Weekend Film

Filmkritik

Weekend

| Ines Ingerle |

Zauberhaft natürliche Liebesgeschichte

Was tun, wenn man emotional Hals über Kopf in etwas hineinkippt, das keine Zukunft hat? Kann man ein loderndes Gefühls-Feuer einfach löschen, weil es die Umstände erfordern? Ist der Glaube an die romantische Liebe letztlich nur ein Irrglaube? Das sind nur einige der Fragen, die zwischen Russel (Tom Cullen) und Glen (Chris New) innerhalb eines einzigen Wochenendes entstehen.

In einer Freitagnacht lernen sie einander in einer Bar in Nottingham kennen und landen unmittelbar danach im Bett. Am nächsten Morgen packt Glen das Diktiergerät aus und interviewt seine Eroberung über die gemeinsame Nacht. Russel ist verwirrt und gleichzeitig irgendwie doch fasziniert von Glens selbstsicherer und ungezwungener Art, die im Gegensatz zu seiner eigenen Schüchternheit und Zurückhaltung steht. Man verabschiedet sich, um sich am Nachmittag gleich wieder zu treffen, viel zu reden und leidenschaftlichen Sex zu haben. Russel schöpft Hoffnung auf eine Beziehung, doch Glen genießt seine Freiheit und will nicht zu lange am selben Ort verharren („I don’t want to become a fucking concrete“) – daher will er auch von seinem Plan, am nächsten Abend zum Studieren in die USA zu reisen, nicht abkommen – oder vielleicht doch? Was als One-Night-Stand beginnt, wird zu einem intensiven Wochenende mit langen Gesprächen, stillem Einverständnis, Party, Alkohol, Drogen, Sex und Gefühlen, die sich nicht einfach abstellen lassen.

Weekend ist ein mutiger und wahrlich schöner Film. Regisseur Andrew Haigh kaut dem Zuschauer nicht alles vor, sondern arbeitet geschickt und effektvoll mit Ellipsen. Er setzt Schnitte dort, wo man sie nicht erwartet, deutet vieles nur an. Dies gibt den Charakteren die Möglichkeit, sich in aller Ruhe zu entfalten und die jeweiligen Szenen zu entwickeln. Nichts ist überhastet, alles hat seine Zeit. Der gefühlte Inszenierungsgrad ist ein geringer, der Film mutet in seiner Unbehauenheit fast schon dokumentarisch an, lässt dem Zuschauer viel Freiheit für eigene Gedanken und erzeugt dadurch Assoziationsräume, in denen man sich einem der Hauptcharaktere nahe finden kann.

Der Umgang mit dem Thema der homosexuellen Liebe könnte feinfühliger und respektvoller kaum sein, obwohl oder gerade weil explizite Szenen nicht ausgespart werden. Voller Gelassenheit wird die Geschichte zweier gewöhnlicher Männer, die gewöhnliche Wünsche, Hoffnungen und Sehnsüchte haben, erzählt. Wer sich einen klischeebehafteten Film über Schwule erwartet, wird enttäuscht sein: Weekend ist nichts davon – und genau deshalb so wundervoll.