Anlässlich des Starts von Sam Raimis „Doctor Strange in the Multiverse of Madness“: ein kleiner Rückblick auf den bemerkenswerten Werdegang eines Regisseurs, der sich im Verlauf seiner Karriere auf höchst unterschiedlichen Ebenen der Filmwelt zurechtzufinden versteht.
Die es die Fangemeinde mittlerweile gewohnt ist, kursieren vor der Premiere eines neuen Films aus dem Marvel Cinematic Universe bestenfalls bruchstückhafte Informationen bezüglich des Plots. Auch bei dem bevorstehenden Auftritt von Doctor Stephen Strange, dem Neurochirurgen, der bei einem Besuch in Tibet in Kontakt mit mystischen Kräften kommt, ist nicht viel mehr durchgesickert, als dass es sich bei Doctor Strange in the Multiverse of Madness um ein Sequel zu seinem Leinwanddebüt Doctor Strange aus dem Jahr 2016 handelt und auch an Spider-Man: No Way Home anknüpfen soll. Und natürlich übernimmt Benedict Cumberbatch erneut die titelgebende Rolle. Spannung erwächst allerdings schon angesichts des Regisseurs, denn mit der Inszenierung des präsumptiven Blockbusters beendet Sam Raimi eine fast zehnjährige Kinopause. Was eine weitere Wendung in seiner ohnehin schon reichlich abwechslungsreich verlaufenden Karriere darstellt.
Der 1959 in Michigan geborene Sam Raimi wuchs in Birmingham, einer Kleinstadt mit rund 2000 Einwohnern in der Nähe von Detroit, auf. Im Alter von 13 Jahren bekam Sam von seinem Vater eine Super-8-Kamera geschenkt, und bald schon begann Raimi, wie er in einem Interview mit „The Independent“ erzählte, Szenen von Banküberfällen unter Mitwirkung der Nachbarskinder zu inszenieren und zu filmen. Seine Eltern unterstützten diese kreativen Bemühungen zunächst, doch als er später die Absicht äußerte, sich beruflich in Richtung Film zu orientieren, schlug die Stimmung rasch um. „Meine Eltern dachten, ich hätteden Verstand verloren, weshalb sie mir jede Unterstützung in diese Richtung verweigerten. Das hat sich aber als vorteilhaft für meine Entwicklung erwiesen. Ich musste mich mit allen möglichen Jobs herumschlagen um Geld aufzustellen, was mir jedoch meine eigenen individuellen Fähigkeiten und Möglichkeiten vor Augen führte“, beschrieb Raimi in besagtem Interview diese nicht immer einfache Zeit. Während seines Englisch-Studiums an der Universität von Michigan State drehte Raimi Within the Woods, einen halbstündigen Horrorfilm, der ein wenig als Visitenkarte konzipiert war, um potenzielle Investoren für ein professionelles Spielfilmprojekt auf sich aufmerksam zu machen. Eine der Rollen in der Geschichte um vier junge Leute, die ein Wochenende in einer abgelegen Waldhütte verbringen wollen und dabei mit gar üblen dämonischen Mächten konfrontiert werden, übernahm übrigens Bruce Campbell, der mit Sam Raimi schon seit Jugendzeiten befreundet war und zu einem wichtigen künstlerischen Wegbegleiter werden sollte.
Riskanter Kraftakt
Tatsächlich sollte es Raimi gelingen, genügend Mittel zu requirieren, um seinen ersten professionellen Langfilm zu finanzieren, der auf dem Plot von Within the Woods basierte und den Titel – wie Kenner des Horrorgenres bereits richtig vermutet haben – The Evil Dead (1981) trägt. Raimi hatte nach drei Semestern sein Studium abgebrochen, um sich auf die Arbeiten an jener kleinen Independent-Produktion mit dem eher schmalen Budget – Raimi zufolge betrug es 375.000 Dollar – konzentrieren zu können. Das Ausgangsszenario von The Evil Dead folgt weitgehend dem von Within the Woods skizzierten: Diesmal ist es allerdings eine fünfköpfige Gruppe, die bei ihrem Aufenthalt in der einsamen Hütte ein Tonbandgerät und ein altes Buch, eineArt sumerische Version des von H. P. Lovecraft erdachten Necronomicon, des Buches der Toten, finden. In einer Mischung aus Neugierde und Unbedarftheit entfachen die fünf Studenten die dämonischen Kräfte des Buches, die bald auf ebenso unterschiedliche wie grauenhafte Weise über die Gruppe herfallen. Am Schluss bleibt nur der von Bruce Campbell verkörperte Ash Williams übrig, um sich – selbst bereits schwer lädiert – den unsagbar bösen, übernatürlichen Mächten entgegenzustellen.
