yalda

Filmkritik

Yalda

| Pamela Jahn |
Medienrealität und griechische Tragödie im modernen Iran

Mariam ist nervös, aber gefasst. In ihren Augen ringen Angst, Verzweiflung und Resignation miteinander. Der jungen Frau droht mit gerade mal Anfang zwanzig die Todesstrafe, weil sie im Affekt ihren über vierzig Jahre älteren Mann ermordet haben soll, mit dem sie eine sogenannte Ehe auf Zeit führte. Die Mutter rät ihr, sie müsse unbedingt die Nerven bewahren, dabei ist sie es, die der Aufregung kaum standhalten kann. Denn Mariams einzige Chance zu überleben, besteht darin, Mona, die Tochter des Verunglückten in einer Live-TV-Sendung vor Millionenpublikum um Vergebung zu bitten. Gelingt es ihr, kommt sie mit einer Gefängnisstrafe davon und Mona erhält zusätzlich zu dem nicht unwesentlichen Erbe ein Blutgeld, das je nach Engagement der Zuschauer vom Sender gezahlt wird. Findet ihr Flehen jedoch kein Gehör, steht ihr die Hinrichtung bevor. „Freude der Vergebung“ heißt die Reality-Show, die alljährlich am Abend des altpersischen Yalda-Festes anlässlich der Wintersonnenwende im Iran ausgestrahlt wird. Doch Mariams Chancen auf einen glücklichen Ausgang dieser längsten Nacht des Jahres sind gering. Konfrontiert mit ihrer Tat und der in ihrer Trauer versteinerten Hinterbliebenen kämpft sie vor laufender Kamera verzweifelt um die Wahrheit, anstatt sich reuevoll ihrer Schuld zu bekennen.

Es ist ein ergreifendes, beklemmendes Szenario, dass Massoud Bakhshi hier fast in Realzeit und mit nur wenigen, aber gezielt zum Einsatz kommenden Handgriffen konstruiert. Angelehnt ist die Geschichte an ein in seiner Heimat tatsächlich existierendes TV-Format dieser Art, doch erst in der Fiktion gelingt dem ursprünglich am Dokumentarfilm geschulten Regisseur die vielschichtige Verflechtung von Thriller, Gesellschaftskritik, Medienrealität und griechischer Tragödie. Die Hektik und Aufgeregtheit der Fernsehmacher wie aller unmittelbar Beteiligten taktieren das Geschehen. Immer wieder kommt es aufgrund unvorhergesehener Ereignisse zu Verzögerungen und Unterbrechungen, die entweder mit Werbepausen oder pointierten Showeinlagen und Gastauftritten gefüllt werden, während sich hinter den Kulissen Lügen und Geheimnisse Bahn brechen. Und auch wenn ein, zwei Wendungen zum Ende hin etwas ungeschickt inszeniert sind, kann dies der leisen Wucht des Films nichts anhaben. Das eigentliche Drama spielt sich ohnehin grandios in den Gesichtern der beiden Frauen ab, die die Kamera von Julian Atanassov immer wieder lange, konzentriert und aus nächster Nähe ins Visier nimmt.