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Jodie Foster - The Mauritanian

The Mauritanian | Interview

Wahrhaftig oder nicht?

| Dieter Oßwald |
Jodie Foster über „The Mauritanian“, den Wandel in Hollywood und die Kriterien, nach denen sie ihre Rollen auswählt.

Als Achtjährige gab Jodie Foster, 1962 in Los Angeles geboren, ihr Debüt im Fernsehfilm Menace on the Mountain. 1975 spielte sie als Teenager an der Seite von Robert de Niro in Taxi Driver und wurde für den Oscar nominiert. Zu ihren weiteren Filmen gehören Bugsy Malone, The Little Girl Who Lives Down the Lane und The Accused, für den sie 1989 den Oscar erhielt. Der nächste Academy Award folgte zwei Jahre später für The Silence of the Lambs. Ihr Regiedebüt gab Jodie Foster 1991 mit Little Man Tate, gefolgt von Home For The Holidays und The Beaver. Nach längerer Pause ist die Schauspielerin nun als Anwältin im Polit-Drama The Mauritanian zu erleben.

Sie haben sich in der letzten Zeit auffallend rar gemacht, woran liegt das?
Jodie Foster: Warum ich nicht mehr so häufig auftrete, hat mehrere Gründe. Mit zunehmendem Alter geht man die Dinge naturgemäß etwas langsamer an. Nach über 50 Jahren in diesem Job bin ich mittlerweile auch etwas wählerischer, was die Projekte angeht. Ich führe ja auch selbst Regie, was mir sehr wichtig ist. Es wurde mir klar, dass es andere Möglichkeiten der Arbeit für mich gibt. Davor dachte ich, es gäbe nur diesen einen Weg der Schauspielerei.

Nach welchen Kriterien entscheiden Sie sich für Ihre Projekte?
Der Stoff muss mich berühren. Ich brauche das Gefühl, dass ich dazu beitragen kann, eine Rolle besser ausfallen zu lassen. Es ist dabei ganz egal, ob es sich um eine Komödie oder um eine Nebenrolle handelt: Etwas muss mich so stark berühren, dass ich gerne Zeit und Leidenschaft dafür investieren möchte.

Was hat für Sie den Ausschlag für „The Mauritanian“ gegeben?
Die Geschichte von Mohamedou kann einen vieles lehren, zumindest mir erging es so. Es geht um den Kampf für Menschlichkeit, um das Gesicht von Angst und Terror. Ich bewundere diesen Menschen sehr und wollte seine Geschichte erzählen. Zudem fasziniert mich meine Figur der Anwältin Nancy. Die Welt der Gesetze fand ich immer spannend, wenngleich ich nie Jus studierte habe. Vielleicht ist das Kino jetzt mein Zugang dazu.

Was ist für Sie die wichtigste Eigenschaft in diesem Beruf, den Sie seit über fünf Jahrzehnten ausüben?
Ich bin nicht sicher, ob ich die richtige Expertin dafür bin. Es gibt diese sehr alte Philosophie: Suche nach maximaler Einfachheit. Stelle die Frage: Ist es wahrhaftig oder nicht? Damit wirst du immer richtig liegen. Soll meine Figur blaue oder grüne Kleidung tragen? Das beantwortet sich damit, was sich wahrhaftiger anfühlt. Ein großer Fehler sind Fragen, was das Publikum gerne hätte oder wie man es zum Heulen bringt. Mein Kompass lautet immer: richtig oder falsch?

Ist es schwieriger, eine reale Person zu spielen als eine fiktive Figur?
Tatsächlich ist dies erst das zweite Mal, dass ich eine reale Figur verkörpere – die erste hat vor ein paar Hundert Jahren gelebt, was die Sache damals ziemlich einfach machte. Für The Mauritanian habe ich mich vor den Dreharbeiten etliche Male mit der realen Nancy Hollander getroffen. Ich besuchte sie in ihrem Haus und sah, wie sie lebte. Sie zeigte mir ihren Nagellack und ihre Lippenstifte. Ich bekam also einen guten Eindruck von ihr. Gleichwohl war mir wichtig, keine bloße Imitation von Nancy abzuliefern. Ich wollte ihr gegenüber wahrhaftig bleiben, aber die Figur bleibt eine Kreation von mir. Ich sagte ihr schon vorab: Meine Nancy ist sehr viel bösartiger als die reale. Was nicht sehr schwierig ist, denn die echte Nancy ist eine sehr nette und liebevolle Person.

Wie hat sich der Status von Frauen im Lauf Ihres Berufslebens gewandelt?
Zu Beginn meiner Karriere, Ende der sechziger Jahre, gab es gar keine anderen Frauen am Set. Ich war allein unter Männern. Die gesamte Crew war komplett männlich, erst Anfang der achtziger Jahre hat sich das langsam verändert. Die Leute wirkten sehr viel glücklicher, als diese Blase des Filmemachens plötzlich durch größere Diversität aufgelöst wurde. Es hat noch lange gedauert, bis mehr Frauen auf Regiestühlen saßen, aber das hat sich mittlerweile sehr verbessert. Es ist die wohl dramatischste Veränderung im Filmgeschäft.

Wie gelang es Ihnen, so auffallend viele starke Frauen zu spielen?
Die Frage höre ich häufig: Hast du mit Absicht all diese starken Frauen gespielt? Tatsächlich haben starke Frauen eine größere Anziehungskraft auf mich. Und wenn eine Rolle zunächst nicht so stark aussah, habe ich sie eben stärker gemacht. Wer möchte schon einen Film sehen über eine Figur, die keine Meinung hat und nichts unternimmt? Das finde ich nicht besonders interessant, solche Rollen habe ich möglichst vermieden.

Wann beginnt eine Figur, Sie zu interessieren?
Mir gefallen komplexe Figuren, das war schon immer meine Vorliebe. Mich reizt es, die verschiedenen Seiten einer Person herauszuarbeiten. Jeder von uns steckt voller Widersprüche. Da mag es einen Teil geben, wofür man sich schämt. Einen Aspekt, den man versteckt. Eine Lüge, für die man geliebt zu werden hofft. Diese Komplexität finde ich spannend, das macht für mich den Reiz beim Spielen aus. Dafür reicht ein Drehbuch alleine nicht aus. Man benötigt intellektuelle und emotionale Arbeit, um zu verstehen, wie jemand durch die Welt geht. Genau das bereitet mir viel Vergnügen.

Gibt es in all Ihren Filmen eine perfekte Jodie-Foster-Szene, in der Sie alles erreicht haben, was Sie wollten?
(Lacht) Oh Gott, ich weiß nicht. Ich schaue nicht zurück auf meine Arbeit, das würde mich verrückt machen. Wenn Sie mich fragen, was ich gerne besser gemacht hätte, könnte ich viel erzählen. Wenn Sie fragen, worauf ich besonders stolz bin, weiß ich darauf keine Antwort. Was mir ganz besonders gut gefällt, sind körperliche Einsätze: Rennen, klettern, segeln. Für mich ist es ein Geschenk, dass Filmemachen nicht völlig intellektuell abläuft, sondern dass auch der Körper gefragt ist.

Gibt es noch eine Rolle, die Sie gerne spielen würden?
Es ist weniger eine Rolle als die Herausforderung, etwas Schwieriges erlernen zu müssen. Ich wollte schon immer einen Film machen, bei dem ich acht Monate benötige, um eine Fähigkeit zu lernen – und danach wäre ich die große Expertin darin. Suaheli zu sprechen, wäre ein gutes Beispiel dafür. Aber dieser Wunsch hat sich bislang noch nicht erfüllt.