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Dumbo

Dumbo

Ein Elefant zum Träumen

| Dagmar Haier |

Trotz des großen Erfolges von „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ ging es den Walt Disney Studios am Ende der Dreißiger Jahre finanziell extrem schlecht. Dumbo, ein kleiner Elefant mit Riesenohren sollte Disneys Rettung werden. Jetzt gibt es ihn rundum erneuert.

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Ohne Dumbo wären die Disney-Studios vermutlich bereits kurz nach 1940 Geschichte gewesen. Der technische Aufwand für die beiden Filme Pinocchio, bei dem zum ersten Mal Disneys berühmte Multiplan-Kamera zum Einsatz kam und diesen mit einem Budget von cirka 2,6 Millionen Dollar zu einem der teuersten Filme der damaligen Zeit machte, und Fantasia, der trotz einiger Rettungsversuche wie einer Kürzung von 125 auf 81 Minuten und aufwändiger Sound-Verbesserungen in den Spielstätten finanziell hoffnungslos floppte, hatte Walt Disney an den Rand des finanziellen Ruins gebracht. Dazu kam, dass man in Europa wegen des Zweiten Weltkriegs andere Sorgen als abendfüllende Zeichentrickfilme hatte. Bereits während der Dreharbeiten zu Pinocchio hatte sich Disney die Rechte an dem Roll-A-Book „Dumbo, the Flying Elephant“ von Helen Aberson und Harold Pearl gesichert, stand jedoch dem Stoff wegen seines traurigen Grundtons so skeptisch gegenüber, dass er das Projekt auf die lange Bank schob. Sein drohender finanzieller Zusammenbruch zwang ihn aber zu einem möglichst kostengünstigen und rasch zu realisierenden Projekt, was letztendlich auch der Grund für die mit 61 Minuten relativ bescheidene Länge bei einem „abendfüllenden“ Kinofilm wie Dumbo war.

Obwohl mit Joe Grant und Dick Huemer zwei der besten Storyschreiber der Studios an der Umsetzung des Stoffes arbeiteten, wollte und wollte Walt Disney dem Film kein grünes Licht geben, bis die beiden zu einer List griffen: Sie ließen eine Zeit lang jeweils Teile des Manuskripts auf Disneys Schreibtisch liegen und machten ihn mit dieser Art von Fortsetzungsgeschichte so neugierig, dass er eines Tages mit heller Begeisterung aus seinem Büro gestürmt sein soll und wissen wollte, wie die Story weiterging. Damit kam endlich das Go! für den nur 813.000 Dollar teuren Film, der angeblich von Walt Disneys zahlreichen Lieblingsfilmen (aus dem eigenen Haus) sein Lieblingslieblingsfilm gewesen sein soll. Ohne Multiplan-Kamera wurde das ganze Projekt im knappen Zeitraum von nur einem Jahr fertig gestellt – und das, obwohl 1941 ein Streik kurzfristig die Disney-Studios lahm legte.

Trotz des holprigen Beginns und der harten Zeiten wurde Dumbo ein großer Erfolg. Er spielte 2,5 Millionen Dollar ein, mehr als Pinocchio und Fantasia zusammen, und ist somit außer Schneewittchen der einzige Vor-1943-Disney-Film, der seine Ausgaben wieder hereinbrachte. Ward Kimball, Bill Tytla und Fred Moore waren die Animatoren, denen es zu verdanken ist, dass Dumbo bis heute der wahrscheinlich emotionalste und einer der beliebtesten Zeichentrickfilme ist, nicht zuletzt wegen einer der spektakulärsten Szenen der Walt Disney Filmproduktion überhaupt: Grellfarbene Elefanten, in denen man leicht Heinrich Kleys Schlittschuh laufende und tanzenden Elefanten wiedererkennen kann, marschieren in Dumbos trunkener Halluzination auf und nehmen Disneys späteres Interesse an einer Zusammenarbeit mit dem Meister des Surrealismus, Salvador Dalí, vorweg. Außerdem gab es für Dumbo 1941 eine Oscar-Nominierung für den Song „Baby Mine“. Der Film selbst gewann 1942 den Oscar für die beste Musik und wurde 1947 für das beste Animationsdesign in Cannes ausgezeichnet.

