Jude Law macht es sich bequem: Als Papst im Koma spielt er die neue Staffel von Paolo Sorrentinos „The New Pope“ überwiegend aus der Horizontalen, während der von John Malkovich mit Inbrunst verkörperte britische Aristokrat Sir John Brannox an seiner Statt vom Vatikan ins Amt berufen wird. Ein Gespräch mit Jude Law über Religion, Zeichen und Wunder – und warum es manchmal Spaß macht, in Unterwäsche aufzutreten.
Mister Law, beide Päpste in der Fortsetzung von „The Young Pope“ sind jeder auf seine Weise innerlich gepeinigte Männer vor dem Herrn. Und Narzissten sind sie auch. Sind das Grundeigenschaften, die man als Papst heute haben muss?
Jude Law: Nein, absolut nicht. Das Gegenteil ist der Fall. Aber ob Sozialkompetenz und Einfühlungsvermögen für die Dramatik der Serie gut gewesen wären, ist fraglich.
Wie war es für Sie, die meiste Zeit über im Koma zu liegen?
Jude Law: Um ganz ehrlich zu sein, das war einer der einfachsten Schauspieljobs, die ich je gemacht habe. Einfach rumzuliegen. Ich glaube, ich bin sogar ein paar Mal eingenickt. Aber es war super kalt dort, wo wir die Szenen gedreht haben, in einem wunderschönen Palazzo im Norden von Rom. Da gab es keine Zentralheizung. Zwischen den Takes haben sie mich mit Decken und Wärmflaschen versorgt, damit ich beim Drehen nicht zittere. Und das war mehr oder weniger meine Hauptsorge. Ich muss leider gestehen, dass ich keine großen Einsichten in das Verhältnis von Leben und Tod hatte, während ich dort lag.
Hat die Tatsache, dass Sie jetzt wiederholt den Papst gespielt haben, Ihr Verhältnis zur Religion verändert?
Jude Law: Seit meiner Jugend habe ich mich immer schon sehr für Glauben und Spiritualität interessiert, und dafür, was es heißt, seinen eigenen spirituellen Ort, einen eigenen Platz für sich selbst zu finden. Ich glaube, was ich am ehesten gelernt habe, als ich die Rolle zum ersten Mal gespielt habe, war, wie bühnenhaft die katholische Kirche ist. Da gab es durchaus einige Parallelen, die mir bekannt vorkamen und mich sehr an die Schauspielerei erinnerten. Der Auftritt vor einer Masse, zum Beispiel, oder die Kostüme, die Beleuchtung. Da wird eine ganz schöne Show abgezogen. Für mich persönlich jedoch war der konkrete Zugang zu der Figur, die ich spiele, in erster Linie der menschliche Aspekt dahinter. Ich habe mir im Vorfeld viel angelesen und studiert, was es gab, um den Vatikan zu verstehen, die Geschichte des Glaubens, das Papsttum. Aber Paolo hat mich dazu bewogen, mich mehr auf die konkrete Figur zu konzentrieren, den Mann unter der Robe sozusagen. Und so habe ich es auch in dieser zweiten Serie gehalten. Pius XIII begibt sich hier auf eine komplett neue Reise. Und er muss sich einer neuen Herausforderung stellen in dem Versuch, sich selbst zu verstehen und zu begreifen, wie die Welt um ihn herum ihn wahrnimmt. Das gab mir etwas mehr, womit ich konkret arbeiten konnte, ohne zu einer großen Metapher über den Glauben als solchen ausholen zu müssen.
Wenn Sie ein Wunder vollbringen könnten, was wäre das?
Jude Law: Wahrscheinlich würde ich all das Plastik aus den Weltmeeren herausfischen und vernichten.
Und andersherum gefragt, ist Ihnen schon einmal ein Wunder begegnet? Etwas, von dem Sie sagen würden, dass dabei höhere Mächte im Spiel waren?
Jude Law: Ich glaube nicht. Ihnen?
Nein.
Jude Law: Aber vielleicht muss man es so sehen: Das Leben an sich ist ein Wunder, nur leider wissen wir das nicht mehr zu schätzen. Die Geburt eines Kindes ist ein kleines Wunder, aber es passiert jeden Tag, seit tausenden von Jahren, und ist natürlich auch etwas ganz Normales. Für einen persönlich ist das emotional trotzdem etwas völlig Wunderbares, etwas Unfassbares. Ich wünschte, ich könnte Ihnen von mehr Wundern berichten, aber wie gesagt, mehr habe ich bisher nicht erlebt.
Lassen Sie uns kurz über Ihren Auftritt in Unterwäsche reden. Wie bereits weitreichend kommentiert wurde, machen Sie darin eine hervorragende Figur.
