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One Flew Over the Cuckoo’s Nest / Einer flog über das Kuckucksnest
One Flew Over the Cuckoo’s Nest / Einer flog über das Kuckucksnest

Eric Pleskow

Von Wien in die große Filmwelt

| Andreas Ungerböck |
Das Filmarchiv Austria gedenkt des aus Wien stammenden Hollywood-Tycoons Eric Pleskow anlässlich von dessen 100. Geburtstag.

 

Am 1. Oktober 2019 verstarb der langjährige Viennale-Präsident Eric Pleskow im Alter von 95 Jahren in seinem Wohnort Westport, Connecticut. Für alle, die das Glück hatten, ihn persönlich kennenlernen zu dürfen, war das, noch dazu zwei Jahre nach dem Tod seines guten Freundes, des Viennale-Direktors Hans Hurch, sehr schmerzlich. Bei seinen Besuchen in Wien, sei es zur Viennale oder zu den Förder-Sitzungen des Filmfonds Wien, dessen Auswahljury er eine Zeit lang angehörte, oder auch ganz privat, war es immer ein Ereignis, mit Eric Pleskow zusammenzutreffen. Er hatte für jede und jeden ein freundliches Wort und erinnerte sich noch im hohen Alter an Dinge, die man selbst längst vergessen hatte. Und bis zum Tod seiner geliebten Frau Barbara im Jahr 2009 musste er immer heimlich rauchen, damit sie ihn nicht dabei erwischte. Er hatte seine diebische Freude daran, und der Schalk saß dem rüstigen alten Herrn auch sonst stets im Nacken. Wie sonst hätte er es durchgesetzt, dass im Viennale-Katalog über viele Jahre hinweg – auch das gegen den Widerstand seiner Frau – ein sehr jugendliches Foto von ihm abgedruckt wurde? Es war dies übrigens dasselbe Foto, das sich nun auch im Programmheft des Filmarchivs Austria findet.

Geboren am 24. April 1924 als Erich Pleskoff in Wien-Alsergrund, als Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie, musste er 1939 vor den Nazis fliehen. In New York besuchte er das College und arbeitete „nebenbei“ als Schnittassistent für einen Filmemacher. So kam er mit dem Handwerk erstmals in Berührung, ehe er 1943 in die US-Army berufen wurde. Nach dem Krieg schickte man ihn, auch wegen seiner Sprachkenntnisse, als Filmoffizier nach Deutschland, wo er, wie er selbst sagte, „ein paar“ dokumentarische Filme drehte und beauftragt wurde, den Wiederaufbau der Bavaria Filmstudios in München zu beaufsichtigen. Mit 27 Jahren, im Jahr 1951, begann er, bei United Artists zu arbeiten und war für den Verleih von Filmen des damals in voller Blüte stehenden Studios in Europa und Südafrika zuständig, aber auch für die Beteiligung der Firma an europäischen Klassikern wie Bernardo Bertoluccis skandalträchtigem Kassenschlager Ultimo Tango a Parigi (1972).

 

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Entgegen der seit vielen Jahren kolportierten falschen Behauptung, Pleskow habe Filme produziert (tatsächlich war es nur einer, John Boormans Beyond Rangoon/Rangoon – Im Herzen des Sturms, 1995), gelang ihm in seiner Laufbahn noch viel Größeres: 1973 wurde der Emigrant aus Wien Präsident von United Artists, die gleich darauf dreimal hintereinander den Oscar für den Besten Film gewannen: 1975 für One Flew Over the Cuckoo’s Nest, 1976 für Rocky und 1977 für Annie Hall. Eine von Eric Pleskows liebsten Anekdoten stammt aus dieser Zeit: Tatsächlich musste der Big Boss ans Set von Arthur Penns Missouri Breaks reisen, um die beiden Stars Marlon Brando (siehe S. 58) und Jack Nicholson, die einander nicht allzu gut leiden konnten, zur Räson zu bringen.

1978 nahm Pleskow Abschied von United Artists. Wenig später gehörte er zu den Mitbegründern von Orion Pictures, jener höchst erfolgreichen Firma, der er bis 1992 vorstand. Weitere Oscar-Triumphe und Kassenschlager – das eine schloss für Pleskow das andere nicht aus – entstanden unter seiner Ägide, man denke nur an Miloš Formans Amadeus (acht Oscars), Kevin Costners Dances with Wolves (sieben Trophäen) und Jonathan Demmes The Silence of the Lambs (alle fünf „Big“ Oscars), um nur einige zu nennen. 1993, anlässlich der wunderbaren, von den Filmjournalisten Michael Omasta und Christian Cargnelli kuratierten Viennale-Retrospektive „Aufbruch ins Ungewisse. Österreichische Filmschaffende in der Emigration vor 1945“ wurde Pleskow – wie zahlreiche andere Vertriebene, darunter die Schauspieler Leon Askin, Francis Lederer und Theodore Bikel – nach Wien eingeladen. Es waren tief bewegende Szenen, als diese Menschen, die ihrer Heimat beraubt worden waren, in einer Art Staatsakt endlich auch vom offiziellen Österreich gewürdigt wurden. Mindestens ebenso beeindruckend wie diese Zeremonie waren aber die gemeinsamen Abendessen der älteren Herrschaften, bei denen viele Erinnerungen an das Wien der Kindheit und Jugend ausgetauscht wurden und, unter anderem, Wienerlieder gesungen wurden. Leider wurden die ausführlichen Gespräche, die die beiden Kuratoren mit ihren illustren Gästen führten, nie veröffentlicht, obwohl sich (film)historische Schätze darunter befinden. Wie auch immer: Von da an war Eric Pleskow wieder häufiger in Wien, auch und besonders wegen seiner Freundschaft zu der ORF-Journalistin Gabriele Flossmann und zu Lisl Hajdu, der langjährigen Reise-Koordinatorin und „guten Seele“ der Viennale. 1999, im Alter von 75 Jahren, übernahm er schließlich die Präsidentschaft des Festivals, die er bis zu seinem Tod innehatte. Seine Eröffnungsreden waren stets politisch hellwach – er verfolgte die Entwicklungen in Europa mit großer Wachsamkeit und Besorgnis –, aber auch sehr berührend und amüsant, und haben sich tief in die Geschichte des Festivals eingeprägt.

Das Filmarchiv Austria würdigt nun vom 24. April bis 14. Mai diesen großartigen Mann und einige seiner größten Erfolge, die mit zum Besten und Aufregendsten gehören, was Hollywood von den Sechzigern bis in die neunziger Jahre hervorbrachte. Neben den bereits genannten Filmen sei auch noch auf Billy Wilders turbulente Nachkriegs-Berlin-Komödie One, Two, Three aus dem Jahr 1961 hingewiesen, aber auch auf Oliver Stones heiß umstrittenes Vietnam-Epos Platoon, das 1987 ebenso mit vier Oscars ausgezeichnet wurde wie zehn Jahre zuvor Sidney Lumets bitterböse Mediensatire Network. Und es ist besonders schön, dass die Retrospektive im Metro Kinokulturhaus, wo ja auch ein Saal nach ihm benannt ist, punktgenau an Eric Pleskows 100. Geburtstag beginnt. Das hätte ihm bestimmt gefallen.