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Verband Filmregie Österreich

Vom Einzelkämpfertum zum Kollektiv

| Günter Pscheider |
Ohne Regie kein Film: Diese simple Wahrheit steht prominent auf der Homepage des Verbandes Filmregie Österreich, der heuer sein 30-Jahre-Jubiläum feiert. Eine Bestandsaufnahme der vielfältigen Aktivitäten dieser wichtigen Interessensvertretung und ein kurzer geschichtlicher Überblick, der noch weiter zurückreicht.

Mitglied werden ist nicht schwer. Die einzige Aufnahmevoraussetzung ist ein abendfüllender Kinofilm. Im Verband ist alles vertreten, was in Österreich und international Rang und Namen hat: Michael Haneke, Ulrich Seidl, Stefan Ruzowitzky oder Jessica Hausner, aber natürlich auch Dokumentarfilmschaffende wie Ruth Beckermann oder Nikolaus Geyrhalter. Derzeit sind es rund 130 Mitglieder, die alle eine Stimme bei der Wahl des Vorstandes und bei anderen wichtigen Abstimmungen haben. Manche mögen sagen, die Regisseurinnen und Regisseure sollen lieber gute Filme machen, anstatt sich zu organisieren und sich mit der komplexen Materie der Förderlandschaft zu beschäftigen oder sich aufs glatte politische Parkett zu begeben, verkennen dabei aber, dass der Verband eben genau darum kämpft: Arbeitsbedingungen zu schaffen, die innovative und publikumswirksame Filme erst ermöglichen.

In den letzten 30 Jahren (fast 50, wenn man die vorangegangenen Initiativen mitzählt, dazu später mehr) ist vieles erreicht worden durch die unermüdliche (und unbezahlte!) Lobbying-Arbeit von renommierten Filmschaffenden wie Paulus Manker, Michael Kreihsl, Barbara Albert oder Götz Spielmann, um nur einige wenige zu nennen, die viel Zeit und Energie in die Lösung interner und externer Konflikte investiert haben. Dass es aber noch sehr viel Verbesserungsbedarf vor allem im Standing des Mediums Film bei den verantwortlichen Politikern oder bei der Höhe der Fördergelder gibt, steht außer Frage. Dazu wurde im Jänner 2018 ein Positionspapier des Verbandes veröffentlicht: „Wir fordern die raschestmögliche Valorisierung sowie mittelfristig eine dringend notwendige Aufstockung der Fördermittel der österreichischen Filmförderinstitutionen und auch jenseits des Bundeskanzleramts eine Förderpolitik, die innovatives Filmemachen ermöglicht: ein Vertrauen in Unvertrautes. Große Produktionen sind nicht die Voraussetzung für Publikumserfolge. Innovatives Filmschaffen darf nicht automatisch ins Prekariat führen. Die Tendenz der letzten Jahre geht dahin, pro Jahr weniger Filme zu fördern und immer häufiger vermeintlich kommerzielleren Projekten den Vorzug vor komplexeren und innovativeren Projekten zu geben. Auf diese Art wird es Regisseurinnen und Regisseuren immer schwerer gemacht, durch kontinuierliches Arbeiten eigene Handschriften weiter zu entwickeln.“