The Evil Dead ist eine in mehrfacher Hinsicht bemerkenswerte Regiearbeit, die bereits etliches beinhaltet, das für das Kino von Sam Raimi charakteristisch ist. Ursprünglich auf 16mm-Material gedreht, erinnert The Evil Dead visuell mit seiner rauen Körnigkeit an stilbildende Arbeiten des Neuen Amerikanischen Horrorfilms wie etwa Tobe Hoopers The Texas Chainsaw Massacre, Wes Cravens The Hills Have Eyes oder George A. Romeros The Crazies. Doch während die drei letztgenannten Filmen einigermaßen plausible Szenarien entwerfen und vor allem Schrecken und Gewalt wirklichkeitsnah in Szene setzen – und somit auch den Zustand der US-amerikanischen Gesellschaft mit höchst verstörendem Effekt beleuchten – lässt The Evil Dead keinen Zweifel an dem phantastischen Ursprung der Bedrohung aufkommen. Mystische, übernatürliche und phantastische Elemente spielen in Sam Raimis Filmen wiederholt eine zentrale Rolle, The Evil Dead gibt hier bereits die Richtung vor – samt einem frappierenden Gegensatz. Das von Raimi verfasste Skript schöpft tief im Fundus des phantastischen Genres mit dem legendenumwobenen Necronomicon und seinen mythischen Kräften, die von Menschen Besitz ergreifen, Tote in zombieartige Wiedergänger verwandeln oder Bäumen und Pflanzen ein mörderisches Eigenleben verleihen. Doch diese Kräfte manifestieren sich mit einer Wucht und einer drastisch in Szene gesetztenGewalt, die die Grenzen des in dieser Hinsicht ohnehin nicht zimperlichen Splatter-Subgenres ziemlich austestet. Raimis Inszenierung wird bald zu einem unerbittlichen Hauen und Stechen, ein sich stetig steigerndes Malträtieren der Protagonisten, dass den Begriff „graphic violence“ zu definieren scheint. Die Akte der physischen Zerstörung der Charaktere schraubt Raimi aber auch so hoch, dass The Evil Dead streckenweise eine comicbook-hafte Stilisierung erfährt, die in Bezug auf explizite Gewalt eine Art kathartischer Funktion erfüllt. Auch hier wird etwas vorweggenommen, was sich wiederholt in Sam Raimis Filmen finden wird: Das Grauen hat bei all seiner Schrecklichkeit auch komische, bis hin zur Farce reichende Züge.
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Die gewagte dramaturgische Mischung samt der Grindhouse-Ästhetik von The Evil Dead erwies sich als höchst effektiv. Die kleine Independent-Produktion spielte allein in den Vereinigten Staaten rund 2,4 Millionen Dollar ein und – was noch viel wichtiger war – entwickelte sich vom Geheimtipp bald zum Kultfilm mit einer weltweiten Fangemeinde, die die Basis für das „Evil Dead“-Franchise bildete, die im Lauf der Jahre neben dem Sequel Evil Dead II (1987) das 2013 unter der Regie von Fede Alvarez entstandene Reboot Evil Dead (Raimi fungierte dabei als Produzent) sowie die Fernsehserie Ash vs Evil Dead (2015 –2018) umfasst. Und noch in diesem Jahr soll der bereits abgedrehte Evil Dead Rise (Regie: Lee Cronin) anlaufen.
Seinen ausgeprägten Sinn für schwarzen Humor pflegte Sam Raimi mit Crimewave (1985) weiter. Bei der Geschichte um einen zu Unrecht zum Tod Verurteilten fungierten keine Geringerenals die Brüder Joel und Ethan Coen als Ko-Drehbuchautoren. Bei dem bereits angesprochenen Evil Dead II (1987) changiert Raimi gekonnt zwischen einer Fortsetzung des Originals und einer Neuverfilmung, wobei der grimmige Humor etwas mehr in den Fokus gerückt wird.
