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Viennale – Ein Mann für jede Jahreszeit

Ein Mann für jede Jahreszeit

| Jörg Schiffauer |

Eine umfangreiche Werkschau ist dem umtriebigen Schaffen Larry Cohens gewidmet.

Der Blick zurück in vergangene Zeiten birgt immer die Gefahr der nostalgischen Verklärung. So muss man auch mit der Behauptung, das US-amerikanische Kino hätte früher Filmschaffenden noch mehr kreative Spielräume eingeräumt, zunächst einmal vorsichtig sein. Denn selbstverständlich war die amerikanische Filmindustrie immer schon primär an Profitmaximierung interessiert. Doch zieht man die Entwicklung Hollywoods der jüngeren Vergangenheit in Betracht, die dazu geführt hat, dass die Mehrzahl der großen Studios zu so etwas wie Unterabteilungen global operierender Konzerne geworden sind, die sich zusehends auf die Herstellung von Blockbustern konzentrieren, die nach allen Regeln der Marketing-Kunst auf möglichst breite Zustimmung hin getrimmt werden, wird man abseits aller Nostalgie zu dem Schluss kommen, dass es Filmmaniacs in dieser Industrie zusehends schwerer haben, ihren Platz zu finden. Eine derartig vielseitige Karriere wie sie Larry Cohen absolviert hat, ist unter den gegenwärtigen Verhältnissen auf jeden Fall nur mehr schwer vorstellbar.

Der 1941 in New York geborene Lawrence G. Cohen begann seine Laufbahn nach seinem Studienabschluss zunächst beim Fernsehen, wo er sich mit der Entwicklung erfolgreicher Serienformate wie „Branded“ und „The Invaders“ Mitte der Sechziger Jahre einen Namen machte. Cohen begann zu dieser Zeit aber auch seine äußerst produktive Arbeit als Drehbuchautor in Angriff zu nehmen, zu seinen ersten größeren Aufträgen zählte das Skript des Westerns Return of the Seven, das Sequel zu John Sturges Klassiker The Magnificent Seven, weitere Drehbücher zu Daddy’s Gone A-Hunting und El Condor wurden von Hollywood-Routiniers wie Mark Robson bzw. John Guillermin in Szene gesetzt. Die Zeit des großen Umbruchs im US-amerikanischen Kino gegen Ende der Sechziger Jahre – als die jungen Filmverrückten New Hollywoods die Traumfabrik im Sturm eroberten und mit kreativen Impulsen versorgten – nützte auch Larry Cohen, um seine Stoffe gleich auch selbst inszenieren zu können. Mit der Farce Bone lieferte Cohen 1972 sein Regiedebüt ab, im darauf folgenden Jahr folgten mit Black Caesar und Hell Up in Harlem zwei Regiearbeiten aus dem Subgenre des Blaxploitation-Movies. Es war von Anfang an charakteristisch für Cohens Arbeit, dass er sich nie auf bestimmte Genres oder Themen festlegte. Cohen zählt auch nicht zu jenen Filmemachern, die nach sorgfältiger Auswahl einen bestimmten Stoff über Jahre hinweg minutiös bis zur Umsetzung entwickeln, er gehört vielmehr zu jener Art von Filmbesessenen, die Perfektionismus gegen eine unglaublich hohe Produktivität einzutauschen bereit sind. Seine Vielseitigkeit stellte Larry Cohen mit seinen beiden nächsten Filmen nachdrücklich unter Beweis. Mit It’s Alive (1974), einem skurrilen Horrorfilm um ein Baby, das sich als bizarre Mutation entpuppt und seine mörderischen Kreise zieht, fand Cohen die richtige Balance zwischen Genre-Trash und einer ganz persönlichen Handschrift. Der Film erlangte nicht zuletzt wegen seines tiefschwarzen Humors in Fankreisen rasch Kultstatus, was Cohen veranlasste, zwei Sequels – It Lives Again (1978) und It’s Alive III: Island of the Alive (1987) zu inszenieren. Zu seinen bemerkenswertesten Filmen zählt zweifellos der Thriller God Told Me To (1976), in dessen Mittelpunkt eine rätselhafte Mordserie steht. Cohen hielt sich mit seinen – zumeist auch von ihm selbst produzierten – Regiearbeiten von den großen Studios fern, um damit weit gehend die Kontrolle zu behalten, die damit verbundenen Budgetknappheiten verstand er zumeist kongenial zu kompensieren. So verwendete er für Q: The Winged Serpent die etwas altmodisch anmutende Stop-Motion-Technik, um ein fliegendes Monster, das New York heimsucht, in Szene zu setzen – was dem Film aber einen ungemein effektiven nostalgischen Charme verleiht.

Blieb Larry Cohen als Regisseur und Produzent vornehmlich in den Nischen des Genre- und Independentfilms, zeigte er als Drehbuchautor, dass er sich im Mainstream mehr als nur angemessen zurechtfand. Unter seinen zahlreichen Skripts zählen Best Seller (1987, Regie: John Flynn), Body Snatchers (1993, Regie: Abel Ferrara) und vor allem Phone Booth (2002) – ein Echtzeitthriller, den Joel Schumacher mit Colin Farrell in der Hauptrolle inszenierte – zu den bekanntesten.

Als Drehbuchautor ist Larry Cohen auch gegenwärtig noch ein gefragter Mann, seine Regiekarriere hat er dagegen etwas vernachlässigen müssen. Zu seinen späteren Werken zählen so unterschiedliche Arbeiten wie die Komödie Wicked Stepmother (1989), in der sogar Hollywood-Legende Bette Davis eine Rolle übernahm, der Thriller Ambulance (1990) und als bislang letzter Spielfilm der Actionthriller Original Gangstas aus dem Jahr 1996. Der Wertschätzung für Larry Cohen hat diese lange Abstinenz jedoch keinen Abbruch getan, zählte er doch neben Größen wie John Carpenter, Dario Argento, John Landis, Tobe Hooper und Joe Dante zu jenen ausgewählten Regisseuren, die 2006 für die Fernsehreihe „Masters of Horror“ eine Episode in Szene setzen durften.