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Franklin J. Schaffner

Gedenken

Zwischen den Zeiten

| Jörg Schiffauer |
Anlässlich des 100. Geburtstag. von Franklin J. Schaffner: Die angemessene Würdigung eines Regisseurs, der zu Unrecht ein wenig in Vergessenheit zu geraten droht.

Wenn man Auszeichnungen zumindest als Zeichen der Anerkennung akzeptiert, ergibt sich eine höchst erstaunliche Bilanz: Mit einem Oeuvre, dass gerade einmal 14 Kinoarbeiten umfasst, konnten von Franklin Schaffner inszenierte Filme 26 Oscar-Nominierungen einheimsen. Zehnmal gelang es den jeweiligen Anwärtern, die heiß begehrte und prestigeträchtige Statuette zu gewinnen, Schaffner selbst schaffte dies 1971 in der Kategorie „Beste Regie“ für Patton. 1968 zeichnete Schaffner mit Planet of the Apes für einen Film verantwortlich, der nicht nur in der Fan-Gemeinde des Sci-Fi-Genres bald schon ikonischen Status erlangen sollte. Trotzdem wird sein Name in den zahllosen Arbeiten über jene ebenso turbulente wie produktive Phase Hollywoods, in der er aktiv war, kaum an prominenter Stelle geführt. An der Qualität seiner Filme dürfte dies allerdings am wenigsten liegen, denn Schaffners zentrale Regiearbeiten erweisen sich als auch noch Jahrzehnte nach ihrem Entstehen als höchst spannendes Kino, das überhaupt nichts von seiner Vitalität und Gültigkeit eingebüsst hat.

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Vom Fernsehen zum Kino
Franklin James Schaffner wurde am 30. Mai 1920 in Tokio geboren, wo seine Eltern als Missionare arbeiteten. Nachdem er in Japan aufgewachsen war, kehrte Schaffner für ein Studium am Franklin & Marshall College in die Vereinigten Staaten zurück. Im Zweiten Weltkrieg diente Schaffner bei der US-Marine, nach Beendigung seiner Militärzeit begann Schaffner für den Fernsehsender CBS zu arbeiten. In den fünfziger Jahren, einer ersten großen Blütezeit des Fernsehens, zeichnete Schaffner als Regisseur für eine ganze Reihe von Serien-Episoden und TV-Produktionen verantwortlich. Darunter befanden sich so bemerkenswerte Arbeiten wie The Caine Mutiny Court-Martial, eine Adaption der Bühnenfassung, die Herman Wouk selbst aus seinem Erfolgsroman „The Caine Mutiny“ – Edward Dmytryk hatte das Buch 1954 mit Humphrey Bogart in der Hauptrolle für die Kinoleinwand verfilmt – herausdestilliert hatte. Zu den Höhepunkten von Schaffners Fernsehschaffen zählt die Zusammenarbeit mit dem Autor Reginald Rose, nach dessen Vorlage Schaffner Thunder on Sycamore Street und das Gerichtssaaldrama Twelve Angry Men – auf dem Sidney Lumets gleichnamiger Kinofilm aus dem Jahr 1957, der längst zu den ganz großen Klassikern dieses Genres zählt, basiert – in Szene setzte. Schaffner selbst erhielt für seine Version von Twelve Angry Men 1955 den Emmy, einer der renommiertesten Preise im Bereich Fernseharbeiten, für die Beste Regie, eine Auszeichnung, die ihm im darauf folgende Jahren für The Caine Mutiny Court-Martial erneut verliehen wurde. Ähnlich wie Lumet und Richard Mulligan, beide bedeutenden Figuren des US-amerikanischen Kinos, wurde auch Schaffner zunächst durch eine mehrjährige Fernsehtätigkeit in der praktischen Filmarbeit sozialisiert. Nach mehr als einem Jahrzehnt in diesem Metier wechselte Schaffner schließlich auf die große Leinwand, wo er mit The Stripper (Die verlorene Rose, 1963) ein respektables Kinodebüt ablieferte. Joanne Woodward verkörpert in dem Drama die titelgebende Figur, eine junge Frau, die sich nach und nach von ihren künstlerischen Karriereträumen desillusioniert verabschieden muss.

