Cyrano

Filmkritik

Cyrano

| Alexandra Seitz |
Schwungvoll ergreifend

Weil ein mächtiger Zinken in seinem Gesicht prangt, glaubt Cyrano de Bergerac, draufgängerisches Mitglied der Gascogner Kadetten, dass nicht einmal eine hässliche Frau ihn jemals lieben könne. Und natürlich schon gleich gar nicht die von ihm heimlich angebetete Roxane mit dem Aprikosen-Teint, mit der ihn gleichwohl eine tiefe Freundschaft und Vertraulichkeit verbindet.

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So kommt es denn, dass Cyrano, als Roxane sich in den zwar sehr gutaussehenden, doch nicht besonders wortgewandten Christian von Neuvillette, ein Neuzugang im Regiment, verguckt; dass also Cyrano diesem Christian als Verseschmied unter die Arme greift. Das heißt, er dient ihm als Ghostwriter und schreibt die Liebesbriefe, mit denen Christian hofft, Roxane zu betören, die wiederum hofft, in Christian keinen tumben Toren anzuhimmeln, während Cyrano in alledem die Chance sieht, Roxane wenigstens mit Worten nahe zu kommen, um nicht zu sagen, sie zu liebkosen. Klare Sache, dass diese wechselseitigen Täuschungsmanöver und damit einhergehende Selbstverleugnung in allgemeiner seelischer Verwirrnis und Unglück resultiert.

Seit seiner Uraufführung 1897 in Paris erfuhr Edmond Rostands im gleichen Jahr entstandenes Versdrama „Cyrano de Bergerac“ vielfache Bearbeitungen: für Film, Fernsehen und Radio, als Oper, Ballett, Theaterstück, und selbstverständlich auch als Musical. Dessen aktuellster Entwurf – „Cyrano“ in der musikalischen Einrichtung von Aaron und Bryce Dessner, uraufgeführt 2018 in Chester, Connecticut – liegt Joe Wrights Filmadaption zugrunde. Wie in der Bühnenfassung so sind auch im Film Haley Bennett und Peter Dinklage in den Rollen von Roxane und Cyrano zu sehen und zu hören.

Nun findet sich in Dinklages Gesicht zwar kein übermäßig großes Riechorgan, mit seinen etwa 1,30 Metern aber zählt er zu den Kleinwüchsigen, d.h. sein Körper entspricht nicht der Norm, und das ist der Punkt, auf den es im gegebenen Kontext ankommt. Insofern die „entstellende“ Nase der Figur kein Requisit ist, sondern die „geringe“ Größe des Schauspielers eine
Tatsache, präsentieren sich nämlich die Fragen, die das Stück aufwirft, nicht mehr nur als theoretische im Reiche einer schön ausgesungenen Phantasie. Sondern vielmehr als konkrete Fragen an eine konkrete Wirklichkeit, in der die Menschheit an Äußerlichkeiten verzweifelt, weil sie verlernt hat, nach Innen zu lauschen.