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Bewegungen eines nahen Bergs

Filmkritik

Bewegungen eines nahen Bergs

| Jakob Dibold |
Das Große im Kleinen, das Poetische im Realen, die Welt in der Steiermark

Clifford Agu handelt mit Gebrauchtwagen oder deren noch weiterhin brauchbaren Einzelteilen. Während er sich am Metall zu schaffen macht, pfeift er zwar nicht vor Vergnügen, doch manchmal singt er leise gottespreisende Lieder vor sich hin. Am wertvollsten scheinen ihm bei aller Akribie trotzdem die Gespräche mit seinem Kollegen Magnus zu sein, der nicht nur wie ein Arbeitspartner, sondern auch wie ein Freund wirkt. Doch oft sehen wir Cliff einsam. Ist sein Mitstreiter noch da? Oder ist er fort, vielleicht zurück in der den beiden gemeinsamen Heimat Nigeria gar? Welche Zeit- und Raum-Ebenen vermengen sich hier überhaupt, entfalten sich da, lösen sich vor unseren Augen und Ohren auf, im Nirgendwo an der Autobahn nahe des Erzbergs?

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Es ist ein Spiel mit der Ewigkeit, das Sebastian Brameshuber veranstaltet, mit einer Ewigkeit, der so gar nichts von ihrer gewöhnlichen Begriffsschwere anhaftet, sondern im Gegenteil eher das Zeitlose als das Unendliche meint: Arbeitende Körper und Rituale des Alltags, in die mit allen Mitteln der Filmkunst Erinnerung und Antizipation eingewoben wird, prägen diese ungewöhnliche Mixtur aus nüchternem Dokument und poetischem Porträt. Die Legende des nahen Bergs mit seinen ewigen Eisenerz-Vorkommen wird von der Hauptfigur zweimal vorgetragen, einmal auf Deutsch und einmal in seiner Muttersprache Igbo – sie erzählt von dem Wassermann, der den Leuten, die ihn gefangen hatten, für seine Freilassung immerwährendes Eisenvorkommen versprach, und nach dem erfolgreichen Deal sofort wieder blitzartig in seiner Grotte verschwindet. Vielleicht ist es genau diese Spannung zwischen Ewig- und Flüchtigkeit, die auch den Film zusammenhält, in dünnen Fäden, die sich jedoch als stabil erweisen. So wird sich auch jener Teil des Publikums, der sich an dem mitunter langwierigen Herumgehämmere und -geschraube und den repetitiven Tagesabläufen stört, schlussendlich davor hüten wollen, die sich immer weiter verdichtende Collage als Arthouse-Fingerübung abzutun – zu genau und zu bedacht wird hier montiert, fotografiert, erzählt.

Dass sich das Unterfangen auf den letzten Metern trotzdem ein wenig erschöpft ins Ziel schleppt, ist also nicht nur aufgrund der angenehm kompakten Laufzeit verzeihlich. Bewegungen eines nahen Bergs ist ein nur auf die ersten Blicke kleiner Film, der, wenn vielleicht auch nicht ewig, nach dem Abspann spürbar nachschwingt; ein Film gleichwohl über Stillstand und Reise wie über Materialität und das Ungreifbare. Und die vielen kleinen Dinge dazwischen.