Sensibler Blick auf das Leben in der Obdachlosigkeit
Ein Dach über dem Kopf, ein regelmäßiges Einkommen und etwas zu essen im Kühlschrank zu haben, ist für die meisten von uns selbstverständlich. Ebenso wie ein Netz aus Familie und Freunden, das uns auffängt, wenn es einmal nicht so gut läuft. Auf dem Weg in die Arbeit begegnen wir jeden Tag Menschen, die diese Selbstverständlichkeiten verloren oder nie besessen haben. Wir begegnen ihnen, aber eigentlich gehen wir ihnen aus dem Weg. Wir sehen sie, aber wir nehmen sie nicht wirklich wahr. In einer reichen Stadt, die regelmäßig auf die vordersten Plätze der lebenswertesten Städte der Welt gewählt wird, will man sich ungern mit den Schattenseiten auseinandersetzen. Mit denen, die durch das Netz des Sozialsystems rutschen. Mit jenen, die aufgrund psychischer und physischer Erkrankungen an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurden.
Birgit Bergmann, Steffi Franz und Oliver Werani werfen mit ihrem Film Zu ebener Erde nicht nur einen flüchtigen Blick auf Obdachlose in Wien. Sie bleiben stehen, sie fangen Geschichten ein und begleiten verschiedene Menschen ein Stück ihres Lebensweges ohne eigenes Zuhause. Wie etwa Herr Birkner, der sich einst der Fremdenlegion angeschlossen hatte und nun in Sozialeinrichtungen frische Kleidung, eine warme Mahlzeit und eine liebevolle Betreuung erhält. Oder Hedy, eine belesene Frau, die Schlafquartiere lieber meidet und sich stattdessen mit einem Zelt und Holzzweigen einen Unterschlupf gebaut hat. Oder Herr Jölly, der aufgrund seiner HIV-Erkrankung keinen Job mehr fand und, wenn er nicht auf überaus charmante Weise bei der U-Bahn-Station Pilgramgasse um Geld bittet, in einem Wohnheim lebt. Oder die zerbrechliche Katka, die an einen Rollstuhl gefesselt ist und mit der Alkoholsucht und der oftmals ruppigen Umgangsweise ihres Ehemannes Laco zu kämpfen hat.
Den Filmemachern gelingt es, einen sachlichen und dabei dennoch sehr persönlichen, ehrlichen Blick auf das Thema Obdachlosigkeit und seine Begleiter Krankheit, Einsamkeit, den Verlust von Privatsphäre, Sucht und Abhängigkeit in vielerlei Hinsicht zu werfen. Durch die Geschichten, die von den Protagonisten selbst erzählt und nur gelegentlich durch Fragen aus dem Off ergänzt werden, bekommen Heimat- und Perspektivlosigkeit ein Gesicht und es führt dazu, dass man beim nächsten Weg in die Arbeit mit einem anderen Blick durch die Straßen geht und Menschen sieht, anstatt sie zu übersehen.