Die Animation Research Library

Eine der gerade bei Disney-Produktionen so beliebten wie interessanten Hintergrund-Geschichten wurde dank der Walt Disney Animation Research Library ausgegraben. Walt Disney war immer sehr daran gelegen, seine Künstler zu einer Verbesserung ihrer Animationszeichnungen zu inspirieren, und so überrascht es nicht, dass er 1935 aus Europa stapelweise illustrierte Bücher von europäischen Künstlern und Erzählern mitbrachte. Diese Bücher bildeten den Grundstock einer umfassenden Referenzbibliothek, die die Disney-Künstler seither ausgiebig nutzen. Das Disney Studio war das einzige, das seine Animationskunst derart akribisch und dauerhaft archivierte. Daraus ging die Walt Disney Animation Research Library hervor, wie sie bis heute existiert und in erster Linie dem Bedarf der Mitarbeiter dient(e). Einer von ihnen, Don Hahn, wartet mit einer Geschichte auf, die endlich erklärt, warum Elefanten solche Angst vor Mäusen haben. Erzählt wird sie von Dumbos kleinem Freund und Begleiter Timothy, seines Zeichens selbst eine Maus. Eine wilde Geschichte von Mäusen mit Saurierausmaßen, die arme kleine Elefanten aus ihrem Peanuts-Paradies herausreißen und in Furcht und Schrecken versetzen, wurde da zutage gefördert. „Doch Walt Disney hatte immer schon ein sehr gutes Gespür für die Story“, so Don Hahns Vermutung, „und diese Nebenhandlung hätte zu sehr von der Geschichte abgelenkt. So wurde die von Joe Grant und Dick Huemer entwickelte Szene wieder herausgenommen, obwohl Dumbo relativ kurz ist.“ Und noch etwas entdeckten Lella Smith und die Archivare der Walt Disney Animation Research Library: einen lost character. In der Planungsphase des Films, die von Januar bis Juni 1940 andauerte, arbeiteten die Zeichenteams akribisch an der visuellen Ausarbeitung der verschiedenen Charaktere und füllten so ganze Wände mit ihren Ideen und Konzepten. Schon zu diesem Zeitpunkt stand fest, dass der kleine Elefant einen Freund braucht, der ihm dabei hilft, sein Selbstvertrauen und seine Einzigartigkeit zu erkennen. Da das Fliegen eine zentrale Rolle im Film einnimmt, suchten die Zeichner zunächst in der Vogelwelt nach einem passenden Gefährten für den kleinen Dickhäuter, darunter auch ein Rotkehlchen namens Robin. Auch eine komplette, aber verworfene Szene wurde gefunden. In dem Entwurf bringt ein kleiner freundlicher Spatz den verstörten Dumbo − der nicht länger der Clown in der Manege sein will – zu einem tierischen Psychiater, der Eule Dr. I. Hoot. Nachdem dieser seinen Patienten begutachtet hat, schlägt er dem kleinen Dumbo verschiedene Möglichkeiten vor, um seine Einzigartigkeit zu nutzen. Er fragt: „Hast du jemals davon geträumt, ein … zu sein?“ („Did you ever dream of being…?“). So schlägt er dem Elefanten u.a. eine Karriere als Schauspieler, Musiker, Sportler oder Polizist vor. Auf die Frage, ob er überhaupt von irgendetwas träumt („Ever dream of anything?“) nennt der kleine Dickhäuter seinen Wunsch zu fliegen. Der ratlose Dr. I. Hoot belächelt diesen Traum und schickt Dumbo fort. Die verworfene Szene und die dazugehörigen Skizzen verschwanden für lange Zeit in den Disney-Archiven und sind erst jetzt, pünktlich zum 70. Jubiläum des Films, wieder zugänglich. Das Rennen machte dann aber doch wieder einmal eine clevere und vorlaute Maus, die der Geschichte vom armen Elefanten, dem Außenseiter, der gar sooo schlecht behandelt wird, dass kleine Zuschauer schon mal in Tränen ausbrechen, etwas von der Traurigkeit wegnimmt. Die Art, wie sich der kleine Elefant aus seinem Schlamassel herausarbeitet, berühmt und erfolgreich wird, könnte irgendwie auch für Walt Disneys Weg aus der damaligen Finanzkrise stehen.