Seine zweite Kinoarbeit repräsentierte jedoch weitaus anschaulicher, dass Franklin Schaffner Filme zu inszenieren verstand, die aus der Masse gängiger Hollywoodproduktionen deutlich hervorstachen. The Best Man (Der Kandidat, 1964) erweist sich dabei als Drama mit bissigen, sarkastischen Einschlägen, dass die Mechanismen der Politik treffsicher decouvriert.

Im Rahmen eines Parteitags soll der Kandidat für die Wahl zum Präsidenten der Vereinigten Staaten nominiert werden, als aussichtsreichste Anwärter kristallisieren sich zwei höchst unterschiedliche Charaktere heraus: Der vormalige Außenminister William Russell (gespielt von Henry Fonda) gilt als liberaler, intellektuell agierender Politiker, der seine Entscheidungen stets wohlüberlegt und der Ratio folgend trifft. Sein Gegenspieler, Senator Joe Cantwell (Cliff Robertson), hingegen ist der Typ des rücksichtslosen Populisten, der sich selbst gern als „Mann des Volkes“ geriert, jedoch primär seine eigene Karriere im Blick hat. Im Verlauf des Konvents müssen die beinahe gleichauf liegenden Antagonisten Russell und Cantwell trachten, möglichst viele Stimmen jener Delegierten – in den sechziger Jahren waren diese noch nicht so strikt an Ergebnisse der Vorwahlen gebunden – zu erlangen, die sich zunächst hinter anderen, chancenlosen Kandidaten versammelt haben. Es entspinnt sich rasch ein Ränkespiel mit Versprechungen bezüglich Posten und politischen Positionen, mit denen man Unterstützung um jeden Preis gewinnen will. Und bald schon werden neben dem üblichen Fraktionieren auch schmutzige Methoden angewandt. Senator Cantwell hat sich illegal in den Besitz der Krankenakte von William Russell gebracht, der während seiner Amtszeit als Minister dem Stress Tribut zollen musste und psychiatrische Hilfe in Anspruch genommen hatte. Nun droht Cantwell besagtes Dossier unter den Delegierten zu verbreiten, um Russell Fähigkeit für das Präsidentenamt in Frage zu stellen. Als Russells Wahlkampfmanager Material in Aussicht stellt, dass geeignet wäre, Joe Cantwell wegen vermeintlich homosexueller Aktivitäten – es bleibt allerdings offen, ob und was an dem Gerücht nun den Tatsachen entspricht – während seiner Militärzeit zu diskreditieren, gerät Russell in einen schweren Gewissenskonflikt. Der höchst integre Charakter lehnt die Methoden des „Dirty Campaignings“ zwar entschieden ab, doch er möchte unbedingt verhindern, dass Cantwell Präsident wird – soviel Macht in den Händen eines skrupellosen Mannes erscheint William Russell als potenziell höchst gefährlich.

