In vier Filmen von Ridley Scott – „Alien“, „Blade Runner“, „Prometheus“ und „Alien: Covenant“ – spielen künstliche Menschen und zumeist auch ihre Schöpfer tragende Rollen. Von Androiden und Tycoons, Kreation und Zerstörung.
„Alien“ (1979): Homo homini lupus
Scotts Durchbruchsfilm Alien (Drehbuch: Dan O’Bannon, Ronald Shusett), einer der besten Hybride aus Sci-Fi und Horror, wurde im Laufe der Jahre vielfältigen Interpretationen unterzogen, sei es hinsichtlich der Sexualmetaphorik, sei es in Bezug auf die Angst vor dem Unbewussten. Dazu trug maßgeblich die von H. R. Giger geschaffene „biomechanoide“ Kreatur bei, die als „Facehugger“ zunächst einen Wirtskörper schwängert, um schließlich brutal aus diesem hervorzubrechen: Die rasant wachsende Kreatur mit dem säureartigen Blut ist dabei ebenso furchteinflößend wie gnadenlos. Während das Alien selbst für Spannung und Überraschungsmomente an Bord des Raumschiffs Nostromo (ein Erzfrachter, dessen Zentralcomputer passenderweise MU-TH-UR, also „Mother“, heißt) sorgt, gibt es im Film einen Twist, der es ebenfalls in sich hat und den Wissenschaftsoffizier Ash (Ian Holm) betrifft: Nachdem dieser wiederholt gegen das Protokoll verstoßen hat, um die fremde Kreatur entgegen aller Quarantänevorschriften an Bord zu bringen und es dadurch bereits zu Todesfällen unter den Besatzungsmitgliedern kam, verliert er im Kampf mit der Crew wortwörtlich den Kopf. Statt Blut fließt jedoch eine milchige Flüssigkeit und in Ashs Innerem befinden sich Kabel statt Sehnen. Bei Ash handelt es sich um einen Androiden (in der Alien-Reihe werden außerdem Begriffe wie „synthetics“, „robots“ oder „artificial persons“ verwendet), der rein äußerlich nicht von einem Menschen zu unterscheiden ist. Da man das Jahr 2122 schreibt, ist die Crew auch nicht über die Existenz eines Kunstmenschen an sich überrascht, sondern nur vom Umstand, dass man ihr einen Spion untergejubelt hat. „Man“ ist dabei ein gigantisches Unternehmen, das von der Nostromo-Besatzung immer nur „the company“ genannt wird (auf einem Monitor und einer Bierdose ist der Name als Weylan Yutani ersichtlich; in James Camerons Sequel Aliens aus dem Jahr 1986 wurde aus Weylan dann Weyland).
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Crewmitglied Ripley (Sigourney Weaver) mutmaßt, dass Ash von der Rüstungs-Division des Unternehmens beauftragt wurde, das Alien („Xenomorph“) als mögliche Bio-Waffe sicherzustellen. Ash, dessen Kopf kurzfristig wieder zum Leben erweckt wird, bestätigt dies: Die fremde Lebensform zur Erde zurückzubringen, sei die oberste Priorität gewesen. Als Parker fragt, was denn mit den Leben der Crew sei, wiederholt Ash: „All other priorities are rescinded.“ Und er drückt seine Bewunderung für das Alien aus: „Perfect organism. Its structural perfection is matched only by its hostility. (…) I admire its purity.“ Der Überlebenswille des Aliens, so Ash weiter, sei nicht durch Gewissen, Mitleid oder Moral getrübt. Es scheint, als würde Ash hinsichtlich der letzten Punkte auch über sich selbst sprechen: Ohne zu zögern hat er seinen Auftrag ausgeführt, die Leben der Crew gefährdet, weil „the company“ das so wollte. Doch dann fügt er angesichts der Frage, wie die Chancen stünden, gegen die Kreatur zu bestehen, noch lächelnd hinzu: „I can’t lie about your chances. But you have my sympathies.“ Diese letzten Worte machen Ash noch ambivalenter: Macht er sich, wissend, dass er verloren hat, noch über die anderen lustig? Meint er es gar ernst? Oder ist er eine (nun auch wörtlich) zerrissene Figur, die nicht anders kann, als die Befehle des Unternehmens auszuführen, während in seinem System doch so etwas wie Mitgefühl vorhanden ist? Dies bleibt in der Schwebe, nicht zuletzt dank Ian Holm (bis dahin als Theaterschauspieler bekannt), der besagte Ambivalenz mit einer minimalen, aber dennoch nuancierten Performance zum Ausdruck bringt. Programmiert wurde Ash jedenfalls von einem skrupellosen Unternehmen, das sich nicht um Menschenleben schert (passend dazu sind die Crewmitglieder als „blue collar worker“ skizziert). Das „corporate tool“ Ash gibt also Anstoß zur Frage, wer denn nun das größere Monster ist: das Alien oder der Homo oeconomicus. Wer weiß, vielleicht ist das furchterregendste Ungeheuer am Ende doch jenes, das nicht von uns zu unterscheiden ist.