Spätestens mit dem von Universal Pictures produzierten Darkman (1990) war Sam Raimi endgültig im großen Hollywood-kino angekommen. Im Mittelpunkt steht der von Liam Neeson gespielte Wissenschaftler Dr. Peyton Westlake, der bei einem Überfall von einer Gangsterbande beinahe tot und grausam verstümmelt zurückgelassen wird und dann in Gestalt von „Darkman“ Rache an seinen Peinigern übt. Die besonderen Kräfte, die Darkman dabei zugute kommen, resultieren aus einer Schmerzunempfindlichkeit als Folge der Behandlung seiner schweren Verletzungen und einer Reihe elaborierter Gesichtsmasken, wobei Westlake auf seine wissenschaftliche Erfahrung zurückgreifen kann, ist sein Fachgebiet doch die Herstellung künstlicher Haut. Mit der düsteren Geschichte zeigt Raimi nicht nur seine Vorliebe für phantastische Sujets, er nahm mit Darkman auch schon ein wenig den filmischen Superhelden-Trend – hier hat Raimi den Protagonisten gleich selbst erfunden und sich nicht einer Comic-Vorlage bedient – vorweg, der in den vergangenen zwei Jahrzehnten ungeahnte Höhenflüge erlebt.
Der veritable Erfolg von Darkman an der Kinokassse – bei Produktionskosten von 14 Millionen Dollar spielte der Film knapp 50 Millionen ein – ermöglichte es Raimi, ein bereits lange geplantes Projekt, das an Evil Dead anschließt, zu verwirklichen. In Army of Darkness (1992) hat Ash Williams – natürlich wieder von Bruce Campbell verkörpert – die schrecklichen Ereignisse so einigermaßen überstanden, als er mitten aus seinem beschaulichen Leben als Haushaltswarenverkäufer herausgerissen wird und sich unversehens im Mittelalter wiederfindet. Dort gerät er zunächst in die Auseinandersetzung zweier rivalisierender Fürsten, um bald wieder auf das berüchtigte Necronomicon zu stoßen. Das Zauberbuch sollte eigentlich der Schlüssel zu Ashs Rückkehr sein, doch erneut aktiviert er versehentlich dessen bösen Kräfte, worauf sich eine Armee von Untoten in Form wandelnder Skelette erhebt. Auch wenn Army of Darkness auch noch seine heftigen Momente hat, betont Raimis Inszenierung durch Stilisierung noch deutlicher die Meta-Ebene des Genres als in den „Evil-Dead“-Filmen. Die titelgebende Armee der Finsternis wird etwa mittels der traditionellen Stop-Motion-Technik in Bewegung gesetzt, eine wunderbare Hommage an klassisches Hollywood-Genrekino im Stil von Ray Harryhausen, dem Meister dieses tricktechnischen Verfahrens. Auch aufgrund seiner visuellen Effekte konnte Army of Darkness nach und nach neben dem Kultstatus auf eine beachtliche Fan-Gemeinde verweisen.
Genre-Variationen
Dass Sam Raimi mit seinem Œuvre immer wieder auch ein dezidiertes Bewusstsein für filmhistorisches Erbe demonstriert, zeigt sich auch in The Quick and the Dead (1995), mit dem er sich dem klassischen Genre des US-amerikanischen Kinos, dem Western, zuwendet. Die dramatische Grundstimmung kontrastiert Raimis Inszenierung mit ironischen Untertönen, die auf die Meta-Ebene verweisen, auf der The Quick and the Dead operiert. Das Duell, ein zentrales Motiv im klassischen Westernkino, stellt sich hier etwa als ein zu einem Spektakel mutierter Wettkampf dar, den der das Städtchen mit dem klingenden Namen „Redemption“ beherrschende Outlaw John Herod (Gene Hackman) alljährlich veranstaltet. Für die Darstellung der schillernden Revolverhelden, die sich dem mörderischen Wettbewerb stellen, konnte Raimi große Schauspielernamen wie Russell Crowe, Leonardo DiCaprio und Sharon Stone gewinnen.
