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Das Familienfoto

Filmkritik

Das Familienfoto

| Alexandra Seitz |
Die malerischen Ruinen einer Familie in der Stadt der Liebe

Als Großvater stirbt, kommen sie alle wieder zusammen: Vater Pierre, typischerweise ständig im Büro beschäftigt, mit seiner mittlerweile zwar nicht mehr so neuen, dafür aber immer noch jüngeren Freundin, die zu allem Überfluss schwanger ist. Mutter Claudine, die Psychotherapeutin, die es sich in ihrem Leben als Ex gutgelaunt-zynisch eingerichtet hat; die Scheidung ist ja auch schon etwas länger her, da waren die Kinder noch klein. Inzwischen sind sie mehr oder weniger selbstständig: Sohn Mao, ein erfolgreicher Computerspielentwickler, der es dennoch nie ins Erwachsenenalter geschafft hat, zum Ausgleich dafür aber schon mal mit dem Tod liebäugelt. Tochter Elsa, die von der biologischen Uhr getrieben schwanger werden will, aber nicht wird, was ihren Lebensgefährten allmählich unter zu großen Druck setzt. Tochter Gabrielle, die ihren Sohn alleine großzieht und berufsmäßig als lebende Statue und Fotomotiv an touristischen Hotspots steht. Jener Sohn, der sich deswegen seiner Mutter schämt und zum Vater übersiedeln will.

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In diese Ansammlung, die – allzeit bereit, spitzzüngig übereinander herzufallen – dem Begriff „dysfunktionale Familie“ alle Ehre macht, gerät nun Bewegung, weil Oma geistig nicht mehr auf der Höhe ist und nur noch davon murmelt, sie wolle
zum Sterben zurück nach Saint Julien, dem glücklichen Sommerferienort der einst glücklichen Familie. Den es in dieser idyllischen Form jedoch nicht mehr gibt, so wie es ja auch das Familienidyll nicht mehr gibt. Da eine Abschiebung ins Heim gleichfalls nicht in die Tüte kommt, wechselt man sich ab mit der Betreuung.

Und so vermittelt Cécilia Rouaud in Das Familienfoto / Photo de famille Einblicke in den ganz normalen Wahnsinn, der den Alltag der Kinder und Kindeskinder bestimmt. Bei welcher Gelegenheit man zugleich höchst verschiedene Behausungen in höchst verschiedenen Arrondissements mit höchst verschiedenen Atmosphären kennenlernt – von der Etagenresidenz im Innenstadtpalais bis zum Hamsterkäfig im Banlieue-Hochhausturm. Eine etwas andere Sightseeing-Tour durch Paris, die zur Authentizität dieses humorvollen Familiendramas beiträgt. Ebenso wie die vom sprichwörtlichen französischen Esprit geprägten Dialoge, ausgetauscht von sorgsam charakterisierten und bei aller Spleenigkeit doch glaubwürdigen Figuren, die mit Herz und Biss gleichermaßen von einer herausragenden Besetzung verkörpert werden.