„Prometheus“ (2012) & „Alien: Covenant“ (2017): Die Hybris der Schöpfer
Die komplexeste Figur in diesen beiden Filmen ist zweifellos der Android David (Michael Fassbender spielt ihn ebenso faszinierend wie creepy), der besonders in der Prometheus-Promotion prominent vertreten war. Für das erste Alien-Prequel wurde etwa ein Werbevideo der Weyland Corporation gedreht, in dem die auf dem Prototypen basierende Modellreihe David 8 vorgestellt wurde. „What is it about robots that makes them so robotic?“, fragt David da gleich selbst zu Beginn (das aus dem Slawischen kommende Wort „Roboter“ bezeichnet übrigens Fronarbeit). Und auf die Frage, was er könne, antwortet er: „I can do almost anything that can possibly be asked of me. (…) I can carry out directives that my human counterparts might find … distressing or unethical. I can blend in with your work force effortlessly.“ Genau das also, was Ash in Alien tat.
Unternehmensgründer Peter Weyland (Guy Pearce), der auch eine entfremdete Tochter (Charlize Theron) hat, sieht David als seinen Ersatzsohn und stellt sich dem frisch geschaffenen Androiden in Alien: Covenant auch ganz direkt als sein Vater vor. Zu Weyland wurde ebenfalls ein Promo-Video gedreht, nämlich ein TED-Talk, in dem dieser über die Evolution der Menschheit sinniert und angesichts der Kreation künstlicher Menschen mit den Worten schließt: „We are the gods now.“ Damit spricht Weyland selbst das Thema Gottkomplex an, das im weiteren Verlauf der Prometheus-Handlung (das Drehbuch stammt von Jon Spaihts und Damon Lindelof, Scott gab immer wieder Input) sowie nochmals verstärkt in Alien: Covenant (Buch: John Logan, Dante Harper) aufgegriffen wird.
Dass der Mann durchaus etwas kann, zeigt die fiktive Biografie Weylands: So hat der zweifache Nobelpreisträger neben der Erschaffung von Androiden mit künstlicher Intelligenz unter anderem zur Heilung von Krebs beigetragen und Raumfahrt mit Überlichtgeschwindigkeit ermöglicht; auch die berühmten Hyperschlafkammern stammen von Weyland Industries. Zudem fand er eine Möglichkeit, Zellalterung zu verlangsamen. All diese Potenziale und Errungenschaften zusammengenommen führten schließlich zum großen Traum der Unsterblichkeit, den sich der steinalte Weyland in Prometheus erfüllen will: Heimlich reist er im Jahr 2091 mit einem Wissenschaftsteam zum fernen Mond LV-223, auf dem sich Spuren außerirdischen Lebens finden. Dort gibt es zwar auch primitives Leben, für Weyland relevant sind aber die „Engineers“ – ein humanoides, muskulöses Volk mit marmorartiger Haut, das vor Jahrtausenden die Menschheit erschuf, diese aber als inferior empfindet und nun wieder auslöschen will. Auch der Homo sapiens ist im Alien-Universum eine Kreation unter anderen.
