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Army of Thieves

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Army of Thieves

| Pamela Jahn |
Zack Snyder setzt seine aktuelle Zombie-Franchise fort, auch wenn die lebenden Toten sich im Prequel eher rar machen. Ein Gespräch über Genres, die Zusammenarbeit mit seinem Hauptdarsteller und Regisseur Matthias Schweighöfer, und über Filme, die ihrer Zeit voraus sind.

Zack Snyder hat ein Faible für Zombies und Superhelden. Seit seinem Spielfilmdebüt Dawn of the Dead (2004), einer Neuverfilmung des Kultklassikers von George A. Romero, wechselt er zwischen Untoten und Überfliegern, Apokalypse und DC-Universum wie kein anderer. Erst im Mai dieses Jahres erschien mit Amy of the Dead (2021) sein jüngstes Horror-Heist-Abenteuer – eine überdrehte Mischung aus Zombieinvasion und Ocean’s Eleven für Freaks und Sonderlinge. „Mein Ziel war es“, erklärte Snyder damals, „auf mehr hinzuweisen als das, was man auf den ersten Blick sieht – nämlich auf Gier und Ausgrenzung, den Umgang mit Flüchtlingen, das Errichten von Mauern und auf den Ausbruch einer Pandemie.“

Mit von der Partie in Amy of the Dead war Matthias Schweighöfer in der Rolle des Tresorknackers Dieter, ein Supernerd mit einem Händchen für anspruchsvolle Kombinationsschlösser. In dem ebenfalls von Neflix produzierten Prequel Army of Thieves rückt der 40-jährige Deutsche jetzt nicht nur in den Mittelpunkt der Geschehens, sondern hat auch die Regie übernommen. Snyder selbst steht als Drehbuchautor und Produzent jedoch weiterhin als leitende Instanz hinter dem Projekt. Es geht um die Vorgeschichte von Dieter, Wagners „Götterdämmerung“, einen Raubzug und eine Romanze – aber auch hier rückt ab und zu der eine oder andere Untote ins Bild.

 

Mr Snyder, was hat es mit Ihrer Faszination für Richard Wagners Ring-Zyklus auf sich?
Zack Snyder: Meine Einführung in Wagners Musik war Apocalypse Now, als ich diesen wahnsinnigen „Walkürenritt“ zum ersten Mal hörte. Ich dachte damals nur: Was um alles in der Welt ist das? Davon abgesehen, würde ich meine Beziehung zu Wagners Kompositionen eher musikalisch entspannt beschreiben. Aber ich habe einen Freund, der Opernwissenschaftler ist und sich intensiv mit der skandinavischen Mythologie auseinandersetzt. Vieles von dem, was er mir über die mythologischen Wurzeln von Wagners Werk erzählte, ist schließlich in unseren Film miteingeflossen. Trotzdem muss ich zugegeben, dass ich es bisher noch nicht geschafft habe, den ganzen monumentalen „Ring“-Zyklus anzuhören. Das ist ja eine Art Marathon für sich. Dafür fehlte mir bisher die richtige Gelegenheit.

Wie sind Sie beim Casting für „Army of the Dead“ zum ersten Mal auf Matthias Schweighöfer aufmerksam geworden?
Er war mir als Schauspieler bekannt, aber ich hatte zunächst keine Ahnung, wie beliebt er in Deutschland ist. Dann wurde mir gesagt, dass er eine Aufnahme schicken würde, um für die Rolle von Dieter in Army of the Dead vorzusprechen. Ich dachte, wahrscheinlich ist er ein zu großer Star für eine so kleine Rolle. Aber als ich gesehen habe, was er mit der Figur macht, stand für mich fest, dass es keinen besseren Dieter gibt.