VATIKAN UND ÖSTERREICH
Dieses klare Bekenntnis zum innovativen Film ist bei der Diversität der Mitglieder doch einigermaßen überraschend, liegt aber wohl auch daran, dass der sogenannte Genrefilm in Österreich traditionell einen eher schweren Stand hat, dafür aber in den letzten Jahren von größeren Produzenten und den Förderstellen – mit gemischten Ergebnissen – verstärkt forciert wird. Bei der letzten Vorstandswahl im Juni wurden die bisherigen fünf Mitglieder Sebastian Brameshuber, Tereza Kotyk, Stephan Richter, Lukas Rinner und Elisabeth Scharang von Veronika Franz komplettiert, die bereits vor einigen Jahren im Vorstand saß. Damit scheinen die unterschiedlichsten Richtungen gut repräsentiert zu sein, vom Dokumentarfilm über experimentelle Zugänge bis hin zum Genrefilm. Das Verhältnis jünger–älter, männlich–weiblich ist auch ohne Quote ausgewogen. Die Frage nach einer Frauenquote wird nicht nur den Verband und die Branche, sondern die gesamte Gesellschaft noch einige Zeit begleiten. Vielleicht wäre es hilfreich, erfolgreiche Modelle anderer Länder wie Schweden oder Irland genauer zu analysieren und zu evaluieren, auch wenn sich das Unbehagen, das manche bei einer Quote im künstlerisch-kreativen Bereich haben, nie ganz legen wird. Derzeit gibt es keine klare Forderung des Verbandes nach einer Quote, ein Umstand, der, von heftigen Diskussionen begleitet, vor einigen Jahren zum Ausstieg von Sabine Derflinger aus dem Verband führte. Auch wenn die Situation für weibliche Filmschaffende noch keineswegs ideal ist, im Vergleich zu den frühen siebziger Jahren hat sich doch einiges getan.

Als sich seinerzeit erstmals ein Zusammenschluss von Regisseuren noch unter dem damals üblichen Titel Arbeitskreis formierte, war der Frauenanteil verschwindend gering. Jörg A. Eggers war federführend an dieser ersten Initiative beteiligt und erinnert sich an heute unfassbare Zustände: „Der Vatikan und Österreich waren die einzigen Länder, die kein Filmförderungsgesetz hatten. Fred Sinowatz hat indirekt den Anstoß zur Gründung einer Initiative gegeben, indem er sich darüber beschwert hat, dass jeden Tag ein anderer Filmemacher vor seiner Tür steht und wir uns doch organisieren sollten und mit einer Stimme sprechen. Dieser Gruppe von Regisseuren schlossen sich auch einige Kameramänner, Drehbuchautoren und Filmjournalisten an. Da der Widerstand seitens der ORF-Führung, der internationalen Verleiher und der Regierung gegen einen unabhängigen österreichischen Film – aus heutiger Sicht unvorstellbar – sehr groß war, gab es unsererseits immer wieder Flügelerlahmungen, Frustrationen, Hoffnungslosigkeit. Aber es gab immer wieder Kollegen wie Axel Corti oder Bernd Frankfurter, die dazukamen, mit neuer Energie den Kampf wieder aufnahmen. Damals gründeten sich auch ein Kamera- und ein Cutterverband, und auch die Produzenten versuchten Einfluss auf eine zukünftige Filmförderung zu nehmen. Als dann 1981 endlich der damalige Filmförderfonds, später Österreichisches Filminstitut (ÖFI), gegründet wurde, wurde der Beitrag Gerhard Schedls, der die Förderstelle bis 2004 leitete, stark herausgestrichen, der Kampf unseres Arbeitskreises aber kaum gewürdigt, vielleicht auch, weil wir für eine projektbezogene Förderung eingetreten sind und nicht für eine produzentenzentrierte.“