The Best Man erweist sich als atmosphärisch dichte Inszenierung, die durch die körnigen Schwarzweißbilder von Kameramann Haskell Wexler eine geradezu semidokumentarische Gestalt annimmt und streckenweise beinahe wie eine Live-Reportage erscheint. Zudem hatte Gore Vidal, der sich im Rahmen seiner vielseitigen publizistischen Arbeit auch intensiv mit politischen Themen befasst hatte, seine umfassenden Kenntnisse dieses Metiers in das von ihm verfasste Drehbuch einfließen lassen, was die Authentizität von The Best Man verstärkte. Dass die Charaktere und ihre politischen Ansichten so konzipiert sind, dass sie eigentlich auf die beiden großen Parteien der USA – man erfährt nie, ob es sich um einen Konvent der Republikaner oder der Demokraten handelt – passen könnten, ist ein echtes Kunststück von Vidals Skript. Es finden sich dabei zahlreiche Anspielungen an reale Ereignisse der US-Politik – als Russels Wahlkampfleiter einen dramatisch in Szene gesetzten Fernsehauftritt Cantwells erwartet, nimmt er direkt Bezug auf Richard Nixon, eine kaum verhüllte Anspielung auf dessen berühmt-berüchtigte „Checkers“-Rede – doch es die Allgemeingültigkeit und eine geradezu prophetisch anmutende Vorwegnahme von Entwicklungen in der Politik, die an The Best Man immer noch beeindrucken. Die Figur des Joe Cantwell repräsentiert in vielerlei Hinsicht jenen populistischen Typus, der gegenwärtig rund um den Globus das politische Geschehen zu dominieren droht. Cantwells Entscheidungen basieren nicht auf einem Wertesystem sondern orientieren sich an größtmöglicher Zustimmung – Russell meint einmal nur lakonisch, Cantwell würde erst einmal auf eine Gallup-Umfrage schauen, bevor er sich festlegt. Auch sein Sprachduktus weist verblüffende Parallelen zu gegenwärtig agierenden Populisten auf: In Schaffners Inszenierung ist Joe Cantwell stets bemüht – ganz gleich ob es sich um öffentliche Auftritte oder persönliche Begegnungen handelt – mit griffigen, aber zumeist oberflächlichen Formulierungen möglichst viel Gesprächszeit zu okkupieren und so einen wirklichen, inhaltlichen Diskurs erst gar nicht aufkommen zu lassen. Dass hingegen selbst wohlmeinende Parteifreunde William Russells Intellekt und seine Tendenz, auf die Komplexität der modernen Welt hinzuweisen, als nicht immer hilfreich im politischen Geschäft bezeichnen, zeigt ebenfalls die immer noch gültige Treffsicherheit von The Best Man.

Mit The War Lord (Die Normannen kommen, 1964) verwies Franklin Schaffner auf seine Stärken im Erzählen episch angelegter Sujets. Die im 11. Jahrhundert spielende Geschichte um einen normannischen Ritter (verkörpert von Charlton Heston) wurde von Schaffner mit großer, dem Genre gemäßer Wucht in Szene gesetzt, gleichzeitig wurde The War Lord jedoch attestiert, ein historisch akkurateres Bild jener Epoche zu zeichnen als das in vergleichbaren Produktionen üblich war. Nachdem er mit The Double Man (Der doppelte Mann, 1967) einen routinierten Agenten-Thriller vor dem Hintergrund des Kalten Kriegs abgeliefert hatte, trat Franklin Schaffner in die zweifellos produktivste Phase seiner Karriere ein, aus der einige geradezu legendäre Arbeiten hervorgingen.

Große Geschichten
Dass Schaffner mit seinem ersten – und einzigen – Ausflug in das Science-Fiction-Genre ein stilbildender Welterfolg glückte, kann auch als eindrucksvoller Beweis für seine Vielseitigkeit, dank derer er höchst unterschiedliche Stoffe kongenial umzusetzen verstand, gelten. Planet of the Apes (Planet der Affen, 1968) basiert auf dem gleichnamigen Roman von Pierre Boulle, der auch die Buchvorlage für David Leans The Bridge on the River Kwai verfasst hatte. Für das Drehbuch konnte Schaffner auf versierte Autoren wie Rod Serling – Mastermind der legendären TV-Serie Twilight Zone – und Michael Wilson, der mit Carl Foreman für das Skript von Bridge on the River Kwai verantwortlich zeichnete, vertrauen.