Es gibt eine bestimmte Gruppe von deutschen Schauspielern, die immer wieder in Hollywood-Produktionen auftauchen. Matthias Schweighöfer gehörte bisher nicht dazu.
Ich will Hollywood keineswegs verurteilen, aber oft werden deutsche Schauspieler gecastet, die das verkörpern, was wir als „deutsch“ definieren. Dazu gehört eine gewisse Geradlinigkeit und oft auch eine Härte und Entschlossenheit. Und Matthias ist das komplette Gegenteil. Er hat eine Unschuld und Liebenswürdigkeit an sich, die nicht nur die Rolle beflügelten, sondern auch die Zusammenarbeit mit ihm unheimlich angenehm machten. Ich denke, der Film ist eine gute Gelegenheit für ihn, mit ein paar Klischees aufzuräumen, die den Deutschen im Ausland bis heute oft anlasten.

Sie fungieren diesmal ausschließlich als Produzent und Drehbuchschreiber. Was hat Sie dazu bewogen, auch die Regie an Matthias Schweighöfer abzugeben?
Wir haben insgesamt eine sehr internationale Besetzung für den Film gewählt. Und es ging uns darum, die Herkunft der verschiedenen Charaktere zu beleuchten. Das originale Konzept für den Film sah vor, dass wir komplett in Deutschland drehen würden, mit größtenteils deutschen Dialogen. Da wurde mir relativ schnell klar, dass es wenig Sinn macht, wenn ich Regie führen würde. Matthias hatte Lust dazu, und so mussten wir nicht lange überlegen. Zwar wurde schließlich doch ein Film auf Englisch daraus. Aber wir waren am Ende selber überrascht, dass wir dieses Level erreicht haben. Eigentlich sollte es nur ein kleiner Film für den deutschen Markt werden, und plötzlich hatten wie eine riesige Netflix-Produktion in der Tasche. Da war es logisch, dass Matthias viel besser als Regisseur geeignet war, allein weil wir quasi vor seiner Haustür gedreht haben und er sich viel besser auf den Sets auskannte. So ein Glück hat man nicht immer.

Die Art und Weise, wie im Film das Knacken von Tresoren dargestellt ist, hat neben all den Wagner-Mythen und Referenzen etwas sehr Sinnliches, fast schon etwas Erotisches. War das eine bewusste Entscheidung?
Ja, auf jeden Fall. Wir wollten von vornherein eine sinnliche Erfahrung schaffen. Wie Dieter mit der Hand über die Außenfläche der Tresore streicht, oder sein Ohr daranlegt. Wenn man es sich recht überlegt, ist ein Safeknacker der perfekte Liebhaber: Er muss aufnahmefähig sein, extrem gut zuhören können, intuitiv handeln und alles richtig machen, ohne Fragen zu stellen.

Die „Army of the Dead“-Franchise ist ein Projekt, das Ihnen ganz besonders am Herzen zu liegen scheint. Warum?
Es ist unheimlich schwer, heutzutage etwas komplett Eigenes zu schaffen. Wenn nicht wenigstens ein Comicbuch oder ein Videospiel dahinterstehen, befindet man sich automatisch in einer schwierigen Position. Und für mich ist das Projekt eine einmalige Gelegenheit, verschiedene Genres zu kombinieren, sie auf den Kopf zu stellen, damit zu spielen und auf verschiedene Formate zu übertragen. Und ich hoffe sehr, dass demnächst auch ein Sequel zu Army of the Dead zustande kommt, in dem wir ein weiteres genresprengendes Universum schaffen können.

Woher rührt Ihre Leidenschaft für Zombies?
Ich weiß es ehrlich gesagt nicht genau. Ich bin nicht weiter an Zombies interessiert, als dass sie ein hervorragendes filmisches Ausdrucksmittel liefern, eine Metapher. Seltsamerweise scheinen wir das Konzept als völlig normal akzeptiert zu haben, dass die Toten wiederauferstehen, frei herumlaufen und sich über Blutsaugen und andere Grausamkeiten selbst erhalten. Und wir alle kennen die Regeln. Wir wissen genau, was passiert, wenn wir von einem Zombie gebissen werden. Warum ist das so? Es steckt mittlerweile tief in unserer DNA, unserer Kultur, und davon bin ich fasziniert. Man muss sich nur den Erfolg einer Serie wie The Walking Dead anschauen. Da kommen hunderte von Fernsehstunden zusammen. Also scheint etwas dran zu sein an der Sache, sonst könnte man kaum erklären, warum die Leute so verrückt danach sind. Und diese allgemeine Begeisterung finde ich spannend.

