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Bab´aziz / Bab´aziz

Bab´aziz / Bab´aziz

| Verena Teissl |

In seinem jüngsten Film setzt der tunesische Regisseur Nacer Khemir nach längerer Pause seine bildstarke Fabulierkunst fort. Wieder ist es die Wüste, die ihm Inspiration verleiht und den passenden Raum für seine farbintensiven Choreografien bietet.

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Gemeinsam mit seiner kleinen Enkelin Ishtar durchquert der erblindete Derwisch Bab’Aziz die Wüste auf dem Weg zu einer großen Derwisch-Versammlung. Auf ihrem Weg begegnen sie Menschen auf der Suche, erzählen und hören wundersame Geschichten von Liebe, Selbstfindung und Lebensaufgaben: Vom Prinzen, der seine Seele zu schauen versucht, von Osman, der sich nach einem Mädchen verzehrt, das er auf dem Grunde eines Brunnens erblickt, oder von Zaid, der mit seinem Gesang eine Frau verführt und wieder verloren hat…

Nacer Khemir ist innerhalb der tunesischen Filmkunst ein eigenwilliger Einzelgänger. Während sich die meisten Vertreter des jüngeren tunesischen Autorenkinos, wie Moufida Tlatli und Nouri Bouizid, mit Gesellschaftskritik beschäftigen, wurzelt Khemirs Filmschaffen in den vielfältigen Traditionen der arabischen Kultur- und Kunstgeschichte sowie der Mystik: In der oralen Erzählkunst, wie in seinem Erstlingsfilm Die Wanderer der Wüste (1986), in der Kalligraphie, wie in Das Halsband der verlorenen Taube (1991). Nun wendet er sich in Bab’Aziz der traditionellen Erzählkunst und dem Sufismus zu. Khemir ist dabei ganz Geschichtenerzähler auf eine Art, wie man es in Europa in der Tradition der Märchenerzähler kannte und wie es heute in manchen arabischen Ländern noch in Form von „Kaffeehauserzählern“ praktiziert wird. Wie der Marsch durch die Wüste das eigentliche Ziel der Protagonisten ist – der Ort der Versammlung ist niemandem bekannt, jene, die hinfinden, finden ihn mit dem Herzen – so gibt Khemir auch dem Geschichtenerzählen die Bedeutung einer Fortbewegung, hin zu Selbsterkenntnis und zur mystischen Vereinigung mit Gott (oder jedem anderen höheren Wesen einer Religion).

Die makellose Schönheit der Bilder, die verständnisvolle Freundlichkeit der Protagonisten, die Sanftheit der Wüste, die wie ein fantastischer Sandgarten erscheint, sind Teil eines märchenhaften Konzeptes. Bab’Aziz hat, abgesehen von seiner starken Ästethisierung, etwas fast Kindliches. Von einer völkerverständigenden Wirkung angesichts der Konflikte zwischen Morgen- und Abendland zu sprechen, wäre aber eher ein Indiz für das Bemühen, in Filmen Botschaften sehen zu wollen. Bab’Aziz huldigt in erster Linie der Schönheit, bedient sogar ein veraltetes Klischee des „Orientalischen“, ist völlig zeitlos. Wer sich gerne in eine Welt aus verschlungenen Geschichten entführen lässt, wird von Nacer Khemirs Bab’Aziz nicht enttäuscht sein.