Die Arbeit dieser Verbandspioniere kann gar nicht hoch genug geschätzt werden. Der einzige Grund, warum der Verband heuer „erst“ das 30-jährige Jubiläum feiert, liegt darin, dass die Vorgänger einfach nicht kontinuierlich organisiert waren. Das änderte sich mit der Neugründung des jetzigen Verbandes im Jahr 1989, bei der Schauspieler und „Jung“-Regisseur (Schmutz, Weiningers Nacht) Paulus Manker als 31-Jähriger als treibende Kraft dabei war. Einem so begnadeten Geschichtenerzähler wie Manker sollte man vielleicht nicht jedes Detail seiner unterhaltsamen Anekdoten glauben, aber sein phänomenales Gedächtnis (er erinnert sich noch an den Ort der ersten Generalversammlung, das legendäre Gasthaus Hauswirth) scheint ihn nicht im Stich zu lassen, wenn er von der turbulenten Anfangszeit erzählt: „Ich wundere mich selbst, warum ich mich so engagiert habe im Verband, aber offensichtlich war ich damals ein wichtigtuerischer Gschaftlhuber. Es war ein Kollektivverein ohne Vorstand, das heißt, bei jeder Entscheidung bzw. jeder Abstimmung musste jeder gefragt werden, das ist aus einem mir unverständlichen Gerechtigkeitssinn entstanden. Das war ja die Prä-Internet- und -Handy-Zeit. Wir sind bei mir zu Hause gesessen, wo es mehrere Telefonanschlüsse gab und haben alle angerufen. Einige der Mitglieder der ersten Stunde sind auf dem Gründungsfoto drauf, es gab aber auch einige wenige Frauen, z.B. Kitty Kino oder Karin Brandauer. Die meisten waren zwar gerne dabei, wollten aber eher ihre Ruhe haben. Das war die Zeit, in der auch die Austrian Film Commission (AFC) gegründet wurde, da waren wir auch stark involviert. Im Katalog der AFC (dem Verzeichnis aller produzierten Filme eines Jahres, Anm.) wollten die Produzenten dann den Film Die toten Fische (1989) von Michael Synek nicht drin haben, weil er nicht von einem professionellen Produzenten gemacht worden war, da gab es regelrechte Schreiduelle. Es musste eine Extrasektion eröffnet werden: „films without a regular producer“. Damals konnten die Produzenten noch machen, was sie wollten und wurden auch ziemlich reich mit unseren Filmen. Außerdem haben wir uns dafür stark gemacht, dass die Österreichischen Filmtage, also der Vorläufer der Diagonale, vom Nazi-Nest Wels nach Salzburg verlegt wurden, unter der Intendanz von Martin Schweighofer, den wir vorgeschlagen haben. Nach einigen Jahren hatte ich dann genug von der anstrengenden Gschaftlhuberei, und Michael Kreihsl wurde sozusagen mein Nachfolger.“

GEGEN-BEWEGUNG
Noch einmal enger rückte die Gruppe der Kinofilmschaffenden dann ab 2000 zusammen, als allerorten in Österreich gegen die schwarz-blaue Regierung demonstriert wurde. Als Kunstminister Franz Morak eigenmächtig gegen den Willen der Branche für 2004 einen neuen Diagonale-Intendanten bestellte und die Ausrichtung des Festivals neu fokussieren wollte, war auch der Regieverband stark in den Widerstand gegen diese Vorgangsweise eingebunden. Die Entscheidung, die eigenen Filme aus dieser Diagonale zurückzuziehen und sie einer Art „Gegen-Diagonale“ zur Verfügung zu stellen, wurde im Einvernehmen mit den meisten Produzenten getroffen. Bekanntermaßen fand dann nur dieses improvisierte Festival statt, die Morak-Diagonale hingegen musste auch wegen des Drucks der Filmschaffenden abgesagt werden. Auch heute mischt sich der Verband ein, wenn von der Politik zum Beispiel, wie im heurigen Frühjahr, dubiose Nachbesetzungen im BKA-Förderbeirat vorgenommen werden.

Ganz konkrete Lobbying-Arbeit bei den zuständigen Politikerinnen und Politikern ist eine der wichtigsten, aber auch undankbarsten Aufgaben des Verbandes, das wird im Gespräch mit dem Vorstand sehr schnell klar: „Bei jedem Regierungswechsel ändern sich sofort die Rahmenbedingungen und die Ansprechpartner. Egal ob es darum geht, ob der Vertrag von ÖFI-Direktor Roland Teichmann verlängert wird oder wer in Zukunft in welchen Gremien und Kommissionen sitzt, wir versuchen mitzusprechen oder zumindest unsere Position bei den Entscheidungsträgern klar zu machen, weil das unmittelbar unsere Arbeit betrifft. Dabei ist es ironischerweise fast beruhigend zu wissen, dass, egal, wer gerade im Kunstministerium das Sagen hat und unabhängig davon, welche Partei gerade an der Macht ist, mit uns Filmleuten generell wenig gesprochen wird. Das ist eben auch eine unserer Hauptaufgaben, die Bedeutung der Filmbranche für die österreichische Kultur zu verdeutlichen.“

