Woody Harrelson über seine Rolle, über Frances McDormand, über Trump und Rassismus und über die positive Wirkung von Exzessen.
Sie spielen in „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ den Sheriff der Kleinstadt, dem die von Frances McDormand verkörperte Hauptfigur vorwirft, nichts oder nicht genug zu unternehmen, um den Mörder ihrer Tochter zu finden. Was hat Sie an der Rolle gereizt?
Woody Harrelson: Mir gefiel, dass nicht klar ist, wer hier eigentlich im Recht ist. Niemand in dieser Geschichte ist hundert Prozent gut oder hundert Prozent böse, es sind alles sehr komplexe, vielschichtige Charaktere. Das macht die Sache viel interessanter.
Stimmt es, dass Sie selbst mal Polizist werden wollten?
Woody Harrelson: Ich träumte mal davon, Cop zu werden, aber nur kurz. Dann dachte ich, Geheimdienst wäre cooler. FBI, oder so. Ich war damals wahrscheinlich nur beeinflusst von dem Zeug, das ich im Fernsehen und Kino sah. Ich stellte mir vor, welch glorreiche Taten ich vollbringen würde. Aber mein Gott, wäre das furchtbar gewesen, mir diese Verantwortung zu geben und mich als Agent auf die Menschheit loszulassen! Stellen Sie sich nur mal vor, ich wäre jetzt dafür zuständig, Präsident Trump zu beschützen. Nicht auszudenken! Ich würde ihm eine verdammte Zielscheibe auf sein Jacket tackern.
Das Drehbuch entstand bereits vor einigen Jahren, aber haben Sie den Eindruck, dass der Film die Situation der Trump-Ära in Amerika widerspiegelt?
Woody Harrelson: Ich kann diese Ansicht verstehen, aber ich halte sie für zu simpel gedacht. Wahrscheinlich sind 90 Prozent der Amerikaner keine Rassisten. Und wahrscheinlich hassen sogar 90 Prozent Trump. Ich glaube wirklich nicht, dass das Land in zwei gleich große Lager gespalten ist, wie es bei der Wahl den Anschein machte. Viele Bürger haben erst gar nicht ihre Stimme abgegeben. Vielleicht täusche ich mich auch, weil ich mich meistens an den Küsten aufhalte und nicht im Heartland Amerikas, wo ihn sehr viel mehr Leute mögen. Vor der Wahl habe ich eine Weile mit amerikanischen Ureinwohnern verbracht. Und sie haben alle Trump gewählt. Glauben die wirklich, dass er ihre Interessen vertritt? Wie konnte das passieren? Weil er ihnen und allen Abgehängten versprach: Ich werde mich um euch kümmern. Sie haben euch die Fabriken weggenommen, ich bringe sie zurück. Sie haben eure Kohlebergwerke geschlossen, ich mache sie wieder auf. All den Bullshit, den er eben sagen musste, um Stimmen zu gewinnen. Und damit hat er diese Leute erreicht.
Ist Trump ein Rassist?
Woody Harrelson: Er ist definitiv ein Rassist. Er ist ein Wahnsinniger. Und ein Narzisst. Er ist der erbärmlichste Mensch, dem ich jemals begegnet bin.
Wann war das?
Woody Harrelson: Mein Freund, der Ex-Wrestler Jesse Ventura, rief mich 2002 eines Tages an und lud mich zu einem Dinner ein mit Donald Trump und seiner damaligen Verlobten. Er wollte Jesse überzeugen, sein Kandidat als Vize-Präsident bei den Wahlen 2004 zu sein. Ich hatte gerade nichts Besseres vor, also sagte ich zu. Es fand im Trump Tower in New York statt und entpuppte sich als das furchtbarste Abendessen meines Lebens. Trump redete ununterbrochen nur von sich selbst. 45 Minuten hielt ich durch, dann stand ich auf und rauchte draußen erst mal einen Joint. Stellen Sie sich vor, Sie haben einen motherfucker als Präsidenten, mit dem man es noch nicht mal ein Dinner lang aushält!
Noch einmal zurück zu Ihrem Berufswunsch. Wie kamen Sie dann vom Polizisten zur Schauspielerei?
Woody Harrelson: Weil ich mir irgendwann dachte, dass auch die echten Polizisten und Agenten im Grunde nur eine Rolle spielen. Es gab aber auch einen konkreten Moment. Ich ging in Ohio zur Highschool, es war kurz vor den Weihnachtsferien, und die Stimmung war recht festlich. Die Jungs vom Footballteam hielten mich in der Bibliothek auf und forderten: „Woody, mach deine Elvis-Nummer!“ Ich meinte, das geht hier nicht, das ist zu laut. „Mach’s halt leiser.“ Keine Ahnung, ob sie mich überzeugten oder sich meine innere Rampensau durchsetzte, auf jeden Fall fing ich an (singt): „A well’a bless my soul, what’sa wrong with me? I’m itchin’ like a man in a fuzzy tree, my friends say I’m actin’ wild as a bug, I’m in love, I’m all shook up, mmh mmh mmh“ und die Leute fangen an mitzuklatschen. Also singe ich lauter, und es dauert nicht lang und die gesamte Bibliothek steht im Kreis um mich herum. Alle feuern mich an, sogar die Angestellten. Wenn ich mich richtig erinnere, bin ich sogar auf einen Tisch gesprungen. Danach kam Robin Rogers, ein Wahnsinns-Mädchen, das für einen wie mich unerreichbar war, auf mich zu und meinte: „Ich bin Vize der Theatergruppe, du solltest für unser nächstes Stück vorsprechen.“ Und wenn Robin sagt, ich soll Theater spielen, dann spiele ich verdammt noch mal Theater. Und es lief gut. Wir waren sogar eine Weile ein Paar, ich hatte also gleich zwei Ziele erreicht.