Als wunderbare Genre-Arbeit erweist sich wiederum Raimis nächstes Projekt, A Simple Plan (1998). Im ländlichen Minnesota führt der Buchhalter Hank Mitchell (Bill Paxton) mit seiner Frau Sarah (Bridget Fonda) ein wenig ereignisreiches, doch zufriedenes Leben. Bei einem Jagdausflug mit seinem ein wenig einfach gestrickten Bruder Jacob (Billy Bob Thornton) und ihrem Kumpel Lou finden sie in den tief verschneiten Wäldern zufällig ein abgestürztes Sportflugzeug, in dem sich eine Tasche mit 4,4 Millionen Dollar befindet. Allen dreien ist schnell klar, dass dieses Geld aus illegalen Aktivitäten stammt. Nach anfänglichem Zögern lässt Hank sich von den beiden anderen überreden, das Geld zu behalten. Allerdings schlägt er vor, es vorerst aufzubewahren, sollte es auch nach offizieller Auffindung der abgestürzten Maschine kein großes Aufsehen geben, würde man die Summe unauffällig aufteilen. Doch besagter einfacher Plan kann natürlich nicht gutgehen. Nach und nach taumeln Hank und seine Komplizen in die Katastrophe … Raimi inszeniert A Simple Plan als atmosphärisch dichten Neo-Noir und stimmigen psychologischen Thriller, der Traum vom unerwarteten Reichtum entwickelt sich für die Protagonisten von der Farce unaufhaltsam zur Tragödie.
Mit For the Love of the Game (1999) vollzog Raimi einen stilistischen und thematischen Wechsel. Im Mittelpunkt steht Billy Chapel (Kevin Costner), professioneller Baseballspieler im Spätherbst seiner Karriere, der mit seiner Mannschaft zum Saisonabschluss in New York gegen das legendäre Team der Yankees antritt. Während Billy dabei ist, als Pitcher das seltene Kunststück eines perfekten Spiels – wobei der Werfer keinen Schlagmann erlaubt, eine Base zu erreichen – abzuliefern, schaut er in Rückblenden auf die Höhen und Tiefen seines Lebens in sportlicher und privater Sicht zurück. Raimi versteht es dabei nicht nur, „America’s Game“ Baseball authentisch in den Plot zu integrieren, die kongeniale Mischung aus Sportfilm und Melodrama erinnert in seiner aufrichtigen Emotionalität streckenweise an die großen Hollywood-Klassiker Frank Capras. Mit dem Thriller The Gift (2000), in dem Cate Blanchett eine Frau mit hellseherischen Fähigkeiten spielt, wandte sich Raimi dann wieder einem eher phantastischen Sujet zu.
Knapp zwei Jahrzehnte nach The Evil Dead konnte Sam Raimi auf ein ebenso veritables wie vielseitiges Œuvre verweisen. Es war nichtsdestotrotz ein ein wenig merkwürdig anmutender Punkt in seiner Karriere. Seine Filme wurden zu einem guten Teil von der Kritik positiv aufgenommen, mit einigen seiner Arbeiten hatte er sich eine große Fan-Gemeinde aufgebaut. Doch ungeachtet manch respektabler Bilanzen die Einspielergebnisse betreffend, galten seine Filme nach der zunehmend vorherrschenden Blockbuster-Mentalität Hollywoods nicht gerade als Kassenmagnet. Eine Erwartungshaltung, der Raimi, wie er gegenüber dem „Independent“ verriet, im Lauf der Zeit mit einem eigenen Wertesystem zu begegnen wusste: „Ich dachte, es sei besser, Erfolg anders als Hollywood zu definieren und habe mich entschlossen, diesen Begriff als eine Kombination aus der Bewertung des Publikums, meiner eigenen Ansicht und schließlich dem, was die professionellen Kritiker über meine Filme denken, anzusehen.“
Großproduktionen