Auf die Frage nach den größten Herausforderungen derzeit und wohl auch in Zukunft, kommt sehr schnell der Wunsch, die Arbeitsbedingungen der Kinofilmschaffenden zu verbessern, es irgendwie möglich zu machen, dass die meisten Kolleginnen und Kollegen nicht nur alle drei bis fünf Jahre einen Film machen können, wie es derzeit die Regel ist. „Eine Herausforderung für solch eine Solidargemeinschaft ist aber schon, dass der Verteilungskampf in den letzten Jahren noch größer geworden ist. Früher wurde der zu kleine Kuchen durch weniger Leute geteilt. Deswegen muss man den Kuchen größer machen, das ist auch eine unserer Hauptforderungen. Österreich begreift sich zwar als Kulturnation, aber der Film zählt da offenbar nur am Rande dazu, wenn man die Ausgaben für Theater und Oper mit denen für Kinofilm vergleicht. Es ist nicht einfach, die Balance zu finden zwischen der Arbeit nach außen, wie eben beschrieben, aber auch nach innen. Der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen ist auch sehr wichtig, da hat sich die Kultur schon ein wenig verändert. Vor zehn Jahren hätte man wahrscheinlich niemanden gefragt, was er oder sie verdient oder wie die Zusammenarbeit mit einem Produzenten war. Wir sehen das als positive Entwicklung, ein wenig weg vom Einzelkämpfertum hin zum Kollektiv.“

FORDERUNGEN
Neben diesen großen, hehren Zielen hat der Verband aber ganz konkrete Forderungen, wie das Budget des ORF-Film/Fernsehabkommens zu erhöhen und so anzuwenden, wie es im Gesetzestext steht, das heißt: für Kinofilme. Ganz wichtig wären auch bessere Sendeplätze für österreichische Kinofilme, erstens schon wegen des Kulturauftrags des ORF und auch ganz banal wegen der Tantiemen. Auf ORF 3 im Hauptabendprogramm zu laufen, das bringt fast keine Zuschauer und damit auch fast keine Tantiemen, ebenso wenig wie auf ORF 2 nach Mitternacht. Es müsse doch, so der Verbandsvorstand, möglich sein, einen früheren Sendeplatz zu finden.

Außerdem wurde gerade eine Studie in Auftrag gegeben, die dazu dienen soll, „die internationale Strahlkraft des österreichischen Films zu messen, also ganz konkret die Zuschauerzahlen weltweit zu erheben. Das betrifft nicht nur Kinostarts in Deutschland, wo das leicht machbar ist, sondern auch in Ländern wie den USA, Frankreich oder Argentinien, wo es gar nicht so einfach ist, die Zuschauerzahlen herauszurechnen, weil man nur die Kassen-Einnahmen bekommt und erst die durchschnittlichen Ticketpreise herausfinden muss, um auf die Zuschauerzahlen zu kommen. Ganz wichtig sind auch die Festivalbesucherzahlen. Ein erfolgreicher Festivalfilm kann auf bis zu 50 Festivals laufen, 20 sind keine Seltenheit, da kommt einiges zusammen. In Südkorea z.B. sind schnell einmal tausend Leute bei einer Vorführung, diese Zahlen wollen wir durch eine Consulting Firma erheben lassen und der Öffentlichkeit präsentieren, als ganz konkretes, fassbares Element, ergänzend zu den vielen Auszeichnungen, die österreichische Filme immer wieder im Ausland erhalten. Also die künstlerische Relevanz, die sich ja eh schon herumgesprochen hat, wenn auch noch viel zu wenig, durch Zahlen zu untermauern und nicht nur auf die nationalen Kinobesucherzahlen zu schauen. Die Welt ist größer als Österreich. Wir sehen uns auch als Stimme im allgemeinen politischen Diskurs. In Frankreich sitzen in allen wichtigen Talkshows auch Filmschaffende. Das ist auch durchaus sinnvoll, wir beschäftigen uns jahrelang mit bestimmten oft gesellschaftspolitisch relevanten Themen. Film hat dort einfach einen anderen Stellenwert. Das hierzulande auch zu erreichen, daran arbeiten wir, um aus unserer Blase herauszukommen.“

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