ray Filmmagazin » Drama » Boston / Patriots Day

Filmkritik

Boston / Patriots Day

| Jörg Schiffauer |
Eine Stadt in Angst

Am 15. April 2013 erschütterte ein Anschlag die Vereinigten Staaten. Zunächst unbekannte Täter hatten im Zielraum des weltberühmten Boston-Marathons mitten in der Stadt Sprengsätze gezündet. Die Explosionen kosteten drei Menschen das Leben, 264 Personen wurden zum Teil schwer verletzt. Das Land, das immer noch unter dem Trauma von 9/11 litt, stand erneut unter Schock, ausgerechnet am Patriots Day, einem Feiertag, der an den Unabhängigkeitskrieg erinnert, war wieder eine Metropole zum Ziel des Terrors geworden.

Peter Berg, der sich mit Deepwater Horizon als Chronist einer ganz anders gelagerten Katastrophe aus der jüngsten amerikanischen Vergangenheit bewähren konnte, rekapituliert in Boston / Patriots Day das Attentat und jene Tage danach, in denen sich  ein Schreckenszenario entwickelte, das sich tief im kollektiven Gedächtnis der Stadt und ihrer Bewohner eingraben sollte. Aus ganz unterschiedlichen Perspektiven, wie etwa der der Polizei – vom einfachen Cop bis hin zu Ermittlern des FBI –, der Täter, aber auch von Opfern des Anschlags, formt Berg ein vielschichtiges Mosaik, das die Ereignisse mit dokudramatischer Präzision rekonstruiert. Gerade die Nüchternheit von Bergs Inszenierung trägt jedoch entscheidend dazu bei, die Dramatik zu verdeutlichen. Ohne große Kunstgriffe, wird – und das ist eine der Stärken von Boston / Patriots Day – Hochspannung generiert, obwohl die Geschehnisse weitgehend bekannt sein dürften. Wie schon in Deepwater Horizon versteht es Berg auch hier, entgegen des allgemeinen Trends zum CGI-Overkill, seinem Film eine realistisch anmutende, physische Wucht zu verleihen, die geradezu spürbar wird und die Unmittelbarkeit der Inszenierung gekonnt verstärkt. Auf Psychologisierung wird verzichtet, doch die Rekapitulation der Ereignisse in Boston bringen wie unter einem Brennglas alle zentralen Ängste und Fragen, die mit dieser Form des Terrors einhergehen, auf den Punkt.

Die Attentäter etwa: zwei Brüder mit tschetschenischen Wurzeln, die scheinbar gut integriert in den Vereinigten Staaten leben und sich doch nahezu unbemerkt radikalisieren, um schließlich ihre Wahnsinnstat auszuführen. Als die beiden jungen Männer auf ihrer Flucht quer durch Boston die Stadt in Angst und Schrecken versetzen, wird deutlich, wie rasch bürgerliche Freiheitsrechte auf der Kippe stehen können. „That’s close to martial law“, warnt ein Berater den Bürgermeister, als der eine Ausgangssperre über die Stadt verhängen möchte. Auf all das verweist Boston / Patriots Day auf ebenso unaufdringliche wie bedrückende Weise.