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Zwei ungleiche Schwestern

| Andreas Ungerböck |

Louise und Martine leben in jeder Hinsicht fern voneinander: Louise blieb in der Kleinstadt und wurde Kosmetikerin. Martine zog es nach Paris. Als sich die Schwestern nach vielen Jahren wieder sehen, kommt es zum Eklat.

Die Stadtschnöselin versus das Landei. Nicht mehr seit der längst untergegangenen Löwingerbühne wurde dieser altbackene Antagonismus mit solcher Vehemenz ausgebreitet wie in diesem Schwank der Regiedebütantin Alexandra Leclère. Dank seiner prominenten Hauptdarstellerinnen (Catherine Frot ist bei uns weniger bekannt) wurde er in der Heimat ein Erfolg und fand international mehr Beachtung, als ihm nach Betrachtung der nüchternen Fakten zusteht.

Schon wenn die scheinbar einfältige, überdrehte, schlecht und „zu laut“ gekleidete Louise aus dem Zug steigt und ihrer stadtneurotischen, hektischen, unrunden und stets abgehetzten Schwester Martine um den Hals fällt, läuten alle dramaturgischen Alarmglocken. Hier bereits ist der erzählerische Horizont zu Ende; Martines schneidende Kommentare nicht nur Louise, sondern auch ihrer restlichen Umwelt gegenüber, sind fünf Minuten lang amüsant, danach herrscht 88 Minuten lang  Endlosschleife. Isabelle Huppert, in chic-unterkühlte Schwarz-Braun-Klamotten gehüllt, ist seltsam uninspiriert und eindimensional wie selten. Sie kann den Film nicht retten und macht auch gar keine Anstalten es zu tun, und Catherine Frot outriert, dass sich die nicht vorhandenen Balken biegen. Dabei ist man vor keiner Nicht-Überraschung sicher: Natürlich benimmt sie sich in der Oper daneben, natürlich weiß sie nicht, welches Besteck man zu welcher Speise nimmt, natürlich ist sie in Wirklichkeit eine verkappte Romanautorin, natürlich bringt sie ihr schlichtes schriftstellerisches Erzeugnis in Paris bei einem Verleger unter, und natürlich ist sie gar nicht so dämlich, wie sie tut.

Sie nämlich hat Seele, im Unterschied zu der Giftnatter, die sich ihre Schwester nennt: Martine ist fies, frustriert, in einer lieblosen Ehe gefangen, im Laufe der Jahre zynisch bis zur Unleidlichkeit geworden. „Geld allein macht nicht glücklich“ – solche und ähnliche Weisheiten gibt uns die Regisseurin mit auf den Weg, und sie illustriert es mit Methoden, wie man sie seit den späten 1950ern  ausgestorben wähnte. Leclère hat ihre Schwarzweißmalerei übertrieben, sie hat auf die Zwischentöne vergessen, und so wirkt auch die unvermeidliche späte Annäherung der Schwestern aufgesetzt und falsch, zumal dazu die Geschichte von der Alkoholiker-Mutter, unter der (selbstverständlich) Martine immer noch leidet, so überdeutlich ausgemalt werden muss, dass kein Auge mehr trocken bleibt.