Filmkritik

Whiplash

| Alexandra Seitz |
Ausgezeichneter Musikfilm, hervorragendes Psychodrama

Üben, Üben, üben. Üben, üben, üben. Bis die Hände bluten. Für einen Musiker, der seine Sache ernst meint, ist das nicht unbedingt ungewöhnlich. Schon wer nur gut sein will, muss Opfer bringen. Wer jedoch zu den wirklich Großen strebt, der muss sein Leben danach ausrichten. Selbstdisziplinarische Propaganda? Lust- und

lebensfeindliche Indoktrination? Jeder, der sich schon einmal an der Beherrschung eines Instrumentes versucht hat, weiß, dass: leider nein. Da kann Buddy Rich noch so sehr der Meinung sein, dass nicht das Üben, sondern das Spielen in einer Band letztlich ausschlaggebend für Könnerschaft sei.

Buddy Rich (1917–1987), einer der technisch versiertesten und bedeutendsten Jazz-Schlagzeuger der Welt, ist Andrews großes Vorbild. Und Fletcher, Andrews Bandleader an der Shaffer Music School, träumt davon, den nächsten Charlie Parker zu entdecken. Bescheidenheit ist eine Zier … Dementsprechend rücksichtslos knallen Andrews und Fletchers Mega-Egos aufeinander.In Whiplash verarbeitet Damien Chazelle (dessen Debütfilm Guy and Madeline on a Park Bench 2009 im Rahmen der Viennale zu sehen war) eigene Erfahrungen als Drummer einer High-School-Band. Weder das Vergnügen an ihr noch die Möglichkeit, sich durch sie auszudrücken, hätten damals sein Verhältnis zur Musik bestimmt, so Chazelle in den Produktionsnotizen zu Whiplash. Das bestimmende Gefühl, das er mit dem Musikmachen assoziiert habe, sei das der Angst gewesen. Angst vor Ungenügen, Angst vor Versagen, vor allem aber Angst vor seinem Lehrer.

Am Beispiel von Andrew und Fletcher nimmt Chazelle nun also ein Schüler-Lehrer-Verhältnis unter die Lupe und fächert es von der Demütigung über den Psychoterror bis zur physischen Gewalt, vom Einschleimen über das Aufbegehren bis hin zum Verrat in allen nur denkbaren, negativen Facetten auf. Dabei wird der Widerspruch zwischen der Freiheit der Musik und der Knechtschaft, die ihre Entstehung ist, offenkundig.

Und doch ist Whiplash kein quälendes, sondern ein mitreißendes Musikfilm-Psychodrama. Dank Miles Teller, dessen langjährige Erfahrung als Schlagzeuger diverser Bands Andrews kompromißlosen Einsatz glaubwürdig wirken lässt. Und dank J.K. Simmons, dem die begeisterte Gnadenlosigkeit seines Fletcher soeben eine Oscar-Nominierung als Bester Nebendarsteller einbrachte. Am Ende jedenfalls versteht man, warum der Schlagzeuger der Muppets – mit dem Buddy Rich sich einst ein legendäres Duell lieferte – den Namen „Tier“ trägt.