Sprechprobe Geaechtet

Filmkritik

Die Burg

| Angela Sirch |
Ein Blick ins geschäftige Herz eines großen Theaters

Das Burgtheater. Eine der bedeutendsten Bühnen Europas. Seit 1748 bestehend, seit 1888 am heutigen Standort am Universitätsring gegenüber dem Wiener Rathaus. Es ist, gemessen an den Mitarbeitern und dem Budget, das größte und reichste Repertoiretheater der Welt und begrüßt in insgesamt vier Spielstätten – dem Burgtheater, dem Akademietheater, dem Kasino und dem Vestibül – bei rund 800 Vorstellungen pro Jahr mehr als 400.000 Zuschauer. Das sind die harten Fakten einer der ältesten Sprechbühnen Europas. Doch was steckt dahinter?

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Wie geht man als Schauspieler mit dem Mythos des Burgtheaters um? Wird dieser zuweilen zur Last? Wie kommen die Stücke, wie die unzähligen Vorstellungen im Jahr zustande? Wer sind die vielen Menschen, die hinter der Bühne oder im Foyer arbeiten? Mit diesen Fragen beschäftigt sich Regisseur Hans Andreas Guttner, der für Dokumentarfilmklassiker wie Alamanya Alamanya – Germania Germania (1979) verantwortlich zeichnet, in seinem neuen Film.

Im Mittelpunkt steht, neben Einblicken in andere Produktionen, die Inszenierung des Stückes „Geächtet“ von Ayad Akhtar, die unter anderem mit den Schauspielern Fabian Krüger, Katharina Lorenz, Nicholas Ofczarek und Christoph Radakovits besetzt ist. Von den ersten gemeinsamen Lesungen des Textes über die Gestaltung des Bühnenbildes zum Anpassen des Kostüms bis hin zur Premiere wird der Zuschauer mitgenommen bei einem faszinierenden, sehr persönlichen Blick hinter die Kulissen eines Hauses, das für unzählige Menschen ein Arbeitsplatz ist wie jeder andere – und dann doch wieder nicht. Garderobieren, die vermutlich Bände darüber schreiben könnten, wie alteingesessene Burgtheater-Besucher auf Kontroversen und „Skandal-Stücke“ reagierten und Schauspieler, die gleichermaßen geschmeichelt als auch staunend die zuweilen schwierige Liebesbeziehung der Wiener zur „Burg“ betrachten.

Die Gedankenspielereien und wilden Ideen, aber auch die strikten Pläne und organisatorischen Gespräche betrachtet Guttners Film und fängt dabei Gedanken ein, die zeigen, was es braucht, um die turbulente, fordernde Arbeit am Theater zu meistern: Leidenschaft, Idealismus, den Drang, in allen Facetten der Kunst Geschichten zu erzählen, die man nicht vergisst, auch wenn das Licht angeht, und die Bereitschaft, sich genau dann am verletzlichsten zu präsentieren, wenn alle Augen auf einen gerichtet sind.

Viele meinen, dass Blicke hinter die Kulissen den Dingen den Zauber nehmen, doch Guttner zeigt mit seiner begleitenden Zurückhaltung, dass manches durch genaueres Hinsehen noch beeindruckender und spannender werden kann.