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Sound-Tipp

Blut und Feuer

| Marc Hairapetian |
“Mondo Sangue: Rosso come la notte” und “Peter Thomas: Winnetou und sein Freund Old Firehand“: Das Liebhaber-Label All Score Media bringt zwei Soundtrack-Klassiker auf Vinyl heraus, einen echten und einen fiktiven.

Soundtracks zu fiktiven Exploitation-Filmen sind ihre Spezialität: Das aus Sängerin Yvy Heußler und Musiker Christian Bluthardt bestehende Stuttgarter Duo Mondo Sangue (deutsch: „Welt des Blutes“) machte 2016 mit „L’isola dei dannati” („Die Insel der Verdammten“) seine Zuhörer noch glauben, einen verschollenen Kannibalen-Film anhand des Scores wiederentdeckt zu haben, der sich musikalisch an Riz Ortonalis kontrapunktischen, sehr berührenden Klängen zu der Fake-Doku Cannibal Holocaust (Nackt und zerfleischt, 1980) orientiert, die in vielen Ländern wegen ultragrausamer „Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen“ indiziert ist. Spätestens bei der Spaghetti-Western-Hommage „No Place for a Man (Il villaggio delle donne – Das Dorf der Frauen)“ wussten aber B-Movie-Freunde endgültig, dass sich hinter dem Namen Mondo Sangue die „beste Italo-Pop-Band außerhalb Italiens“ (Stuttgarter Zeitung) verbirgt.

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Wer nun denkt, dass nach dem dritten Studio-Album „VEGA-5 (Avventure nel cosmo)“, einer atmosphärisch dichten Reminiszenz an das Space-Age der Swinging Sixties, kein Steigerungspotenzial mehr vorhanden sei, sieht sich getäuscht: „Rosso come la notte“ ist eine gekonnte Verbeugung vor dem bluttriefenden Genre des Giallo. Die beiden haben sich zu ihrem pulsierenden Progressive Rock, der an Dario Argentos favorisierte Band Goblin (Profondo rosso, Suspiria) erinnert, auch eine Geschichte ausgedacht, die sie in Videoclips visualisiert haben: Die Mailänder Tierpräparatorin Barbara fährt für einen Museumsauftrag in den Schwarzwald und verschwindet kurz darauf spurlos. Ihre Schwester reist ihr nach und stößt in dem nur scheinbar idyllischen Ort auf eine mysteriöse Mordserie. Neben dem hypnotischen Titelstück ragen noch die melodiösen Balladen „Taxi auriga“ und „Sorella gemella (Love Me)“ sowie das düstere „To Hell“ mit Co-Sänger Alberto Rocca, dem Rest der (Pop-)Welt als Bela B. (Die Ärzte) bekannt, heraus. Stilecht erscheint das Konzeptalbum als 180g Vinyl-LP inklusive beigelegtem Poster und ist auf 666 Stück limitiert und handnummeriert. Zudem sind 100 Exemplare als Special Edition in siebbedrucktem Metzgerpapier eingenäht.

Kein Fake, sondern ein realer Soundtrack ist „Winnetou und sein Freund Old Firehand“ (1966), dem für viele Kenner wohl schlechtesten Karl-May-Film der sechziger Jahre. Das kann man von der Musik des 2020 verstorbenen Peter Thomas nicht behaupten. Im Gegenteil: Raumschiff Orion scheint bei diesem Jazz-Pop-Ritt durch den Wilden Westen zu düsen. Frenetische Rhythmik und provozierende Dissonanzen treffen auf liebliche Streicher-Melodien, gewaltige Bläser-Sätze und verzerrte E-Gitarren. Das vorliegende Album ist – man glaubt es kaum – eine Vinyl-Premiere. Dafür wurden alle 42 (!) Titel neu gemastert. Auf der CD-Version finden sich zusätzlich drei bisher unveröffentlichte Stücke, die im Nachlass von Peter Thomas gefunden wurden. Adabei: Ein Bonus-Titel mit dem genialen Komponisten höchstselbst am Piano. 1980 machte er mit der lange unterschätzen Kult-Serie Mein Freund Winnetou einen weiteren musikalischen May-Ausflug. Es muss also nicht immer Martin Böttcher sein.