Vor der Konfrontation mit einer dieser Schöpferfiguren infiziert David noch mehrere Crewmitglieder mit einer mysteriösen schwarzen Flüssigkeit der Engineers, die sowohl zu Mutationen führen als auch ganze Völker auslöschen kann. Hier passiert zunächst Ersteres – mit tödlichen Konsequenzen für mehrere Crewmitglieder. Als man einem Engineer begegnet (er ist mit einem Raumschiff auf LV-223 gelandet, der Rest der Besatzung wurde bei einem mysteriösen Unfall getötet), will Weyland mit diesem kommunizieren, wobei David als Dolmetscher fungiert. Der Engineer reißt David jedoch den Kopf ab – eine Parallele zu Alien – und erschlägt Weyland damit. Deleted Scenes (ob man auf diese zurückgreifen möchte, sei dem Rezipienten überlassen; das wahrscheinliche Ausbleiben eines Abschlussfilms könnte eher dafür sprechen) zeichnen ein klareres Motiv als die Kinofassung: Der Engineer verachtet Weyland für seinen Wunsch, unsterblich zu werden, denn offenbar gehört der Kreislauf von Entstehung, Vergehen und Wiedergeburt zur Engineer-Kultur. Aus einem Tentakel-Monster, das eine von David kontaminierte Wissenschafterin gebar, und das seinerseits wieder den Engineer schwängert, entsteht schließlich eine Alien-artige Kreatur – eine weitere Variante des Schöpfungsmotivs, das der Film umkreist.
Die Hybris des Schöpfers Weyland spiegelt sich jedenfalls immer deutlicher in seiner Kreation David wider. In Covenant (Davids Kopf wurde wieder mit dem Körper vereint) tötet David die Engineers, indem er die schwarze Flüssigkeit in der Atmosphäre ihres Heimatplaneten freilässt. Dazu passt, dass sich David seinen Namen in Anspielung auf Michelangelos „David“ selbst gab: So wie die biblische Figur den Riesen Goliath tötete, so begeht David einen Genozid am riesenhaften Volk.
Eine Sache sprach Weyland David ab: die Seele. Das Verhalten des Androiden, der nun selbst Aliens züchtet und so zum Schöpfer wird, lässt sich auch als Rebellion gegen diese Behauptung verstehen – sowie als Demonstration seiner Überlegenheit. „My name is Ozymandias, king of kings / Look on my works, ye Mighty, and despair!“, zitiert er Shelley. Und bereits in Prometheus sagt er: „Sometimes to create, one must first destroy.“
Als Gegenbild zum größenwahnsinnigen David (dem unter anderem die Figur des T. E. Lawrence als „role model“ dient) fungiert in Covenant die Figur des Androiden Walter (ebenfalls Fassbender), ein weiterentwickeltes Modell, das Menschen nicht mehr schaden kann, dafür aber auch weniger brillant und kreativ ist (ähnlich dem guten Androiden Bishop aus Camerons Aliens).
Mit einer Kolonie tiefgefrorener Menschen und Facehugger-Embryonen bricht David schließlich wieder in den Weltraum auf, das Ende bleibt offen. Aktuell sieht es so aus, als würde es aufgrund des schlechten Einspielergebnisses und der verhaltenen Reaktionen von Fans und Kritik keinen abschließenden Teil unter Scotts Regie mehr geben (das Projekt wurde seinerzeit als Alien: Awakening angekündigt, gilt aber als eingestellt). Vielleicht ist das aber auch gar nicht mal so schlecht: Denn ikonischen Figuren und Kreaturen sollte man zumindest noch einen kleinen Rest an Geheimnis lassen. All die Star Wars-Prequels und Stories haben bereits genug popkulturelle Fantasie vernichtet.
