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Weapon of Choice

Filmkritik

Weapon of Choice

| Roman Scheiber |
Made in A for crazy USA

Das Militär verwendet sie, die Polizei verwendet sie, das FBI verwendet sie. Privatleute haben sie ebenso im Holster wie IS-Terroristen, Drogenhändler und sonstige Kriminelle aller Couleurs, ob nüchtern, angeregt durch den Genuss violenten Gangsta-Raps oder unter dem Einfluss von Substanzen aller Art: die Glock-Pistole, einer von Österreichs ganz ohne Zweifel erfolgreichsten Exportschlagern.

Nicht auszuschließen ist, dass die Glock auch im Zuge eines der nächsten Amokläufe an einer US-amerikanischen Highschool das tödliche Mittel zum sinnlosen Zweck sein wird. Vermehrte Amokläufe sind allerdings nicht nur in jedem einzelnen Fall todtraurig, sondern paradoxerweise ein Phänomen, das dazu geeignet ist, den Absatz von Schusswaffen und insbesondere der verlässlichen und einfach zu bedienenden Glock-Pistole weiter anzukurbeln. Neuerdings wird in den Vereinigten Staaten nämlich auch eine Berufsgruppe mit dem Gebrauch von Faustfeuerwaffen vertraut gemacht, welche bislang bloß mit Lineal und Filzstift bewehrt war. Lehrerinnen und Lehrer zu Pistolenschützen auszubilden, damit diese ihre Schüler und sich selbst vor psychisch kranken, bewaffneten Mitschülern schützen können – statt im Gegenteil zivilen Schusswaffengebrauch zu verbieten oder stark einzuschränken – halten viele US-Amerikaner für ein probates Mittel, leider nicht nur Nahestehende der mächtigen US-Waffenlobby und Angestellte von Rüstungsbetrieben.

Crazy USA, powered by guns made in A: Fritz Ofner und Eva Hausberger erzählen in ihrem wohlrecherchierten, verdienstvollen Film Weapon of Choice die Geschichte des Maschinenbau-Ingenieurs Gaston Glock und seiner bahnbrechenden Erfindung Anfang der achtziger Jahre. Man steht vor der größten Waffenfabrik des Landes im idyllischen Ferlach, Kärnten, aus der heute 1,5 Millionen Waffen pro Jahr in die Welt geliefert werden. Natürlich wird dem Filmteam kein Zutritt gewährt, auch nicht im älteren Werk in Deutsch-Wagram bei Wien, aber dort vermag die ehemalige Vize-Bürgermeisterin die Auskunftsunwilligkeit des klagsfreudigen Konzerns ein wenig auszugleichen.

An seinen Beginn stellt der Film Bilder aus dem Irak im Oktober 2014, wo ein IS-Milizionär die Vorzüge der Glock preist. Damit belegt Weapon of Choice gleich deutlich, dass die im neutralen Österreich produzierten Waffen des nunmehr 89-jährigen Milliardärs Glock – den einst Jörg Haider hofierte und der ein Luxusdomizil am Wörther See bewohnt – nicht ausschließlich in vertrauensvolle Hände gelangen. Ausgedehnte, formal an das jeweilige Sujet angepasste und gut rhythmisierte Ausflüge in die Hip-Hop-kulturgeneigte Bandenkriminalität („Don’t test me when I got my Glock“), in die Ausbildung am Schießstand („That gun feels to me like an extension of my body“) und in die Shopping-Center des Waffenhandels bereiten das Feld, um tiefer in die Konzerngeschichte und das meist verborgene Geschäft mit dem Tod einzutauchen. Doch Weapon of Choice lässt einen auch in die Psyche verschiedener Waffenträgerinnen und Waffensammler blicken und hilft, das Wesen einer waffenverrückten Kultur begreifen zu lernen. Als dramaturgischer Höhepunkt wird die anekdotenumrankte Geschichte des Mordanschlags auf Glock am 27. Juli 1999 in einer Luxemburger Tiefgarage erhellt und Glocks ehemaliger Treuhänder Charles Ewert (wegen seiner Pionierarbeit in Sachen Briefkastenfirmen auch „Panama-Charly“ genannt) im Gefängnis interviewt – spannender als jeder Tatort mit Todesfolge. Im Sommer 2014 erhielt Gaston Glock das Große Goldene Ehrenzeichen des Landes Kärnten.