Gerade haben Sie in „LBJ“ selbst einen Präsidenten gespielt, Lyndon B Johnson. Wonach wählen Sie Ihre Rollen aus?
Woody Harrelson: Zuerst muss mich die Geschichte packen. Wie bei Three Billboards mit all den Twists und überraschenden Wendungen. Ein gutes Drehbuch und ein guter Regisseur sind für mich ausschlaggebend.
Sie habe letztes Jahr in London selbst Regie geführt …
Woody Harrelson: Lost in London mit Owen Wilson und Willie Nelson, das war ein ziemlich gewagtes Experiment. Ich drehte den ganzen Film live in 99 Minuten und ließ ihn gleichzeitig live in Kinos übertragen. Ich wollte wissen, ob ich die Eier dafür habe, und es hat erstaunlich gut funktioniert.
„Three Billboards“ ist schon allein deswegen, ungewöhnlich, weil eine toughe Frau im Mittelpunkt steht …
Woody Harrelson: Martin McDonaghs Filme waren bisher sehr männerdominiert, und er wollte unbedingt eine Geschichte mit einer weiblichen Hauptfigur inszenieren. Ich kann mir ganz ehrlich keine andere Schauspielerin als Frances McDormand in dieser Rolle vorstellen. Es ist eine unglaublich starke Frauenfigur, wie es sie nur sehr, sehr selten in Filmen gibt. Mir war das lange nicht klar, bis es mir Elisabeth Banks mal erklärte, dass es für Schauspielerinnen überhaupt nicht einfach ist, gute Rollen mit komplexen Charakteren zu finden, die nicht einfach bloß die Frau oder Freundin des Helden sind. Ich war da ziemlich ignorant und wohl zu sehr auf meine Angebote konzentriert. Umso mehr freue ich mich, hier Frances zuspielen zu dürfen. Sie stiehlt wirklich jede Szene, so gut ist sie. Und es gibt nichts Besseres, als mit jemandem wie ihr vor der Kamera zu stehen. Sie macht auch aus mir einen besseren Schauspieler. Und ich hänge auch gerne mit ihr ab. Sie ist ein toller Mensch, sehr weise und verdammt komisch.
Stimmt es, dass Sie Regisseur Martin McDonagh zum ersten Mal in einem Pub in Dublin getroffen haben?
Woody Harrelson: Oh, das war eine wilde Nacht Wir haben uns sofort super verstanden. Wir sind wirklich Seelenverwandte. Er hat einen echt schrägen Blick auf die Welt, das gefällt mir.
Hat er als Europäer auch einen anderen Blick auf die amerikanische Provinz, als ihn ein US-Regisseur hätte?
Woody Harrelson: Auf eine Art wahrscheinlich schon. Aber das Drehbuch und sein Verständnis für das Kleinstadtleben fühlen sich schon sehr authentisch amerikanisch an. Wenn ich nicht gewusst hätte, dass es von ihm ist, wäre mir nicht aufgefallen, dass es ein Europäer geschrieben hat. Martin hat aber auch eine ganze Weile in verschiedenen Ecken der Vereinigten Staaten gelebt.
Sie haben einmal gesagt, Sex und Drogen hätten Sie zu einem intelligenteren Menschen gemacht. Was meinten Sie damit?
Woody Harrelson: Habe ich das wirklich gesagt? Wenn, dann weiß ich nicht, unter welchem Einfluss ich da gerade war. Ich würde das heute so nicht mehr unterschreiben. Aber es liegt ein Funken Wahrheit in William Blakes Spruch „Der Weg des Exzesses führt zum Palast der Weisheit“. Und wenn das stimmt, müsste ich verdammt klug sein.
„Three Billboards“ gilt als einer der Oscar-Favoriten, auch Sie wurden in der Award Season mehrfach nominiert. Der Golden-Globe-Verleihung sind Sie aber ferngeblieben. Interessieren Sie Preise nicht?
Woody Harrelson: Ich verschwende darauf nicht einen Gedanken. Ich hoffe, möglichst viele Menschen sehen den Film, und er gefällt ihnen, alles andere ist mir egal. Man kann in dieser Branche nur auf eines hoffen: dass man am Ende einen guten Film hat und ihn die Leute sehen wollen. Manchmal klappt’s, wie bei True Detective, Star Wars oder hier, und manchmal eben nicht. Ich mache einfach immer weiter.