„Blade Runner“ (1982): Das Rote im Auge
Hand aufs Herz – sehr viel Neues werden sie über Blade Runner hier nicht zu lesen bekommen, dazu ist über diese lose Philip-K.-Dick-Adaption (Drehbuch: Hampton Fancher und David Peoples) schon zu viel geschrieben worden. Also zum Wesentlichen: „Was macht den Menschen zum Menschen?“, diese Frage zieht sich durch den Noir um den ehemaligen Polizisten Rick Deckard (Harrison Ford), der im Los Angeles des Jahres 2019 eine Gruppe künstlicher Menschen (die Replikanten bestehen, anders als die Alien-Androiden, gesamtheitlich aus organischem Material), die sich illegal auf der Erde aufhält, aus dem Verkehr ziehen soll. Die eine oder andere Parallele sollte nach den obigen Texten bereits zum Vorschein gekommen sein: Etwa der Konflikt zwischen Schöpfer (hier wie da ein Mix aus Wissenschaftsgenie und gottgleichem Tycoon) und Geschöpf (der von Rutger Hauer brillant zwischen Kind und Übermensch angelegte Replikant Roy), wenngleich ein bisschen verschoben: Während sich Weyland in Prometheus vergeblich Unsterblichkeit vom Engineer erhofft, ist es in Blade Runner Roy, der Tyrell vergeblich um Verlängerung seines Lebens (Tyrell setzte ein Ablaufdatum von vier Jahren fest) bittet. Findet in Prometheus ein „Kindsmord“ statt, geht in Blade Runner ein Vatermord über die Bühne. Fügen sich die meisten Generationen der Alien-Androiden gewöhnlich ihren Programmen, so rebellieren die Replikanten, die als Sklaven, Soldaten und Lustobjekte in Weltraumkolonien eingesetzt wurden; Fragen nach dem sogenannten „freien Willen“ tun sich auf.
Ist Roy, David und Ash bewusst, dass sie artifizielle Menschen sind, so wurde die Figur der Replikantin Rachael (Sean Young) in Blade Runner mit künstlichen Erinnerungen ausgestattet: „Es“ weiß nicht, was „es“ ist – macht dies Rachael zum Menschen? Sind diejenigen gefährlicher, die wissen, wer (oder was) sie sind oder diejenigen, die dies nicht wissen? Und dann ist da noch die „Selbstopferung“ Roys (der seinem Jäger Deckard das Leben rettet) am Ende: „Menschlicher als der Mensch“, das Motto der Tyrell Corporation könnte man hier wörtlich nehmen.
In künstlerischer Hinsicht besonders bemerkenswert an Blade Runner (neben dem absolut grandiosen Production Design, eine der großen Qualitäten Scotts) ist der Einsatz des Augenmotivs: Da gibt es einerseits den Voight-Kampff-Test, der in Kombination mit einem Fragenkatalog die Veränderungen der Pupille misst und so Menschen von Replikanten unterscheiden kann. Aber auch die rötliche Reflexion im Auge, die sich durch den Film zieht, ist ein Hinweis auf Replikantenstatus. Die kontroverse Frage, ob Deckard selbst ein Replikant sei, wurde nach Fandebatten in den achtziger und neunziger Jahren von Scott (und diversen Schnittfassungen) schon vor vielen Jahren mit einem eindeutigen Ja beantwortet. Fast ein bisschen schade um diese Ambivalenz, der Film bleibt aber natürlich trotzdem eines der ganz großen Science-Fiction-Meisterwerke.
Wer sich für Komparatistik interessiert, könnte vor oder nach dem Sehen von Blade Runner wieder einmal zu E. T. A. Hoffmanns Erzählung „Der Sandmann“ (1816; ein Fest für Interpreten und Psychoanalytiker) greifen, in der das Augenmotiv gleichfalls virtuos verarbeitet ist – nicht zuletzt hinsichtlich der Olimpia, in die sich Protagonist Nathaniel verliebt und die sich schließlich als Automat entpuppt. Die Augen als Fenster zur Seele, als Indiz des Menschlichen (oder auch: Unmenschlichen, Nicht-menschlichen): Sowohl Scott als auch Hoffmann haben dafür grandiose Ausdrucksweisen gefunden.