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Sommerkinos

Bestens belüftet: Sommerkino 2020 in Wien

| Jakob Dibold |
Das Land steht nicht mehr still. Ein Sommer voller Filmprogramme erwartet Filmliebhaberinnen und Filmliebhaber mit offenen Armen. Ein kleiner Überblick.

 

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Österreichisches Filmmuseum: Erinnerung an die Essenz

Ungewöhnliche Zeiten bringen ungewöhnliche Ereignisse mit sich: Erstmals wird das Österreichische Filmmuseum im Sommer seine Pforten öffnen: Von 2. Juli bis 16. August zeigt man dort die schönsten Kopien aus der eigenen Filmsammlung auf der großen Leinwand und im angenehm kühlen Ambiente. Für das Sommerkino schöpft das Filmmuseum zur Gänze aus dem Archiv und stellt 28 Filmprogramme zusammen, die jeweils von Donnerstag bis Sonntag im „Unsichtbaren Kino“ zu sehen sein werden: von einer raren Kopie von Dziga Vertovs Der Mann mit der Kamera aus dem Jahr 1929 über Vittorio De Sicas neorealistisches Meisterwerk Umberto D. (1952) und Howard Hawks’ herrlichem Technicolor-Musical Gentlemen Prefer Blondes (1953) bis zu Touki Bouki (1973), Djibril Diop Mambétys Pionierfilm des afrikanischen Autorenkinos und Claire Denis’ zeitlos verblüffender Militär-Choreografie Beau Travail (1999). Neben solchen kanonischen Klassikern des Spiel- und Dokumentarfilms wird unter anderem auch der im April verstorbene große US-Avantgardefilmer Bruce Baillie mit einem Double Feature gewürdigt. Mit diesem Programm will das Filmmuseum zweierlei tun: Zum einen soll es auf die Vielfalt an Ausdrucksformen und Gattungen hinweisen, die diese Filmsammlung abbildet. Zum anderen ist Kino viel mehr als die Großprojektion eines Films in seinem Originalformat. Kino ist ein sozialer Ort, an dem kollektive Neugier und gemeinschaftliches Erleben zusammentreffen. Filmmuseen tragen – wie andere nicht-kommerzielle, am Gemeinwohl ausgerichtete und öffentlich geförderte Einrichtungen – dazu bei, in einer zunehmend von Privatisierung und Kommerzialisierung geprägten Welt die Idee eines “öffentlichen Raums” als reale Erfahrung aufrecht zu erhalten. Tickets für das Filmmuseum-Sommerkino – dank neuer Raumlüftung und angepasster Sicherheitsvorkehrungen bestens in die heurige Liste aufnehmbar – können über die Homepage oder telefonisch reserviert werden.

www.filmmuseum.at

 

Filmarchiv Austria: Wien wie noch nie

Das Filmarchiv Austria feiert die Rückkehr der bewegten Bilder in den öffentlichen Stadtraum. „Wien wie noch nie“ lautet der programmatische Titel für das Sommerkino 2020. Die Filmschau setzt auf den fruchtbaren Dialog zwischen analog und digital: In wunderbaren 35mm-Kopien aus dem eigenen Haus, präsentiert man Stadtfilme aus hundert Jahren – Open Air am Augartenspitz und im Metro Kinokulturhaus. Ergänzende und vertiefende Begleitprogramme werden im seit März erfolgreich etablierten Heimkino gezeigt. Zu sehen sind alte und neue Klassiker des Wien-Films wie Carol Reeds The Third Man (1948), Franz Novotnys Exit … Nur keine Panik (1980), Peter Patzaks Den Tüchtigen gehört die Welt (1980), Richard Linklaters Before Sunrise (1995) oder Barbara Alberts Nordrand (1999), aber auch Selteneres, wie Leo Tichats Die Verwundbaren (1967), Liliana Cavanis Il Portiere di Notte (1974), Hans Christof Stenzels Obszön – Der Fall Peter Herzl (1981) oder Goran Rebićs Jugofilm (1997). Kurzfilmprogramme („Rotes Wien“, „Saturn Filme“) ergänzen das umfangreiche Angebot.

www.filmarchiv.at

 