Der von Charlton Heston gespielte Astronaut Taylor und seine Crew stranden auf einem vermeintlich fernen Planeten, obwohl ihre Mission 1972 auf der Erde begonnen hat und sie nur etwa 18 Monate unterwegs waren, zeigt die Uhr an Bord des Raumschiffs aufgrund der Zeitdilatation das Jahr 3978 an. Die fremde Welt wird von hochintelligenten Menschenaffen, die über Sprachfähigkeit verfügen, beherrscht, Menschen befinden sich in einem noch ziemlich primitiven Stadium und werden von den Affen wie Tiere gejagt und als Versuchsobjekte zu Forschungszwecken missbraucht. In der mittlerweile zum Klassiker avancierten Schluss-Sequenz entdeckt Taylor die Reste der Freiheitsstatue, er muss erkennen, dass er auf der durch einen Atomkrieg verwüsteten Erde gelandet ist. Planet of the Apes stellte in Schaffners kongenialer Inszenierung eine Art Paradigmenwechsel im Sci-Fi-Genre dar. Das war kein Ausflug in eine phantastische Welt samt den üblichen technischen Spielereien wie Strahlenkanonen. Die grimmige Dystopie erwies sich als Menetekel, das damals vorherrschende Ängste widerspiegelte, um Kritik an gesellschaftlichen Missständen zu formulieren. Wie Stanley Kubricks 2001: A Space Odyssey, der ebenfalls 1968 seine Premiere feierte, avancierte Planet of the Apes bald zum stilbildenden Klassiker, der weitreichenden Einfluss auf das Genre nehmen sollte.

Nach dem Erfolg von Planet of the Apes vollzog Franklin Schaffner einen thematischen Wechsel und setzte sich in Patton mit einer zeitgeschichtlichen Figur auseinander. Um sich dem legendären George S. Patton, einem ebenso populären wie höchst kontroversiellen Charakter, anzunähern, konzentriert sich Schaffner in Patton (1970) auf seinen Einsatz im Zweiten Weltkrieg, eine ganz entscheidende Periode im Leben des hoch dekorierten Generals. Schaffners Inszenierung hat vermutlich maßgeblich zu jener Einschätzung des renommierten Drehbuchautors William Goldman beigetragen, der Schaffner neben David Lean und Richard Attenborough zu jenen drei Regisseuren zählte, die die beste Hand für epische Filmstoffe aufwiesen. In der Tat ist Patton ein Kriegsfilm, der sich in seiner epischen Breite am klassischen Hollywoodkino orientiert, doch Schaffners verharrt nicht an der Oberfläche. Schon die Anfangssequenz macht dies deutlich: Patton – George C. Scott wurde für seine grandiose Darstellung der Titelfigur mit dem Oscar ausgezeichnet – hält vor eine Ansprache, die sich offenbar an seine Truppe – die Zuhörer werden allerdings nie gezeigt – gerichtet ist. Patton bleibt im Verlauf seiner Rede ohne Gegenschnitt im Fokus, schon die ersten Sätze bewegen sich abseits pathetischer Phrasen: „I want you to remember that no bastard ever won a war by dying for his country. He won it by making the other poor, dumb bastard die for his country.“

Patton erweist sich durchaus als großes Schlachtengemälde, doch die Ambivalenzen einer solchen Darstellung zwischen Faszination und Entsetzten werden dabei wiederholt deutlich. Dieser Ansatz – den man auch vor dem Hintergrund der damals zunehmenden Kritik am US-amerikanischen Engagement in Vietnam sehen muss – ist auch einem der beiden Drehbuchautoren geschuldet, verfasste doch das Skript zu Patton neben dem Routinier Edmund H. North kein Geringerer als Francis Ford Coppola, eine zentrale Figur New Hollywoods, der großen Erneuerungsbewegung des US-Kinos jener Tage. In einer Szene kommt Patton an einen Schauplatz, an dem sich eine Nacht lang eine amerikanische und eine deutsche Soldaten einen erbitterten Kampf geliefert haben. Angesichts des mit Gefallenen übersäten Schlachtfelds ist der General sichtlich erschüttert, dennoch ist er, der als romantischer Krieger charakterisiert wird, von dem Szenario auch auf eine bizarr anmutende Art überwältigt: „I love it God help me, I do love it so. I love it more than my life.“ Knapp zehn Jahre später wird Coppola in seinem ultimativen Statement zum Vietnamkrieg, dem großartigen Apocalypse Now, ganz ähnlich auf den Kriegsirrsinn verweisen, als der von Robert Duvall gespielte Oberst Kilgore die Verwüstungen, die ein von ihm befohlener Bombenangriff angerichtet hat, mit dem Satz kommentiert: „I love the smell of napalm in the morning.“

