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A Rainy Day in New York

Filmkritik

A Rainy Day in New York

| Jakob Dibold |
Woody Allens unbeabsichtigtes Plädoyer gegen sich selbst

I got lucky in the rain“ gibt Bing Crosby die Stimmung vor, doch der junge Gatsby – als Tweedsakko tragendes New Yorker Träumer-Genie mit Theater- und Filmleidenschaft, Kartenspiel-Talent und Jazz-Begeisterung gar nicht sehr subtil ein junger Allen Stewart Konigsberg – scheint auf diesem Kurz-Trip zunächst wenig vom Glück verfolgt: Die verregnete Metropole schnappt ihm, verkörpert durch einen berühmten Regisseur und bald auch weitere Branchenstars, unversehens Freundin Ashleigh weg. Anstelle eines romantischen Wochenendes steht also erstmal Trübsal am Programm. Praktischerweise will es der Zufall aber so, dass wenigstens Shannon, die jüngere Schwester einer Verflossenen Gatsbys, den grauen Himmel mit Funken durchsetzt.

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Es kommt alles, wie es kommen muss, jedoch nicht nur gegen Ende, sondern quasi durchgehend: Eine bildhübsche junge Frau wird von älteren genial-fragilen Künstlerseelen umgarnt, ein bürgerlicher Jungspund hadert, doch seine größte Liebe Manhattan lässt ihn nicht lange im Stich. Timothée Chalamet, Elle Fanning und Selena Gomez können dagegen ankämpfen, wie sie wollen: Ganz abgesehen von der plumpen Dramaturgie werden auch die leeren Dialoge, die sie mit ihrem Charisma vor Kollateralschäden zu bewahren versuchen, und die um sie schwebende Atmosphäre von einem Anachronismus getragen, der in seiner Irrelevanz als – weniger aus Gewitztheit denn aus Realitätsverlust entsprungene – befremdliche Verirrung wirkt. Was bleibt, ist allenfalls ein Sittenbild einer Großstadt, das sich der Gegenwart, in der es offensichtlich situiert ist, vollständig verweigert und den obsoleten, verstaubten Habitus einer High Society verzweifelt in neuen Glanz mehr hineinzwängt als hüllt. Um diese Fassade nicht als billiges Wandtattoo zu entblößen, hätte es mehr gebraucht als die mannigfach auserzählte Strahlkraft müßiggängiger Lebemänner und derer tragikomischen Problemchen. Vielleicht, so müsste man meinen, könnte Woody Allen seiner Herzensstadt wirklich noch ein substanzielles Denkmal setzen. Vielleicht, so muss man fürchten, bleibt die verklärte, aus allem Zeitgeist gefallene Romantisierung seiner eigenen Vorstellung von ihr aber auch eine unüberschreitbare Grenze. Wenn man schon von Grenzen spricht: Soll der Satz „I wouldn’t trust my girl with a big time Hollywood director“ wirklich etwas anderes als Zynismus darstellen? Während Chalamet und Gomez ihre Gagen an RAINN, eine Organisation für Opfer aller Formen sexueller Gewalt, spendeten, sind Für-immer-und-ewig-Fans vielleicht nett unterhalten, doch selbst sie werden kaum in Begeisterungsstürme ausbrechen. Ein Film wie 24 Stunden Wolkenbruch ohne Regenschirm.