ray Filmmagazin » Themen » Breit Gefächert

Viennale – Weitere Viennale-Highlights im Überblick

Breit Gefächert

| Günter Pscheider |

Viennale-Direktor Hans Hurch hat zweifellos ausgeprägte und eigenwillige Vorlieben, ist aber gleichzeitig offen für neue Strömungen des Weltkinos. Deshalb steht das Festival jedes Jahr wieder für ein kreatives Wechselspiel zwischen Kontinuität und Entdeckungen.

Fans von Viennale-Stammgästen wie James Benning, Arnaud Desplechin oder Albert Serra dürfen sich auf neue Werke freuen. Über die Jahre haben viele Filmemacherinnen und Filmemacher von Rang eine persönliche Beziehung zum Wiener Festival aufgebaut. Auch bei Filmmenschen gilt der Grundsatz, dass man gerne wiederkommt, wenn man sich irgendwo wirklich wohl gefühlt hat. Das trifft sicherlich auf Klaus Lemke zu, der immerhin die Welt­premiere von Kein großes Ding in Wien feiern wird. Hans Hurch weiß aber natürlich auch, dass es nicht reicht, nur längst in den Kanon der Filmgeschichte aufgenommene Künstler zu featuren, deshalb nehmen gerade Debütfilme seit jeher einen wichtigen Platz im Programm ein. Man darf gespannt sein, wie Johanna Pauline Maier Robert Musils „Die Schwärmer“ für die große Leinwand adaptiert hat. Das deutsche Kino ist diesmal mit Regisseuren wie Thomas Arslan, Harun Farocki oder Ramon Zürcher überhaupt stark vertreten. Ein besonderes Viennale-Erlebnis sind auch immer die Premieren von österreichischen Filmen. Bei Redaktionschluss war die Auswahl noch nicht abgeschlossen, auf jeden Fall dabei ist Götz Spielmanns lang erwartetes Nachfolgewerk von Revanche mit dem wie für die Viennale gemachten Titel Oktober November.

Dem Festival gelingt es immer wieder hervorragend, Menschen, die sonst nicht unbedingt in die Arthouse-Kinos strömen, auch etwas sperrigere Filmkunst nahe zu bringen. Bei P3ND3J05, ausgesprochen „Pendejos“, oder O quinto evanxeo de Gaspar Hauser darf man sich keine klassischen Dramaturgien erwarten, dafür werden offene Zuschauer mit einem visuell bestechenden, cineastischen Erlebnis belohnt. Natürlich darf auch das klassische Genrekino nicht fehlen, gerade für die Nachtschiene sind Filme wie Barry Levinsons The Bay, in dem durch Umweltverschmutzung hervorgerufene Parasiten nichtsahnende Schwimmer niedermetzeln, unverzichtbar. Auch schräge US-Komödien haben eine große Fangemeinde, die sich auf Filme wie Computer Chess oder Soft in the Head freut, die sonst wohl nie den Weg heimische Kinos finden würden.

Es ist der Viennale auch hoch anzurechnen, dass die Dokumentarfilme seit vielen Jahren einen großen Stellenwert im Programm haben. Ein Highlight wird sicher die Österreich-Pemiere des Films Le Dernier des injustes vom persönlich anwesenden Claude Lanzmann, in dem der Lebensweg des aus Wien stammenden Rabbiners und Judenältesten von Theresienstadt, Benjamin Murmelstein, nachgezeichnet wird. Sehr breit gefächert ist heuer das Musikdokumentarfilmprogramm: Die klassische Pianistin Martha Argerich wird von ihrer Tochter porträtiert, der Filmemacher Bill Morrison hat sich für The Great Flood mit dem Musiker Bill Frisell zusammengetan, und der Neffe des brasilianischen Allroundtalents Hélio Oiticica hat seinem Onkel ein filmisches Denkmal gesetzt. Dazu versprechen Found-footage-Filme wie der vergnüglich freche Our Nixon, Lebenswelterkundungen wie Northern Light oder Experimentelles wie I Have Always Been a Dreamer spannende Kinoerlebnisse.

Auch die Spezialprogramme bieten für jeden Geschmack etwas. In der Mitternachts-Schiene „Asian Delight“ wirbeln, u.a. in The Lady Assassin, Schwertkämpferinnen und Geister in 3D über die riesige Leinwand des Gartenbaukinos, in den Arbeiten des Harvard Sensory Etnography Lab unter der Leitung von Lucien Castaing Taylor werden, visuell beeindruckend, die unterschiedlichsten Arbeitswelten filmisch festgehalten. Mit dem Tribute an Gonzalo García Pelayo würdigt das Festival einen außergewöhnlichen, außerhalb Spaniens kaum bekannten Filmemacher, der im „Nebenberuf“ übrigens professioneller Roulettespieler ist.