Jude Law: Danke, das ist sehr freundlich von Ihnen. Ganz ehrlich, was im Drehbuch stand, war, dass er, also meine Figur, aus dem Wasser aufsteigen würde. Das war’s. Ich wusste also, dass da irgendwas kommen würde. Nur dann hatte Paolo diese Idee. Und als ich am nächsten Tag zum Set kam, liefen da all diese jungen Models herum, und er hatte bereits alles komplett durchgeplant. Und wir haben gelacht. So ist das mit ihm. Aber wir dachten beide, es wäre eine witzige Idee, also haben wir es gedreht. Sie müssen wissen, ich vertraue Paolo absolut im Hinblick auf die Art, wie er die Dinge filmt. Egal was, es sieht immer unheimlich schön aus. Ich vertraue seinem Sinn für Geschmack und Stil. Und mit den Reaktionen der Öffentlichkeit habe ich echt nicht gerechnet. Es hat mich komplett überrascht. Mir war das alles ein bisschen peinlich, vor allem vor meinen Kindern. Ich dachte, oh Gott, was werden die jetzt von mir denken? Aber sie haben auch nur gelacht und den Witz dahinter gesehen. Natürlich verwenden sie genau das jetzt auch im Trailer zur Serie. Kein Wunder! Aber eigentlich war es nur ein kleiner Spaß.
Man hat Sie danach sogar mit Brad Pitt verglichen. Nicht schlecht, oder?
Jude Law: Wirklich? Angenehme Konkurrenz, in der Tat. Er ist ein sehr schöner Mensch.
Wie waren die Reaktionen, als Sie zum ersten Mal den Papst spielten? Was hat der Vatikan gesagt?
Jude Law: Ich glaube, sie haben ganz genau verstanden, dass es nicht darum ging, sie zu demütigen oder sie in irgendeiner Weise zu verurteilen. Paolo hat es verstanden, den Glauben zu erforschen, ihm einen Spiegel vorzuhalten, und das haben sie zu schätzen gewusst. Auch weil Paolo jemand ist, der ein starkes persönliches Verhältnis zum katholischen Glauben hat. Das merkt man sofort, wenn man sich die Serie anschaut. Deshalb war auch die Kritik des Vatikans alles in allem sehr positiv.
Gab es auch Reaktionen, die Sie überrascht haben?
Jude Law: Ja, ich sag Ihnen was. Der Hutmacher hat mit uns eine goldene Nase verdient. Er bekam plötzlich Bestellungen von Kardinälen und Bischöfen aus der ganzen Welt, die alle genau die Hauben haben wollten, die ich in der ersten Serie trug, die große lilafarbene und die kleine schwarze. Verrückt.
Haben Sie John Malkovich darauf vorbereitet, was es heißt, den Papst zu spielen?
Jude Law: Nein, das hätte ich niemals getan. Ich habe schon früh gelernt, dass man Menschen fragen muss, ob sie Ratschläge haben wollen oder nicht. Sonst kommt man sehr schnell hochnäsig und eingebildet rüber. Aber ich hätte es John noch nicht einmal angeboten, weil er John Malkovich ist: Ein hervorragender Schauspieler, der sicher keinen Rat von mir braucht, wie man eine Rolle meistert.
Aus christlicher Sicht ist der Glaube vergleichbar mit Liebe als Grundenergie des Lebens. Wie lautet Ihre Definition von Liebe?
Jude Law: Oh, da fragen Sie mich was. Ich denke, Mitgefühl spielt eine große Rolle, Unterstützung und Großzügigkeit. Und dass man ehrlich ist. Ehrlichkeit hat viel damit zu tun.
Wie schafft man das, immer ehrlich zu sein?
Jude Law: Indem man es sich vornimmt und sich daran hält. Man hat ja immer eine Wahl. So einfach ist das.
Fällt es Ihnen leicht?
Jude Law: Ich habe vor ein paar Jahren beschlossen, dass ich alles daransetze, in meinem Leben jegliches Drama zu verhindern. Drama ist anstrengend. Die Dinge sind so viel einfacher, wenn man offen und gerade heraus ist.
Sie haben vor nicht allzu langer Zeit geheiratet. Auch kirchlich?
Jude Law: Nein, aber es war eine wunderschöne Zeremonie und wirklich eine Heirat von zwei Familien, nicht nur zwei Menschen. Das war meiner Frau und mir sehr wichtig. Es gab dabei aber natürlich auch ein paar Witze darüber, dass der Papst anwesend sei. Das ließ sich nicht vermeiden.