Abgesehen von den Zombies nehmen Superhelden einen wichtigen Platz in Ihrer Filmografie ein. Gibt es Parallelen zwischen beiden Genres?
Ja, unbedingt. Zombies und Superhelden sind jeweils so sehr im Genrekino verwurzelt, dass es quasi automatisch zu Überschneidungen und Parallelen führt. Es gibt Zombie-Batman und Zombie-Superman. Und wenn mich nicht alles täuscht, gibt es sogar ein Star-Wars-Buch, „Death Troopers“, in dem ein ganzer Sternenzerstörer von Zombies überrannt wird, die dann alle zu Stormtrooper-Zombies werden. Es ist schon verrückt, aber Zombies scheinen vor nichts und niemandem Halt zu machen. Sie sind überall.

Ihre Filme polarisieren oft und gerne. Liegt es daran, dass Sie nicht von Ihren Visionen abrücken, wenn Sie sich etwas in den Kopf gesetzt haben?
Ja, vielleicht. Aber ich denke auch, dass sich in den letzten fünf, sechs Jahren etwas bewegt hat. Der Zuspruch von der Fangemeinde hat sich deutlich verstärkt. Es scheint ein größeres Verständnis dafür zu herrschen, was ich mit meinen Arbeiten erreichen möchte, dass ich Grenzen auszuloten versuche, um andere Perspektive freizulegen und dem Ganzen ein eigenes Potential zu verleihen, das weit über den gewöhnlichen Unterhaltungswert von Genrefilmen hinausgeht. Es geht darum, mythologische Beziehungen zwischen uns und den Superhelden herzustellen. Aber ich versuche dabei immer auch selbstkritisch zu bleiben und den Bezug zum Hier und Heute nicht aus den Augen zu verlieren. Und das scheint neuerdings in der Kultur auf größere Resonanz zu stoßen.

Haben Sie das Gefühl, Ihre Filme seien manchmal ihrer Zeit voraus?
Watchmen ist das perfekte Beispiel dafür. Wenn der Film heute rauskäme, würden alle sofort verstehen, was wir damit zum Ausdruck bringen wollten. Heute gibt es so tolle Serien wie The Boys oder die Watchmen-TV-Show, weil sich die Menschen mehr darüber bewusst sind, wie viel das Superhelden-Genre über uns selber aussagt. Und Alan Moore, der Urvater von „Watchmen“, war in der Hinsicht seiner Zeit meilenweit voraus. Er hat Comicbücher dekonstruiert, ohne zu wissen, dass diese eines Tages zum Popkultur-Phänomen aufsteigen würden. Und wenn man sich Watchmen heute anschaut, sieht man die Bilder viel deutlicher sprechen als noch vor zwölf Jahren.

Ihre Frau Deborah produziert in der Regel Ihre Filme. Bei „Army of Thieves“ waren Sie gemeinsam als Produzenten tätig. Was ist der beste Rat, den Sie als Regisseur jemals von ihr bekommen haben?
Das ist schwer zu sagen. Sie gibt mir jeden Tag so viele Ratschläge, dass es mir unmöglich scheint, mich auf einen festzulegen. Das Tolle an meiner Frau ist, dass sie aufs Brutalste ehrlich ist und nicht mit ihrer Meinung hinter dem Berg hält, wenn ihr etwas nicht gefällt. Sie ist eine viel bessere Produzentin als ich es jemals sein werde. Aber das Wichtigste, was ich von ihr gelernt habe, ist es vielleicht, Sachen nicht aufzuschieben. Ich zögere manchmal ganz gerne oder warte die Dinge lieber ab. Aber mit ihr geht das nicht. Egal wo wir sind, ob zu Hause, im Urlaub oder am Set. Alles muss immer sofort passieren. Und das ist ein extrem guter Lernprozess für jemanden wie mich, der gerne ein bisschen zu lange nachdenkt. Bei ihr gibt es das nicht. Bei ihr gibt es nur jetzt, sofort und gleich!