dotdotdot: Puppen, Porträts & Politika

Auch die elfte Ausgabe des internationalen Open-Air-Kurzfilmfestivals dotdotdot im Garten des Volkskundemuseums (5. Juli bis 25. August) muss zwar abgespeckt stattfinden, doch bei den Veranstalterinnen überwiegt die Freude: mit 24 (statt bisher 16) Spieltagen und einem Publikum von jeweils 100 Personen. Die cineastischen Weltreisen mit rund 120 handverlesenen Filmen aus 40 Ländern haben im lauschigsten Kinogarten der Stadt ihren Ausgangspunkt. Filmgespräche finden unter Einhaltung der empfohlenen Abstände bzw. via Skype statt. Eine Personale ist der aus Frankreich stammenden Filmkünstlerin Marie Losier gewidmet; es gibt zwei Abende mit zahlreichen ihrer kurzen auf 16mm gedrehten Künstler/innen-Porträts und Musikfilme und die Österreich-Premiere ihres jüngsten Films Felix in Wonderland über den Musiker und Komponisten Felix Kubin. Ein Schwerpunkt mit 43 Filmen trägt den Titel „Puppet Masters“ und rückt die spannendsten Kunstschaffenden in den Fokus, die aktuell den Puppentrickfilm in neue Höhen befördern. Zu Gast ist das Dokumentarfilmfestival ethnocineca, das aufgrund des kulturellen Lockdowns heuer nur reduziert und online stattfinden konnte. In der Reihe „Panorama“ widmen sich zehn thematische Programme dem Kino, wie wir zuletzt wohl am meisten vermisst haben: als sinnliche Erfahrung. Im Programm: Österreich- und Wien-Premieren herausragender aktueller Kurzfilmproduktionen.

www.dotdotdot.at

 

Cinema Paradiso: Kunterbunt in Barock

Von Anfang Juli bis Ende August wird das größte Open-Air-Kino Niederösterreichs die St. Pöltner Innenstadt beleben. Direkt vor dem Kino, im barocken Ambiente des Rathausplatzes, wird es an rund 60 Abenden nicht nur Filme (u.a. die Niederösterreich-Premiere von Johanna Moders Waren einmal Revoluzzer), sondern auch ausgezeichnetes Musik- und Kabarettprogramm geben, natürlich unter Einhaltung der gesetzlichen Auflagen: mit rund 300 Sitzplätzen, in einer etwas abgespeckten Version, ohne Tribüne. Als Weltpremiere präsentieren etwa Ernst Molden und Ursula Strauss am 5. Juli erstmals live vor Publikum ihr neues gemeinsames Album „Wüdnis“. Am 29. Juli kommt der „Tagebuchslam“ auf die große Bühne unter dem Sternenhimmel. Seit Jahren bei jedem Termin im Kino ausverkauft, steigt die lustige Reise zurück in die fremde und eigene Jugend erstmals im Open-Air-Kino.

www.cinema-paradiso.at

 

Open-Air-Kino beim Kesselhaus: Arthouse meets Hollywood in Krems

Von 2. bis 19. Juli kann nun auch das tra­ditionelle Open-Air-Kino auf dem wunder­schönen Gelände beim Kremser Kino im Kesselhaus stattfinden. Täglich um 21.15 bzw. 21.30 Uhr (zuvor jeweils im Kinosaal) werden Schätze aus dem gehobenen Art­house-Programm geboten, aber auch Hol­lywood (Joker, Bombshell, Knives Out) ist durchaus vertreten. Eröffnet wird am 2. Juli mit Kore-eda Hirokazus erstem französi­schen Film La Vérité, starbesetzt mit Ca­therine Deneuve, Juliette Binoche und Ethan Hawke. Am 9. Juli wird der kürzlich verstor­bene Schauspiel-Gigant Michel Piccoli mit einem seiner letzten großen Filme, Nanni Morettis Habemus Papam, gewürdigt.

www.kinoimkesselhaus.at

 

 VolxKino: Filme für alle

2020 startet das VolxKino etwas später (am 1. Juli), spielt dafür aber bis 18. September. Eröffnet wird am Jodok-Fink-Platz im 8. Bezirk. Danach tourt das VolxKino in seiner 31. Saison in bewährter Art durch Wien, mit einer breiten Auswahl an Spiel- und Dokumentarfilmen, meist ab­seits des Mainstream: von Parasite bis zu Jesus von Ottakring, vom surreal-rausch­haften Monos bis zu Under the Under­ground. Das VolxKino macht Kino dort, wo es sonst nicht ist: in Parkanlagen, zwischen Gemeindebauten, auf öffentlichen Plätzen und Märkten, am Gürtel oder am Stadtrand und wie immer bei freiem Eintritt.
www.volxkino.at

 

KINO AM DACH: Die Leinwand im Himmel

Über den Dächern der Stadt startete man schon am 18. Juni in den Freiluftkino-Sommer. Zu den Highlights hoch oben am Urban-Loritz-Platz zählen heuer noch der wahnwitzige Jojo Rabbit, Ken Loachs Drama Sorry We Missed You oder mit Lovecut eine exklusive Preview in Kooperation mit FM4. Das Programm wird noch laufend aktualisiert, Tickets gibt es heuer ausschließlich online.
www.kinoamdach.at

 

Frameout: Vielfalt im Innenhof
Lange war es ungewiss, doch auch das Frameout Open Air Cinema kann stattfinden. Von 17. Juli bis 5. September werden wieder wochenendlich die Höfe des Museumsquartiers – vor allem, aber nicht nur – mit Filmen bespielt. Das Team arbeitet derzeit noch an einem bunten Programm. Gemeinsam mit neuen und altbekannten Programmpartnerschaften werden spannende Initiativen und Kunstschaffende ins Zentrum des öffentlichen Wiener Kulturraums geholt.

www.frameout.at