Ein prächtiger Bildband widmet sich jenen Trickfilmen, die zu Lebzeiten Walt Disneys entstanden, blickt ausführlich hinter die Kulissen des Studios und zeichnet das Porträt eines Visionärs zwischen Kunst und Kommerz.
Ein halbes Jahrhundert ist Walt Disney (1901–1966) jetzt tot, doch das Imperium, das er hinterließ, ist so wenige totzukriegen wie jenes aus der 2012 übernommenen Star Wars-Franchise: Als erstes Filmstudio der Geschichte überschritt das „Mouse house“ im Jahr 2016 die Sieben-Milliarden-Dollar-Marke. Zu diesem Rekord trugen Animationsfilme (Moana) ebenso bei wie Superheldenspektakel (darunter Doctor Strange aus der ebenfalls übernommenen Marvel-Franchise) und eben Star Wars (Rogue One). Dass diese Verbindung von Eklektizismus und Kommerzgespür schon dem Gründer eigen war, macht auch das bei Taschen pünktlich zum runden Todestag erschienene Buch „Das Walt Disney Filmarchiv“ klar. Der Begriff Eklektizismus ist dabei allerdings nicht unbedingt negativ zu verstehen, betont Herausgeber Daniel Kothenschulte in dem ebenso bildstarken wie aufschlussreichen Band. Gerade die „Aneignung unterschiedlicher Bildtraditionen“ aus der sich in den 1940er-Jahren so etwas eine homogene Ästhetik entwickelt habe, trug zum universellen Appeal bei. Kein Geringerer als Sergei Eisenstein meinte nach einem Besuch der Disney-Studios, Disneys Werk sei „das universell ansprechendste, das mir je begegnet ist.“
Disney, der mit 14 zum ersten Mal Kunstunterricht nahm, feierte mit Kurzfilmen und Figuren wie Mickey Mouse und Donald Duck schnell erste Erfolge. Doch legte er bereits im Alter von 25 Jahren den Zeichenstift zur Seite und konzentrierte sich auf die Vermarktung seines weltberühmten Namens. Kein Wunder also, dass er vielen Zeitgenossen wie ein Renaissance-Meister erschien, der sein Studio so autoritär leitet wie eine Kunstwerkstatt. Das Verdienst dieser prächtigen Publikation, die sich jenen Filmen widmet, die Walt Disney zwischen 1921 und 1968 persönlich produzierte, ist es nicht zuletzt, dem Leser einen tiefen Einblick in diese Werkstatt zu gewähren.
Filmwissenschaftler Kothenschulte konnte viele Schätze aus den Disney-Archiven sowie aus Privatsammlungen zu Tage fördern, macht mit Storyboards, Skizzen, Concept Paintings, Werkfotos und Protokollen die Entstehung der Filme ebenso nachvollziehbar wie die künstlerische Entwicklung von der Stummfilmzeit bis hin zu The Jungle Book (1967), der letzte Film, den Walt Disney noch produzierte. Klassiker wie Dumbo (1941) oder Peter Pan (1953) kommen dabei ebenso zu ihrem Recht wie eher obskure Kurzfilme und Kriegspropaganda. Auch die Rolle von prägenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird entsprechend gewürdigt, darunter die Stilistin Mary Blair, deren Vorliebe für Modernismus sich etwa in Alice in Wonderland (1951) zeigt oder Eyvind Earle und Walter Peregoy, die mit Filmen wie Sleeping Beauty (1959) auf Blairs Stil aufbauten und diesen weiterentwickelten. Disney-Experten wie Leonard Maltin, Brian Sibley oder Russell Merritt vermitteln schließlich Details zu Stilfragen und historischen Hintergründen. Ein in Bild und Text hervorragend gestaltetes Buch, das Disney-Fans ohnehin gefallen wird, möglicherweise aber auch Skeptiker zu bekehren vermag.