Diese akzentuierten Vorstellungen Raimis bezüglich seiner Arbeit sollten ihn jedoch nicht abhalten, schließlich doch eines jener Big-Budget-Projekte zu übernehmen, auf denen bezüglich der Einspielergebnisse immer ein hoher Erfolgsdruck lastet. Um mit Spider-Man (2002) eine der ikonischen Figuren aus dem Marvel-Universum auf die Leinwand zu bringen, verfügte Raimi über ein Budget von knapp 140 Millionen Dollar. Natürlich finden sich bei Spider-Man spektakuläre visuelle Effekte – zum damaligen Zeitpunkt auf dem neuesten Stand der technischen Möglichkeiten –, doch verglichen mit den meisten dergegenwärtigen CGI-Spektakel in Sachen Superhelden nimmt sich Raimis Inszenierung viel mehr Zeit, um die Charakterisierung und Entwicklung der Protagonisten zu zeichnen. Anhand des von Tobey Maguire gespielten Peter Parker, der bekanntermaßen nach einem Spinnenbiss jene Kräfte entwickelt, die ihn zu Spider-Man werden lassen, wird eines der zentralen Motive von Superhelden-Erzählungen, das große Macht eben auch große Verantwortung mit sich bringt, dramaturgisch ebenso hervorgehoben wie auch das Problem der zwei Identitäten, der sich Peter Parker/Spider-Man gegenüber sieht. Dass Raimi es kongenial versteht, seine Vorstellungen von „Spidey“ mit dem Geist der Comic-Vorlage zu verknüpfen, ist wohl einer der Gründe, warum der Film auch angesichts der mittlerweile zahlenmäßig starken Konkurrenz immer noch als eine der stimmigsten Superhelden-Verfilmungen gilt – inklusive der diversen Spider-Man-Reboots. In Sachen Box-Office stieß Raimi in Rekordhöhen vor, war Spider-Man doch der erste Film, der am Startwochenende die 100-Millionen-Dollar-Grenze überwinden konnte und gesamt schließlich 825 Millionen einspielte. Ähnlich große Erfolge konnte Raimi mit Spider-Man 2 und 3 einfahren, um dann mit Drag Me to Hell (2009) einen mit überschaubarem Budget produzierten Thriller – übernatürliche Kräfte spielen dabei eine wesentliche Rolle – in Angriff zu nehmen.
Seine Herangehensweise an neue Projekte erklärte Raimi dem Online-Magazin „Den of Geek“ 2013 so: „Ich widersetze mich ständig Konventionen und kämpfe dagegen an, auf der sicheren Seite zu sein. Ich glaube, auch das Publikum möchte einen Schritt nach vorne und neue Erfahrungen machen. Bestimmte Themen, die sich durch altbewährte Mythen und Geschichten ziehen, bleiben dabei erhalten, aber die Aufbereitung verträgt da durchaus einen neuen Twist.“ Das ist Raimi in seinem
Œuvre durch eine akzentuierte Handschrift zweifellos gelungen. Sein Regiestil bleibt dabei unprätentiös, tendiert ungeachtet mancher stilistischer Extravaganz wie etwa im Fall von Army of Darkness dazu, die jeweilige Geschichte höchst effektiv zu erzählen. Dass es ihm dabei gelingt, traditionellen Genres – von Horror über Neo-Noir bis zum capraesken Drama – den angesprochenen neuen Spin zu verleihen, macht deutlich, dass die Einflüsse New Hollywoods unverkennbar sind. Da erscheint es durchaus stimmig, dass Raimi 2013 – sein bislang letzter Kinofilm, ehe er nun mit Doctor Strange in the Multiverse of Madness sein Comeback feiert – schließlich an einen der ganz großen Klassiker des US-amerikanischen Kinos anknüpfte. Oz the Great and the Powerful erzählt lose die Vorgeschichte des titelgebenden Zauberers aus The Wizard of Oz (1939). In
Raimis Film ist der von James Franco gespielte Oscar Diggs eigentlich nichts weiter als ein auf Jahrmärkten auftretender Illusionist, den es ins magische Land Oz verschlägt. Dort wird er von der Bevölkerung, die durch schwere Zeiten geht, für den lange prophezeiten Zauberer gehalten, der ihrer Not ein Ende setzten könnte. Etwas zögernd nimmt Oscar die Rolle an. Raimi nützt alle CGI-Möglichkeiten, um die phantastische Welt von Oz bildmächtig in Szene zu setzen und damit die emblematische Seite der Geschichte zu unterstreichen: Die Macht der Bilder als Strategie, um allen Widrigkeiten des Lebens begegnen zu können – da sind sich Oscar Diggs, der Illusionist aus Kansas, und Sam Raimi, der Kinozauberer aus Michigan, ziemlich ähnlich.