Das Trickfilmstudio im Wiener ZOOM Kindermuseum feiert sein 20-jähriges Bestehen. Ein Gespräch mit Direktorin Andrea Zsutty und Bereichsleiterin Barbara Kaiser über Vergangenes, Zukünftiges und das, was immer aktuell sein wird.
Vielleicht scheinen vergangene Jahrzehnte vom Standpunkt der Gegenwart aus immer wie Zeiträume besonderer Veränderungen. Auch über die 20 Jahre seit 2001 lässt sich das sicher in vielerlei Hinsicht argumentieren. Im Jubiläumsjahr 2021 des damals noch als Medienlabor ZOOM Lab gegründeten Trickfilmstudios lässt sich jedoch festhalten, was auf alle Fälle bleiben wird: „Das Trickfilmstudio ist vor allem ein Ort zum Geschichtenerzählen. Und das wird es auch bleiben.“ Barbara Kaiser, die langjährige Leiterin des Studios, betont dies auch in Hinblick auf immer schneller aus dem Boden schießende neue Technologien und Medien: „Das Zentrale bleibt das kreative Gestalten und Geschichtenerzählen, das ist völlig zeitlos und technikunabhängig. Im gemeinsamen Trickfilmmachen geht es viel um das Entwickeln einer gemeinsamen Bildsprache. Um zu lernen, welche Bildsprache es braucht, um zum Beispiel Gefühle darzustellen. Das nehmen die Kinder dann auch für ihre Smartphone-Videos und sonstigen Experimente mit – Dinge, die sie eigentlich ohnehin wissen, sich aber hier bei uns vergegenwärtigen.“ Dieser mit dem Arbeiten an einem am Ende rund 40 Sekunden langen Film einhergehende, für die jungen Menschen so wichtige Reflexionsprozess stellt sich keineswegs selbstverständlich ein. „Wichtig im Trickfilmstudio ist das Gemeinschaftliche“, pflichtet ZOOM-Direktorin Andrea Zsutty bei und hebt hervor, wie essenziell für dieses Gelingen die Begegnung und Zusammenarbeit mit Medienkünstlerinnen und –künstlern, Expertinnen und Experten ist, sowie die Tatsache, dass die Kinder wirklich vom Anfang bis zum Ende in den Prozess involviert sind.
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Die beiden blicken im Interview im Innenhof des ZOOM-Museums im Wiener MQ zwar teilweise auf viele Jahre zurück, besonders aber auf die Zeit seit Beginn der Pandemie. Das Zwanzigjährige fällt nämlich nicht nur mit einer Neueröffnung des Studios zusammen, die das Ende des EU-geförderten, mit der tschechischen Kindergalerie Sladovna durchgeführten Projekts Animation NOW! markiert, die Covid-Abnormalität hat das Trickfilmstudio auf ein Neues zum „Shooting Star“ (Zsutty) des Museums gemacht und auch verstecktes Potenzial so richtig zutage gebracht. „Barbara hat mir gesagt: Wir haben auch ein Trickfilmstudio mobil. Wir können überall Workshops machen – sogar im Wald!“: ein frühes Highlight für die seit Dezember 2019 in ihrer Funktion tätige Direktorin, dessen Tragweite sich nun erst vollständig entfaltet: „Wir sind schon in Schulen gegangen, wir können Trickfilme im Park machen, in einer Höhle oder in Flüchtlingseinrichtungen.“ Diesen Sommer werden Kinder in den Summer City-Camps Trickfilme machen. Jeden Montag wird das mobile Trickfilmstudio unterwegs sein und so einen wichtigen Schritt setzen. „Das ist ein riesiger Unterschied: Kommen die Kinder zu uns oder gehen wir dorthin, wo sie sich zu Hause fühlen?“ Die Erfahrung, aus dem geschützten Raum auszubrechen und zu sehen, was dort alles passieren kann, werde dann auch wieder in die Konzepte einfließen, die das Angebot generell betreffen. Sowohl Andrea Zsutty als auch Barbara Kaiser stellen immer wieder klar, dass der Fokus nicht darauf liegen sollte, allen technischen Neuerungen in Echtzeit zu folgen. „Das ist nicht der Anspruch,“ so Kaiser, vielmehr gelte es, „immer neugierig zu bleiben“, wenngleich sie auch davon erzählt, dass der verstärkte Einsatz von Touch-Technologie dazu dient, näher an die Lebensrealität des Zielpublikums heranzukommen. Gerade von dem Erweitern des Arbeitsraumes über die Museumsgrenzen hinaus – und also auch von der eigenen Neugier – verspricht sich Zsutty viel, und muss über den gut auf den Punkt gebrachten Grund selbst kurz auflachen: „Draußen erreicht man auch Ältere. Für 12-, 13-Jährige ist es manchmal eine Hürde, ins Kindermuseum zu gehen und an den Krabbelkindern vorbeizumüssen.“
