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Wheel of Fortune

Filmkritik

Wheel of Fortune and Fantasy

| Susanne Jäger |
Elegante Beziehungsverflechtungen, verpasste Chancen, und so vergeht ein Leben.

Mäßig Freuden, eher Leiden, zahlreiche Verstrickungen und ironische Wendungen in den Liebesgeschichten der jungen, gebildeten Urbanen Japans. Diese Themen erzählt Hamaguchi Ryûsuke neueste Meisterleistung, die bei der Berlinale 2021 völlig verdient mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet wurde.

In drei nicht näher miteinander verbundenen, lakonisch erzählten Episoden stehen jeweils Frauen im Zentrum der Handlung. Eine Schauspielerin, der auf beklemmende Art klar wird, dass ihre Freundin und ihr diffus vermisster Exfreund dabei sind, sich ineinander zu verlieben und neue, denkbar irritierende Tatsachen zu schaffen. Eine Literaturstudentin, die ihrem Professor eine Falle stellt, um ihren aalglatten Lover zu beeindrucken. Eine arbeitslose Systemadministratorin auf der Suche nach ihrer verlorenen Jugendliebe. Und dazwischen ist alles anders, wird neu gemacht, wiederholt, abgebrochen oder kurzfristig abgeändert. Man kommt nicht von einander los, schafft Abhängigkeiten und schwebt mehr oder weniger vereinsamt durch die Zivilisation des 21. Jahrhunderts. Man täuscht, benutzt und wird benutzt, schenkt sich wenig, manchmal doch. Hätte, hätte, Fahrradkette. Und trotzdem wird der Film nie schwer, sondern bleibt wendig bei seinen Protagonisten, denen man gerne durch ihre einmal mehr, einmal weniger erfreulichen Lebensentscheidungen folgt.

Es werden Szenarien durchgespielt, in denen professionelle Distanz, erotische Spannung, Freundschaft, Zusammenhalt, Rache und Versuchung auf intelligente Art und durchaus mehrdeutig ineinandergreifen. Die Figuren mühen sich kammerspielartig in langen, dabei aber äußerst kurzweiligen Dialogen aneinander ab, ergeben sich dem Schicksal oder dem Zufall (wer kennt schon den genauen Unterschied?) und finden punktuell sogar zueinander. Dann nämlich, wenn sie für sich und die anderen erkennen, dass ohnehin alle nur geliebt oder zumindest verstanden werden wollen. Und bei Sackgassen fragt man einander, ganz 21. Jahrhundert-mäßig: Hast du es schon mit Psychotherapie versucht?

Filmisch steht Wheel of Fortune and Fantasy in Eric Rohmers Tradition der gediegenen Beziehungsdramen. Formal zeichnen sich die Episoden durch allerlei Symmetrien, Spiegelungen, eine clevere Bildsprache, ästhetisch-reduzierte Ausstattung und ein geistreiches Drehbuch aus. Ein Glück, dass es bei allem Unglück und der schwelenden Frage, warum es eigentlich so schwer ist, miteinander auszukommen, schlussendlich auch eine hilfreiche Antwort gibt. Manchmal, so der Zufall will, ist es ganz leicht.