Trotz seiner klassisch anmutenden Dramaturgie unterscheidet sich Patton von gängigen Produktionen des Kriegsfilm-Genres auch dadurch, dass die Außenseiter-Rolle des Protagonisten wiederholt betont wird. George Patton selbst gerät nämlich immer wieder in Konflikt mit dem militärischen Apparat und der zivilen Öffentlichkeit. Das liegt zu einem nicht geringen Teil an dem impulsiven Charakter des äußerst selbstbewusst und zuweilen egomanisch auftretenden Offiziers, aber auch daran, dass Patton sich jeder Form von Konformismus konsequent bis hin zur Selbstbeschädigung verweigert. Dass ein Mann, der – zwar durchaus anerkennend und respektvoll – als nicht zeitgemäß und von seiner Attitüde eher ins 16. Jahrhundert passend bezeichnet wird, permanent aneckt, ist nur eine logische Folge. Nun unterscheidet sich George Patton natürlich in seinen Überzeugungen grundlegend von jenen Werten der Gegenkultur, die die gesellschaftlichen Umbrüche der sechziger Jahre in Gang setzten. Doch es lässt sich nicht leugnen, dass Patton in Schaffners Inszenierung ähnlich heftig in Konflikt mit dem Establishment – wenn auch aus anderen Gründen – gerät wie die Repräsentanten besagter Gegenkultur (der deutsche Untertitel des Films „Rebell in Uniform“ trägt dem übrigens recht treffend Rechnung). Patton konnte sieben Oscars einheimsen, darunter die Preise in den Hauptkategorien Bester Film, Beste Regie und Bestes Drehbuch.

In Nicholas and Alexandra (Nikolaus und Alexandra, 1971) widmete sich Schaffner in Gestalt des letzten russischen Zaren und seiner Familie wiederum historischen Figuren. Seine Inszenierung erwies sich wiederum als großes Kino, das detailgenau in Szene gesetzt war, samt sehr guten schauspielerischen Leistungen. Doch vor allem im Vergleich zu Patton erschien Nicholas and Alexandra als etwas arg traditionalistisch.

Mit Papillon (1973) gelang Franklin Schaffner aber wieder ein großer Wurf. Im Mittelpunkt steht Henri Charrière – auf dessen Autobiographie die Geschichte basiert –, wegen seiner Tätowierung Papillon genannt, ein Krimineller, der wegen eines Mordes an einem Zuhälter, den er nicht begangen hat, verurteilt und in den dreißiger Jahren lebenslang nach Französisch-Guayana verbannt wird. Doch mit den unmenschlichen Bedingungen, die in der Strafkolonie vorherrschen, kann und will sich Papillon nicht abfinden, er versucht so rasch als möglich dieser Hölle zu entkommen. Ein erster Versuch scheitert und zieht eine drakonische Bestrafung nach sich, doch Papillon ist bereit, sein Leben aufs Spiel zu setzen, um seine Freiheit zu erlangen. Schaffner setzt Papillon als wuchtiges, mitreißendes (Überlebens-) Drama in Szene, dass jedoch bei aller Bildgewalt nicht vergisst, ein Strafsystem anzuprangern, dass in seiner Inhumanität der sonst so freiheitsliebenden „Grande Nation“ unwürdig war. Steve McQueen verkörperte kongenial den rebellischen, unbeugsamen Gestus der Titelfigur, der den vorherrschenden Zeitgeist widerspiegelt.

