/der Sieger des prestigeträchtigen VIS-Wettbewerbs schafft es immerhin so wie die zwei weiteren auf die Oscar-Longlist. Möglicherweise schafft das ja eine raue Bestandsaufnahme des Alltagslebens wie Patrick Bresnans Rabbit Hunt, der, für Tierfreunde schwer verkraftbar, das organisierte Totprügeln von Hasen samt anschließender Zubereitung durch eine schwarze Durchschnittsfamilie in Texas zeigt.
Im Wettbewerb „Animation Avantgarde“, der zusammen mit ASIFA Austria ausgerichtet wird, wird die enorme stilistische Bandbreite der Filme deutlich: Unter den 31 Filmen finden sich neben neuen Arbeiten internationaler Größen wie David OReilly, Steven Woloshen, Faiyaz Jafri, Nicolas Provost und Marta Pajek finden sich mit Björn Kämmerer, Anna Vasof, Rainer Kohlberger und Peter Kutin/Florian Kindlinger auch fünf österreichische Filmschaffende im Line-Up. Im „Österreich-Wettbewerb“ wiederum treffen heimische Filmschaffende aller Gattungen in vier Programmen aufeinander: Unter den 20 ausgewählten Arbeiten sind neben When Time Moves Faster, einem zweiten inspirierenden Werk von Anna Vasof, All the Tired Horses von Sebastian Mayr, LDAE von Festival-„Dauergast“ Christoph Schwarz und Fuddy Duddy, der aktuelle Film von Siegfried A. Fruhauf.
Ein besonderer Publikumsmagnet sind alljährlich die Screensessions, die Kombination aus Musikvideo-Wettbewerb und anschließendem Live-Act. Hier werden dieses Jahr insgesamt 25 audiovisuelle Miniaturen im Kino gefeiert. Unter den Nominierten für den Österreichischen Musikvideopreis sind u.a. Arbeiten von Florian Senekowitsch für Voodoo Jürgens, Martina Trepczyk für Leyya, Stefanie Sargnagel/Beniamin Urbanek für Worried Man & Worried Boy sowie Bernhard Kaufmann für Granada. International sind wohl Bill Morrisons Kollaboration mit Lambchop sowie Videos für Massive Attack, Mr. Oizo und Arca besonders zu beachten. Die Tonanlage des neuen Festivalzentrums im Metro Kinokulturhaus wird jedenfalls vermutlich auf eine harte Probe gestellt. Auch das Filmcasino ist heuer erstmals Schauplatz von spannenden VIS-Programmen und anregenden Diskussionen. Von dort ist es nicht weit zum Celeste, wo neben dem Club U die allseits beliebten VIS-Partys stattfinden, bei denen Filmschaffende, Festivalmacher und Publikum gemeinsam ein sicherlich produktives Festival feiern werden.