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Beautiful Boy

Filmkritik

Beautiful Boy

| Jörg Schiffauer |

Die Drogenabhängigkeit eines jungen Mannes wird eine schwere Prüfung für seine gesamte Familie.

David Sheff (Steve Carell) kann in der Tat mit seinem Leben zufrieden sein. Beruflich ist er ein sehr gefragter Journalist, der für so renommierte Publikationen wie die „New York Times“ und „Rolling Stone“ schreibt, die Beziehung mit seiner Frau Karen (Maura Tierney) verläuft harmonisch, zwei reizende kleine Kinder komplettieren die Familie. Auch das Verhältnis zu seinem Sohn aus erster Ehe, Nic (Timothée Chalamet), der sich anschickt, aufs College zu gehen, ist ausgesprochen vertraut. Doch eines Tages ist Nic plötzlich verschwunden, als der junge Mann zwei Tage später wieder auftaucht, sieht sich David damit konfrontiert, dass sein Sohn ein veritables Drogenproblem hat. Natürlich ist David sofort bereit, Nic alle nur erdenkliche Hilfe, sowohl emotionaler Natur als auch in therapeutischer Hinsicht, zukommen zu lassen – wer, wenn nicht diese aufgeschlossene Familie mit ihrem liberalen Background, könnte jene Unterstützung geben, die jemand braucht, um seine Sucht zu überwinden. Doch ungeachtet dessen stellt sich schon bald jener verhängnisvolle Kreislauf aus anfänglichen Therapieerfolgen, Hoffnungen, Rückfällen und immer wieder gebrochenen Versprechungen ein, der beinahe unweigerlich zu dieser Krankheit dazugehört.

Mit dem Oscar-nominierten The Broken Circle Breakdown, in dessen Mittelpunkt ein Ehepaar steht, das den Krebstod der kleinen Tochter verkraften muss, konnte der belgische Regisseur Felix van Groeningen auch international auf sich aufmerksam machen. Seine erste englischsprachige Regiearbeit, die auf dem autobiographischen Bestseller David Sheffs basiert, behandelt erneut ein emotional aufwühlendes Sujet, das seine Protagonisten an die Grenzen ihrer Belastbarkeit bringt. Und van Groeningen setzt dabei wiederum auf eine nicht-chronologische Erzählweise, die sich einer präzisen Struktur aus Vor- und Rückblenden bedient. Den wiederkehrenden Rückschlägen bei Nics Versuchen, seine Sucht in den Griff zu bekommen, und die daraus resultierenden Spannungen innerhalb der Familie kontrastiert die Inszenierung mit Flashbacks, die David an unbeschwerte, glückliche Tage mit seinem Sohn erinnern – Reminiszenzen, die ungeachtet aller Schmerzlichkeiten auch dann Kraft geben, als David erkennen muss, dass er Nic nicht helfen kann. Felix van Groeningen versteht es, emotional aufgeladene Stoffe dramaturgisch mit einem Maximum an Wirkung aufzubereiten ohne dabei jedoch in Richtung billiger Melodramatik abzudriften. Geschuldet ist das auch Steve Carell, der durch sein klug zurückgenommenes Spiel nie falsches Pathos oder Sentimentalität aufkommen lässt und gerade dadurch den Leidensdruck seiner Figur zu verdeutlichen versteht.