Wieviel bekommt man denn durch den gemeinsamen Raum des Trickfilmstudios von Kinder- und Jugendkultur mit? Einiges. „Es fließt ganz viel davon in die Filme ein, was sich auch in der Sammlung ablesen lässt, wo wir mittlerweile auch Begriffs-Tags verwenden“, meint Barbara Kaiser und verweist beispielhaft auf das – auch für Erwachsene gruselige – Internet-Phänomen Slenderman, das plötzlich öfters in den Trickfilmen aufgetaucht ist. Immer wieder werden hinsichtlich solcher neuer Elemente Gespräche mit den jungen Trickfilmschaffenden geführt. Das Angebot des Trickfilmworkshops interessiert sowieso längst nicht nur mehr Kinder, sondern wird über National- als auch über Altersgrenzen hinweg immer mehr wahrgenommen und nachgefragt: Einerseits konnten online durch die ZOOMinare Kinder auch in anderen europäischen Ländern erreicht werden (das Angebot hat sich als geglückt etabliert und soll auf jeden Fall weitergeführt werden), andererseits zeige sich immer stärkeres Interesse von älteren Animations-Neugierigen, wie zuletzt etwa beim Workshop im Rahmen der diesjährigen Festival-Ausgabe von Tricky Women/Tricky Realities. „Super, dass das so in die Erwachsenen-Welt hineinstrahlt“, findet Andrea Zsutty. „Das ist durchaus eine Zukunftsvision, etwas mit Erwachsenen zu machen.“ Was in der Zukunft natürlich auch wieder schön wäre, wären Screenings im Kino. Die letzten Kinovorführungen waren vor allem dem Projekt Lab Club zu verdanken, dessen erste Ausgabe Barbara Kaiser noch als Workshopleiterin selbst betreute: „Die Idee war, einen Produktions-Club zu machen, bei dem sich die Kinder inspiriert fühlen, immer wieder zu kommen. Wir haben Listen geführt, vermerkt, wie der neue Filmschnipsel heißt, der gerade entstanden ist, die Nächsten daran ansetzen lassen und gemeinsam geschaut, wie es weitergehen könnte.“
Dieser Prozess gelang über zwei Semester lang mit, man stelle sich vor, rund 700 Kindern und mündete unter anderem in dem 49 Minuten langen Film Nina & Nico und das Geheimnis des Mäusekönigs. Die Reise mit diesen langen Trickfilmen führte ins ehemalige Stadtkino, ins ehemalige Cinemagic am Karlsplatz, in die Urania, sowie ins MuTH am Augartenspitz. Barbara Kaiser erinnert sich gerne: „Der Abspann hat ewig gedauert.“
Nicht in die Ewigkeit, wohl aber viel in die nahe Zukunft geplant wird von Zsutty und Kaiser offensichtlich und das sicher zur Freude von Jung und Alt. Keineswegs vergessen wird neben dem stets im Zentrum stehenden Geschichtenerzählen auch nicht, dass es ja das Trickfilmstudio ist, dem die Institution ZOOM Kindermuseum ihr museales Standing verdankt. „Auch wenn der Rest vielleicht medienwirksamer ist“, habe sich Zsutty schon am Beginn ihrer neuen Aufgabe gedacht: „Das ist eigentlich der Kernbereich des Museums. Denn hier entsteht die Sammlung.“ Und was für eine: Wenn man sich nicht gerade, und die Möglichkeit dazu soll es zukünftig (wieder) vermehrt geben, im Forum des Museums bei angemessener Verdunkelung und mit hauseigenem Popcorn von Trickfilmen faszinieren oder berieseln lässt, oder im Mumok Kino die besten Einreichungen des gemeinsam ins Leben gerufenen Kinder-Animationswettbewerbs „Trick and Click“ (die erste Ausgabe fand Anfang 2020 statt) bestaunt, kann man sich auf der ZOOM-Website durch die über sechstausend Filme umfassende Trickfilmsammlung klicken und Filme anschauen, wobei sich aufgrund der riesigen Menge das intuitive Such-Tool der „Wühlkiste“ empfiehlt. Und sich, ob klein oder schon groß, Ähnliches denken wie der Neunjährige, der vor Jahren nach einem Workshop auf Barbara Kaiser zu- und ihr seither nicht mehr aus dem Gedächtnis ging: „Wenn ich groß bin, werde ich Ressigeur.“