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Das Blau des Kaftans / Le Bleu du caftan

Filmstart

Das Blau des Kaftans

| Pamela Jahn |
Unaufdringliches Drama mit feiner Struktur und großer Liebe fürs Detail

Kräftige Hände, die über einen weichen Seidenstoff gleiten. Satte Farben von Blau und Gold. Die hohe Kunst der Schneiderei hat etwas Sinnliches und Edles an sich, das macht Maryam Touzani in wenigen Bildern gleich zu Beginn ihres neuen Films deutlich. Und die Eleganz, mit der die marokkanische Regisseurin hier am Werk ist, überträgt sie mühelos auch auf die Geschichte, die sie im Anschluss erzählt: Halim (Saleh Bakri) und Mina (Lubna Azabal) führen gemeinsam einen kleinen Kaftan-Laden in Salé in Marokko. Die traditionellen Gewänder, die sie verkaufen, stellen sie mit viel Liebe fürs Detail und in feinster Handarbeit selbst her. Die erstklassige Qualität ihrer Waren hat sich längst herumgesprochen, aber zu zweit kommen sie mit der Arbeit kaum hinterher. Weil Mina zudem noch krank ist und sich schonen muss, stellen sie Youssef (Ayoub Messioui) ein, den Halim jedoch erst anlernen muss. Und wie so oft, wenn ein Dritter in eine fest verwobene Beziehung rückt, treten bald verdrängte Sehnsüchte an die Oberfläche, manchmal nur hervorgerufen durch eine unscheinbare Berührung, eine flüchtige Geste oder die Zartheit eines Blicks.

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Das Blau des Kaftans ist ein Film, der auf verführerische Weise die Gegensätze zwischen dem drohenden Verlust von alten Traditionen und dem leisen Aufbrodeln von unterdrückten Emotionen erforscht. Es gibt viele Szenen, in denen die Kamera auf den Händen und Materialien verweilt, um die Schönheit und Besonderheit der aufwendigen Schneidereikunst in den Vordergrund zu stellen, die durch die zunehmende Modernisierung immer weiter zu verschwinden droht. Gleichzeitig sprechen die Bilder von einem Gefühl, einem Begehren, einer Leidenschaft, die über weite Strecken des Films verlockend rätselhaft bleibt, verschleiert durch die tiefe Zuneigung der Figuren zu ihrem Metier. Die Dreiecksbeziehung im Zentrum der Handlung vermeidet derweil jede Konfrontation zugunsten einer feinsinnigen Erzählweise, die so nuanciert ist wie die Farben und Muster der Stoffe selbst. Mina kann streng und eifersüchtig sein, aber sie ist auch einfühlsam und nachsichtig gegenüber dem verschlossenen Halim, weil sie ihn und sich zu gut kennt. Halim seinerseits kann ihr Verlangen nicht erwidern, überhäuft sie aber mit Fürsorge. Darin liegt das Geheimnis ihrer Liebe zueinander, in die Youssef hineinbricht, ohne großes Drama, aber mit umso mehr Nachdruck und Gefühl. Die Qualität von Touzanis Regie zeigt sich besonders deutlich, wenn die drei zusammen tanzen – eine Szene, die leicht ins Klischee hätte kippen können, aber in dem Moment unterschwellig zu einer Art Befreiungsschlag wird.