Nach der Ernest-Hemingway-Adaption Islands in the Stream (1976) widmete sich Schaffner mit The Boys from Brazil (1978), der Verfilmung eines Romans von Ira Levin, der auch die Buchvorlage von Roman Polanskis Rosemary’s Baby verfasst hatte, einem höchst eigenwilligen Projekt. Der Plot um den den Nazi-Arzt Dr. Josef Mengele – berüchtigt wegen seiner verbrecherischen Experimente, die er an KZ-Insassen durchgeführt hatte – erscheint eine gewagte Art von Exploitation. In The Boys from Brazil hat der in Paraguay untergetauchte Mengele 94 Klone von Adolf Hitler fabriziert, die als Babys mittels Adoption quer über die Welt verteilt wurden und nun heranwachsen, als der Nazi-Jäger Ezra Lieberman – eine Figur, die sich deutlich an Simon Wiesenthal orientiert – dem Komplott auf die Spur kommt. Schaffner setzt die zugegeben krude Geschichte als schnörkellosen Thriller mit einer konsequenten „No-Nonsense“-Strategie in Szene. Damit generiert er eine Atmosphäre, die ungeachtet des obskuren Plots den mörderischen Irrsinn des Nationalsozialismus auf verstörende Weise deutlich macht. Es spricht auch für Schaffners Reputation, welche prominenten Schauspieler er für die aberwitzige Geschichte gewinnen konnte. Gregory Peck, einer der großen Namen aus der goldenen Ära Hollywoods, der neben James Stewart und Henry Fonda oft den Typus des „guten“ Amerikaners verkörpert hatte, konterkarierte dieses Image mit der Rolle Josef Mengeles. James Mason fungierte als Nazi-Mitverschwörer, kein Geringerer als Laurence Olivier spielt Ezra Lieberman.

Auch wenn die letzten vier Filme eher routinierte Arbeiten darstellten, die wenig Resonanz auszulösen vermochten, erscheint es doch ziemlich erstaunlich, dass dem Regisseur Franklin Schaffner nicht mehr Respekt gezollt worden ist. Das liegt möglicherweise daran, dass er mir seinem Œuvre ein wenig zwischen den Zeiten in der Geschichte des US-amerikanischen Kinos zu liegen scheint. Seine Regiearbeiten stehen formal und dramaturgisch in der Tradition des klassischen Hollywood, das sich aber mit seinem Studiosystem in den sechziger Jahren im Niedergang befand und als überholt galt. Die junge Garde New Hollywoods, die für einen gewaltigen kreativen Schub sorgen sollte, setzte jedoch in dieser Phase des Umbruchs formal und inhaltlich mehrheitlich auf ein anderes Kino als jenes, das Franklin Schaffner repräsentierte. Mit jener Tugend New Hollywoods, traditionelle Genres auf mehreren Ebenen zu revitalisieren, sollten Steven Spielberg und George Lucas erst in den siebziger Jahren ihre großen kreativen und ökonomischen Erfolge feiern. Mit Filmen wie Planet of the Apes und Patton hatte Schaffner durchaus schon diese Richtung angezeigt, doch seine Arbeiten werden als überwiegend tradiert angesehen. Dass er mit Big-Budget-Produktionen auch ökonomisch durchaus erfolgreich zu agieren verstand, als die Zeiten für derartige Projekte durchaus schwierig waren, sei nur am Rande erwähnt. Vielleicht gilt für Franklin J. Schaffner, der am 2. Juli 1989 starb, jene Einschätzung, mit der sein Titelheld in Patton apostrophiert wird – er war ein großartiger Anachronismus.