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All you need

Miniserie

All You Need

| Dieter Oßwald |
Because it’s 2021: die erste queere Serie im öffentlich-rechtlichen deutschen Fernsehen.

Und sie bewegt sich doch: Mehr als drei Jahrzehnte nach dem ersten schwulen TV-Kuss in der Lindenstraße gibt es nun die erste queere Serie im öffentlich-rechtlichen deutschen Fernsehen. Sogar mit einem „Intimacy Coach“, wie der Abspann notiert. Damit die Diversität nicht allzu sehr auffällt, läuft die fünfteilige Serie gut versteckt bei „One“ um Mitternacht, danach sendet man sie in der Mediathek. Erzählt wird von einem schwulen Quartett in Berlin, das geradewegs aus einem Comic von Ralf König entsprungen sein könnte.

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Da ist der attraktive Medizinstudent Vince, der sich überraschend in seinen One-Night-Stand Robbie verknallt hat. Derweil sein WG-Mitbewohner Levo sein Liebesglück bei dem spät geouteten Familienvater Tom findet – sehr zum Verdruss von dessen eifersüchtigem Teenager-Sohn. „Willkommen in meinem Leben“, begrüßt der coole Vince zum Auftakt fröhlich das Publikum und zieht die Zuschauer grinsend ins Vertrauen. Ganz so entspannt, wie es zunächst scheint, läuft sein Leben freilich nicht. Mit offener Homophobie und latentem Rassismus sieht sich der schwarze Student fast täglich konfrontiert. Die Ansprüche des neuen Lovers sorgen für ungeahnte Beziehungsprobleme. Derweil er sich auch noch ständig den chronischen Liebeskummer seines besten Freundes Levi anhören muss. Während die Figuren sich oft im Klischeegestrüpp verheddern und der Dramaturgie nicht selten die Puste ausgeht, können die Dialoge durchaus mit Comedy-Potenzial punkten. Ob bewusst läppisch à la: „Kaum gibt man dir den kleinen Finger, nimmst du gleich den ganzen Schwanz“. Oder ziemlich gekonnt mit: „Ich bin doch nur ein Junge, der vor einem Jungen steht, und ihn bittet, ihn zu lieben!“ – „Hast du gerade Notting Hill zitiert?“.

Als großer Pluspunkt erweist sich Hauptdarsteller Benito Bause, der mit charismatischer Lässigkeit den coolen Lover mit sensiblem Kern gibt. Von der routinierten queerness britischer Serien ist der deutsche Anfänger naturgemäß meilenweit entfernt. Doch das Debüt gelingt, und eine Fortsetzung wäre da absolut fällig. Vielleicht sogar vor Mitternacht…